OGH 15Os105/94

OGH15Os105/949.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Februar 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Köttner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Renate K***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15.Februar 1994, GZ 7 a Vr 2158/93-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen Verfolgungsvorbehalt gemäß § 263 Abs. 2 StPO enthaltenden Urteil wurde Renate K***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, andere durch die Vorgabe einer redlichen Wohnungsvermittlerin, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Überlassung von Bargeldbeträgen, sohin zu Handlungen verleitet, welche diese und Ing.Günther B***** an ihrem Vermögen schädigten, und zwar:

1 unter Verwendung gefälschter Urkunden, indem sie nämlich auf den Mietverträgen die Unterschrift des Ing.Günther B***** nachgemacht hatte,

a Ende September 1992 Yaman K***** zur Übergabe von 180.000 S,

b am 1.Oktober 1992 Yücel B***** zur Übergabe von 185.000 S,

2 am 25.August und am 1.September 1992 Metin G***** zur Übergabe von 190.000 S (Schaden ca 100.000 S),

3 am 10.Juli 1992 Turgut E***** zur Übergabe von 170.000 S (Schaden ca 36.000 S),

4 im September 1992 Murat A***** zur Übergabe von 150.000 S,

5 am 5.August 1992 Dursun M***** zur Übergabe von 270.000 S (Schaden ca 138.000 S),

6 Ende April 1992 Demir S***** zur Übergabe von 325.000 S (Schaden ca 189.000 S),

7 Ende Juli 1992 Duran T***** zur Übergabe von 270.000 S (Schaden ca 131.000 S),

8 am 24. und 27.Juli 1992 Mehmet K***** zur Übergabe von 285.000 S (Schaden ca 167.000 S).

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf die Z 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, welche jedoch nicht berechtigt ist.

Entgegen den Ausführungen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Ablehnung der von der Angeklagten gestellten Beweisanträge Verteidigungsrechte nicht verletzt. Inwieweit aus der begehrten Aussage der Zeugin Erika E***** (S 505/I Punkt 4), der gegenüber Ing.B***** nach dem Vorbringen im Antrag die Absichtserklärung abgegeben haben soll, die Angeklagte wegen "Veruntreuung" von 3 Mio S anzuzeigen, für die Beschwerdeführerin entlastendes Material gewonnen werden könnte, wird im Beweisantrag nicht näher dargelegt und läßt sich auch aus dem Sachzusammenhang nicht erkennen, sodaß es insoweit schon an der formellen Legitimation zur Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes fehlt; abgesehen davon läßt auch die Nichtigkeitsbeschwerde Ausführungen hiezu vermissen.

Lediglich auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis läuft der Antrag auf Vernehmung des mit einer (der mehreren) Einvernahmen des Ing.B***** im Vorverfahren befaßt gewesenen Polizeibeamten F***** über den vom Zeugen Ing.B***** gewonnenen persönlichen Eindruck hinaus (S 505/I Punkt 5). Abgesehen davon, daß die auch in diesem Zusammenhang erst in der Beschwerdeschrift und dadurch verspätet vorgebrachten Ergänzungen außer Betracht zu bleiben haben, ging das Erstgericht ohnehin (zugunsten der Angeklagten) bei Ermittlung der Schadenssummen von den jeweils niedrigsten Angaben des Ing.B***** aus.

Auch die weiteren sachbezogenen Beweisanträge (Seiten 504 und 505 je I, Punkte 1 und 2) wurden zu Recht abgewiesen, weil sie einerseits vom Gericht selbst zu lösende Rechtsfragen betreffen, andererseits der nach den Feststellungen bei den Mietern eingetretene Betrugsschade - trotz der mißverständlichen Ausführungen US 21 - der Angeklagten ohnedies nur einmal zugerechnet wurde.

Im übrigen wird auf die im vorliegenden Fall im Ergebnis mangelnde Relevanz des vom Erstgericht angenommenen Zustandekommens (bloß) befristeter Mietverträge noch bei der Behandlung der Mängelrüge (Z 5) zurückzukommen sein.

