OGH 15Os168/94

OGH15Os168/949.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Februar 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Köttner als Schriftführerin, in der Privatanklagesache gegen Florian R* wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 10. Mai 1994, AZ 27 Bs 163/94, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, des Angeklagten, seines Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Frühwald, und des Vertreters der Verlassenschaft (nunmehr der Erben) nach dem Privatankläger Bo*, Rechtsanwalt Dr. Neumayer, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0150OS00168.9400000.0209.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 10. Mai 1994, AZ 27 Bs 163/94, mit welchem das Verfahren wegen des Todes des Privatanklägers eingestellt wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 489 Abs 1 StPO.

 

 

Gründe:

 

Florian R* wurde auf Antrag des Privatanklägers Fred Bo* mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. Dezember 1993, GZ 9 a E Vr 974/92‑44, des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig gesprochen, weil er in Wien in der periodischen Druckschrift "S*", Folge 100 vom Dezember 1991 und Folge 102 vom September 1992, Artikel verfaßt "bzw" in Kenntnis ihres Inhalts vorsätzlich veröffentlicht hatte, durch welche der Privatankläger jeweils in einem Druckwerk unehrenhafter und gegen die guten Sitten verstoßender Verhalten beschuldigt wurde, die geeignet sind, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und herabzusetzen. Das Urteil enthielt ‑ neben dem Strafausspruch ‑ ferner Aussprüche über die Einziehung der zur Verbreitung bestimmten Medienstücke (§ 33 Abs 1 MedienG), über die Urteilsveröffentlichung (§ 34 Abs 1 MedienG), über die Haftung des Medieninhabers "Bu*" (§ 35 Abs 1 MedienG), über eine Verpflichtung dieses Medieninhabers zur Zahlung eines Entschädigungsbetrages an den Betroffenen (§ 6 MedienG) sowie über Kostenersatzpflichten.

Der Angeklagte R* bekämpfte dieses Urteil mit Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld.

Am 3. März 1994 verstarb der Privatankläger, noch bevor das Oberlandesgericht Wien über die Rechtsmittel des Angeklagten entschieden hatte.

Das Berufungsgericht nahm das Ableben des Privatanklägers zum Anlaß, mit Beschluß vom 10. Mai 1994, AZ 27 Bs 163/94, das Privatanklage‑ und Medienrechtsverfahren des Privatanklägers und des Antragstellers Fred Bo* gegen den Angeklagten Florian R* sowie gegen den Haftungsbeteiligten und Antragsgegner Bu* einzustellen.

Diesen Einstellungsbeschluß stützte das Oberlandesgericht auf die Überlegung, daß die vom Privatankläger geltend gemachten Ansprüche höchstpersönlicher Natur waren und sein Tod ihr Erlöschen zur Folge hatte. Über das ergriffene Rechtsmittel des Angeklagten könne aber nur dann verhandelt und entschieden werden, wenn "das den Gegenstand der Berufungsverhandlung bildende Recht" noch bestehe.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Vorgangsweise des Oberlandesgerichtes Wien steht ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt ‑ mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Auszugehen ist davon, daß der Gesetzgeber das Strafverfahren wegen eines Medieninhaltsdeliktes den Strafgerichten zugewiesen hat, die nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung ‑ mit einigen hier nicht maßgebenden Abweichungen ‑ vorzugehen haben (§ 41 MedG). Die hier interessierende Frage ist demnach allein nach strafprozessualen Kriterien zu behandeln. Somit waren in Bezug auf die vom Angeklagten erhobene Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld die Bestimmungen des § 489 StPO, demnach insbesonders die §§ 470, 474 StPO zu berücksichtigen. Darnach hätte das Berufungsgericht über diese Berufung entweder gemäß § 470 StPO in nichtöffentlicher Sitzung oder gemäß § 474 StPO in der mündlichen Berufungsverhandlung in der in diesen Bestimmungen aufgezeigten Weise entscheiden müssen. Das Gesetz bietet keinen Anhaltspunkt dafür, ein nach den Bestimmungen der StPO durchgeführtes Verfahren, in dem ein Urteil erster Instanz ergangen ist, ‑ abgesehen von jenem, der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 9.Juni 1987, 11 Os 41/87 = RZ 1988, 8 zugrunde liegenden Fall des Todes des Angeklagten vor Rechtskraft des ihn schuldig sprechenden Urteils, somit des Entfalles einer strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeit, in welchem das Verfahren vom Erstgericht zu beenden ist ‑ mit einem in der StPO nicht vorgesehenen Beschluß einzustellen.

Daher hätte das Oberlandesgericht Wien mangels einer einschlägigen gesetzlichen Anordnung aus dem erst nach Urteilsfällung erster Instanz eingetretenen Tod des Privatanklägers ‑ den im übrigen im Berufungsverfahren nach Ausführung seines Rechtsmittels (sofern ein solches überhaupt in Betracht gekommen war) keine weitere Mitwirkungspflicht trifft ‑ keine rechtlichen Konsequenzen für das Berufungsverfahren ableiten dürfen, vielmehr die im § 489 Abs 1 StPO vorgesehene Entscheidung über das Rechtsmittel treffen müssen.

In Stattgebung der vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu erkennen.

 

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