OGH 10ObS30/95

OGH10ObS30/9514.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Josef Fellner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Stöcklmayer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herta S*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Günter Philipp, Rechtsanwalt in Mattersburg, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Pflegegeldes infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.November 1994, GZ 32 Rs 135/94-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 17. Mai 1994, GZ 17 Cgs 1291/93a-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat dem Kläger binnen vierzehn Tagen die einschließlich 338,24 S Ust. mit 2.029,44 S bestimmten halben Kosten der Revision zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 21.10.1993 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 16.7.1993 auf Pflegegeld mangels der im § 4 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen ab.

Das Erstgericht wies das auf die abgelehnte Leistung im gesetzlichen Ausmaß ab 1.7.1993 (richtig Antragstag) gerichtete Klagebegehren ab. Für alle im § 2 Abs 2 Einstufungsverordnung zum BPGG genannten Hilfsverrichtungen seien seit 1.7.1993 - auf einen Monat bezogen - insgesamt ein fixer Zeitwert von 50 Stunden anzunehmen. Bis Ende November 1993 habe auch ein Betreuungsaufwand für die Kanülenpflege bestanden. Dem Kläger gebühre jedoch nach § 4 Abs 1 BPGG dennoch kein Pflegegeld, weil der ständige Pflegebedarf nicht mindestens sechs Monate angedauert habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, in der dieser in erster Linie die Abänderung durch Zuerkennung des Pflegegeldes in Höhe der Stufe 1 für die Zeit vom 1.7. bis 30.11.1993, hilfsweise die Aufhebung beantragte, nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht der ersten Instanz.

In der Revision macht der Kläger unrichtige rechtliche Beurteilung (der Sache) geltend; er wiederholt die schon in der Berufung gestellten Anträge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach § 4 Abs 1 BPGG gebührt das Pflegegeld ..., wenn auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung der ständige Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird oder würde.

Da das BPGG erst mit 1.7.1993 in Kraft getreten ist, ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß es auf die voraussichtliche Dauer des ständigen Pflegebedarfes seit dem 1.7.1993 ankommt. Durch die Mindestfrist von sechs Monaten, während der der ständige Pflegebedarf bestehen muß, werden nur Personen ausgeschlossen, die etwa auf Grund einer vorübergehenden Erkrankung der Pflege bedürfen, wobei vorauszusehen ist, daß dieser Bedarf nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge innerhalb des genannten Zeitraumes wieder wegfallen wird (SSV-NF 8/61). Die erforderliche Kontinuität des Pflegebedarfes liegt bei systematischer und teleologischer Gesamtbetrachtung des § 4 BPGG schon vor, wenn dieser voraussichtlich für sechs Monate in einem zumindest der Stufe 1 entsprechenden Ausmaß besteht. Ein voraussichtlich nur für fünf Monate bestehender Pflegebedarf von jeweils mehr als 50 Stunden reicht hingegen nicht aus (Pfeil, Probleme des Bundespflegegeldgesetzes DRdA 1993, 181 [192]). Die im § 4 Abs 1 BPGG gebrauchte Konjunktivwendung "andauern würde" soll klarstellen, daß es bei früherem Ableben eines Pflegebedürftigen genügt, wenn die Sechsmonatsfrist im Falle einer längeren Lebensdauer voraussichtlich erreicht worden wäre (Pfeil aaO und Gruber/Pallinger aaO § 4 Rz 27, jeweils unter Bezugnahme auf die EB der RV zum BPGG).

Da die Entscheidung von der Lösung einer für die Rechtsentwicklung erheblichen Rechtsfrage abhängt, ist dem gänzlich unterlegenen Kläger nach § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG auf einer Kostenbemessungsgrundlage von 50.000 S (Abs 2 leg cit) der Ersatz der halben Kosten der Revision zuzubilligen.

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