Diese behauptet zunächst eine Unvollständigkeit im Falle des Zeugen T***** (Faktum 7), weil sich die Tatrichter nicht mit jenem Teil der Aussage dieses Zeugen, der 270.000 S an die Angeklagte geleistet hatte, auseinandergesetzt hätten, demzufolge Ing.B***** die dem Zeugen rückerstattete Ablöse von 250.000 S zuvor zur Gänze von der Angeklagten erhalten habe (S 497 g/I). Die Rüge ist jedoch unbegründet.

Nicht nur, daß die relevierte Passage im Urteil ohnehin ausdrücklich wiedergegeben wird (US 18), findet die bekämpfte, die Darstellung des Zeugen T***** im Ergebnis ablehnende Urteilsfeststellung, die retournierte Summe stamme aus dem Vermögen Ing.B*****, in dessen für überzeugend befundenen Angaben hinlänglich Deckung (S 476/I). In Wahrheit wird mit diesem Vorbringen nach Art einer - unzulässigen - Schuldberufung eine die aktuelle Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB gar nicht berührende Schadensreduktion angestrebt.

Das Urteil leidet aber auch an keinem wesentliche Tatsachen betreffenden inneren Widerspruch. Ob nämlich befristete oder unbefristete Mietverträge zustande kamen (und welche Person dadurch jeweils geschädigt wurde), ist keine Tatfrage, sondern eine auf Grund der Feststellungen zu lösende zivilrechtliche Vorfrage, sodaß der behauptete Nichtigkeitsgrund schon begrifflich nicht vorliegen kann.

Das im Schwergewicht hiezu erfolgte Vorbringen sowohl der Verfahrensals auch der Mängelrüge gibt jedoch zu folgenden Bemerkungen Anlaß:

Nach den Feststellungen hatte die Angeklagte ad personam den (das Innenverhältnis betreffenden) Auftrag, ausschließlich befristete Mietverträge zu vermitteln (und "abzuschließen"). Ob sie auch zum Abschluß solcher Verträge bevollmächtigt war, kann dahingestellt bleiben, weil auf Grund des Kontextes der Konstatierungen feststeht, daß sie jedenfalls (keinen Auftrag und) keine Vollmacht zum Abschluß (auch) unbefristeter Mietverträge (ein Aliud gegenüber befristeten Mietverträgen) hatte. Ein Verhalten Ing.B*****s, auf Grund dessen für die Mietwerber der Anschein einer der Beschwerdeführerin zum Abschluß unbefristeter Mietverträge erteilten Vollmacht hätte erweckt werden können (§ 1002 ABGB), was Ing.B***** zu vertreten hätte, haben die Tatrichter auf Grund der Aktenlage mit Fug nicht festgestellt. Konstatierungen, daß Ing.B***** (allenfalls durch die Beschwerdeführerin) der Firma R*****, zu deren gewöhnlicher Geschäftstätigkeit der Abschluß auch unbefristeter Mietverträge gehört, einen Auftrag bzw eine Vollmacht (zum Abschluß befristeter Mietverträge) erteilt hätte, in welchem Falle er wegen des Anscheins einer Vollmacht als Geschäftsherr den Abschluß auch unbefristeter Mietverträge gegen sich gelten lassen müßte (vgl § 10 KSchG), wurden zu Recht ebenfalls nicht getroffen (siehe hiezu auch Zeugin E***** S 119 f, 249 je I, sowie die auf die Angeklagte persönlich lautende Vollmacht zum Abschluß von Räumungsvergleichen in ON 35).

Demnach sind aber (ausgenommen Faktum 2) weder befristete noch unbefristete Mietverträge zustandegekommen, weil die von der Beschwerdeführerin vorgeblich namens Ing.B*****s den Mietwerbern gegenüber abgegebene Willenserklärungen zufolge vollmachtslosen Handelns in bezug auf unbefristete Mietverträge keine Rechtswirkungen für Ing.B***** auslösten (siehe Strasser in Rummel I2 §§ 1016, 1017 ABGB insbesondere Rz 1, 5, 11), zumal die präsumtiven Mieter den Willen zum Abschluß nur unbefristeter Mietverträge hatten und sohin keinerlei Konsens zwischen den Mietwerbern und Ing.B***** bestand. Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß der - hier aber gar nicht vorliegende Fall - einer Vollmachtsüberschreitung (§ 1116 ABGB) zum gleichen Ergebnis führen würde, weil eine Sanierung des Geschäftes durch Erklärung bzw durch Zuwendung des Vorteils aus dem Geschäft durch Ing.B***** von der Beschwerdeführerin von vornherein verhindert wurde.

