OGH 11Os6/95

OGH11Os6/9514.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Braunwieser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Martin S***** wegen des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft Wien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Oktober 1994, GZ 4b Vr 5269/94-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Drexler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch, jedoch unter Aufrechterhaltung des Einziehungserkenntnisses nach § 16 Abs 3 SGG, aufgehoben; gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:

Martin S***** hat durch die zu Punkt A./1. bis 4. und B./ des Urteilssatzes bezeichneten Tathandlungen (nach § 16 Abs 1 SGG) Minderjährigen den Gebrauch eines Suchtgiftes ermöglicht, wobei er selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als die Minderjährigen war.

Er hat hiedurch in Verbindung mit den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruchs (Punkt A./5. und C./) das Vergehen nach § 16 Abs 1 und Abs 2 Z 1 SGG begangen und wird hiefür nach § 16 Abs 2 SGG sowie unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB auf das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 12. September 1994, AZ 17 E Vr 388/94, zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von

18 (achtzehn) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde der am 7. September 1972 geborene Martin S***** - abweichend von der (auch) auf das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG lautenden Anklage - des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt.

Darnach hat er (zusammengefaßt wiedergegeben) in der Zeit von Sommer 1992 bis April 1994 in Wien und Umgebung außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider wiederholt Suchtgift, nämlich insgesamt etwa 27 Gramm Haschisch an Markus L*****, geboren am 2. September 1978, Martin Sch*****, geboren am 19. April 1979, Philipp K*****, geboren am 11. Juli 1979 und Thomas P*****, geboren am 22. Juni 1979 (A./1. bis 4.) an den Letztgenannten auch 1 Gramm Amphetamin (B./) sowie an unbekannte Abnehmer nicht mehr feststellbare Mengen Haschisch (A./5.) verkauft sowie in der Zeit von Sommer 1992 bis Ende April 1993 und von Juli 1993 bis 9. Mai 1994 Haschisch erworben und besessen (C./).

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil wird (in seinem schuldigsprechenden Teil) von der Staatsanwaltschaft ausschließlich wegen rechtsirriger Nichtannahme der Qualifikation nach § 16 Abs 2 Z 1 SGG mit Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Grund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO angefochten.

Die Beschwerde ist im Recht.

Das Erstgericht hat nämlich übersehen, daß die Urteilsannahmen zu den Schuldspruchfakten A./1. bis 4. und B./ auch die objektiven und subjektiven Qualifikationsmerkmale nach § 16 Abs 2 Z 1 SGG erfüllen. Nach dieser Bestimmung ist der Täter einer nach § 16 Abs 1 SGG strafbaren Handlung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wenn er durch diese Tat einem Minderjährigen den Gebrauch eines Suchtgiftes ermöglicht und selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als der Minderjährige ist.

Da es sich bei § 16 Abs 2 Z 1 SGG um eine Deliktsqualifikation handelt, setzt deren Annahme voraus, daß die beschriebenen Qualifikationsmerkmale auch vom (zumindest bedingten) Vorsatz des Täters umfaßt sind (Leukauf-Steininger Komm3 § 7 RN 28 ff). Der Vorsatz des erwachsenen Täters muß sich daher nicht nur auf das minderjährige Alter des Suchtgiftabnehmers, sondern auch auf den Altersunterschied von mehr als zwei Jahren beziehen. Eben diese maßgebenden Feststellungen sowohl zu den objektiven als auch zu den subjektiven Qualifikationsmerkmalen des § 16 Abs 2 Z 1 SGG hat aber das Erstgericht getroffen und durch Bezugnahme auf die in der Hauptverhandlung verlesenen niederschriftlichen Angaben des Angeklagten vor der Polizei (53 ff iVm 159) auch mängelfrei begründet. Nach diesen Urteilsannahmen war der Angeklagte ab 7. September 1991 und damit auch ab Beginn des Tatzeitraumes (Sommer 1992) volljährig, während seine (um cirka 6 Jahre jüngeren) Suchtgiftabnehmer Markus L*****, Martin Sch*****, Philipp K*****und Thomas P***** noch minderjährig (§ 74 Z 3 StGB) waren. Daß die qualifikationsbegründenden objektiven Merkmale auch vom zumindest bedingten Vorsatz des Angeklagten mit umfaßt waren, hat das Erstgericht hinsichtlich der Minderjährigkeit seiner Abnehmer ausdrücklich (US 7) und hinsichtlich des Altersunterschiedes von mehr als zwei Jahren im Rahmen der Beweiswürdigung konkludent festgestellt, und zwar durch den Hinweis auf die diesbezüglich im wesentlichen als richtig angenommenen niederschriftlichen Altersangaben des Angeklagten vor der Polizei (US 11), bei der er das Alter seiner minderjährigen Abnehmer (ersichtlich bezogen auf den Zeitpunkt der Einvernahme im Mai 1994) mit 16 bzw 17 Jahren angegeben hatte.

Der vom Angeklagten in der Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde erhobene Einwand, in der Hauptverhandlung sei die Frage nicht erörtert worden, ob er das Suchtgift an die Minderjährigen auch weitergegeben hätte, wenn ihm die Bestimmung des § 16 Abs 2 Z 1 SGG bekannt gewesen wäre, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Das Vorliegen eines solcherart behaupteten Irrtums über die erhöhte Strafbarkeit eines vom Täter als rechtswidrig erkannten Deliktsverhaltens ist nämlich ebenso unbeachtlich wie der Irrtum über die Strafbarkeit selbst (Foregger-Serini, Erl II zu § 9 StGB).

Der Oberste Gerichtshof konnte daher auf der Basis der tatrichterlichen Feststellungen in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft sogleich in der Sache selbst gemäß § 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO mit einer reformatorischen Entscheidung vorgehen.

Bei der dadurch notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe konnte der Oberste Gerichtshof auf die vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend dargestellten Strafbemessungstatsachen zurückgreifen; als weiterer Erschwerungsgrund war allerdings der Umstand zu berücksichtigen, daß der Angeklagte durch seine Tathandlungen mehreren Minderjährigen den Gebrauch eines Suchtgiftes ermöglicht hat. Davon ausgehend erwies sich innerhalb des gegebenen Strafrahmens (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren) eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten als tat- und tätergerecht, deren bedingte Nachsicht sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Erwägungen angezeigt war.

Die von der Staatsanwaltschaft angemeldete, aber unausgeführt gebliebene Berufung war hingegen zurückzuweisen, weil bei der Anmeldung dieses Rechtsmittels die Punkte des Erkenntnisses, durch die sich die Staatsanwaltschaft beschwert erachtete, nicht bezeichnet wurden (§ 294 Abs 2 und Abs 4 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Stichworte