In diesem Zusammenhang bedarf es allerdings einer gesonderten Betrachtung des Schuldspruches zu Faktum 2. Hier wurde nach den Feststellungen (in Übereinstimmung zwischen dem Mieter G***** und Ing.B*****) ein befristeter Mietvertrag abgeschlossen; in diesem Falle kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin, wie das Erstgericht feststellt, den inkriminierten Schadensbetrag mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung unter dem (betrügerischen) Vorwand einer Anzahlung für den allfälligen möglichen Kauf des Mietobjektes herauslockte und trotz tatsächlicher Kaufmöglichkeiten mit selbem Vorsatz nicht an Ing.B***** abführte, weil ihr letzteres zwar nicht als Betrug, jedoch als Untreue anzulasten wäre; die Unterstellung dieser Tat unter ein anderes, weiteres Delikt, wobei eine Wertqualifikation des Betruges nicht berührt wird, würde jedoch zufolge § 28 Abs 1 StGB der Beschwerdeführerin zum Nachteil gereichen.

Die auf das Zustandekommen unbefristeter Mietverträge abzielende und insoweit Formalfehler behauptende Beschwerde vermochte sohin im Ergebnis keinen Verfahrens- oder Begründungsmangel aufzuzeigen; die Begründung der dem Schuldspruch wegen Verbrechens des schweren Betruges zugrundeliegenden Feststellungen (einschließlich der Konstatierungen zu den durch eine teilweise Abfuhr der Einnahmen - wohl auch subjektiv - begrenzten Schadensbeträgen) ist mit keinem Formalfehler behaftet, desgleichen auch nicht das Verfahren:

Denn auch unter der - nach den Feststellungen allerdings nicht zu erschließenden - Prämisse des Vorliegens der von der Beschwerdeführerin behaupteten (Anscheins-)Vollmacht wäre Straffreiheit nicht begründet. Diesfalls wären nämlich die inkriminierten Handlungen unter Zugrundelegung des aus den Konstatierungen ersichtlichen wissentlichen Verstoßes gegen den Auftrag (das interne Dürfen, sh Leukauf-Steininger Komm3 § 153 RN 15) unter das mit gleich hoher Strafe bedrohte Verbrechen der Untreue (§ 153 StGB) zu subsumieren, weil die Beschwerdeführerin dolos nicht den gesamten Vorteil aus den Geschäften dem Geschäftsherrn Ing.B***** abgeführt hätte. Eine (weitere) Beweisaufnahme hiezu war jedoch nach der Aktenlage unter Berücksichtigung des in Mayerhofer-Rieder3 E 23 und 24 zu § 282 StPO dargelegten Grundsatzes der tat- und rechtsrichtigen Verurteilung nicht indiziert.

Inwieweit die durch die Beschwerdeführerin den Wohnungswerbern vorgeblich vermittelten bzw mit ihnen abgeschlossenen Verträge zivilrechtlich verbindlich sind, berührt daher nicht - insoweit ist dem Erstgericht im Ergebnis beizupflichten - die grundsätzliche Strafbarkeit der von der Beschwerdeführerin dolos zu ihrem Vorteil herbeigeführten Vermögensverschiebungen, sondern (nur) die rechtliche Unterstellung der vorgeworfenen Taten; dabei ergibt sich jedoch im vorliegenden Fall kein anderes Ergebnis.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) ist nicht geeignet, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Der Sache nach unternimmt sie vielmehr insgesamt nur den unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter, vor allem bezüglich der als glaubwürdig beurteilten Aussage des Zeugen B*****, in Zweifel zu ziehen.

Die - verfehlt teils im Rahmen der Berufungsausführungen, teils dem Sinne nach in den Formalrügen dargelegte - Rechtsrüge (Z 9 lit a) ignoriert zur Gänze die Urteilsfeststellungen, insbesondere über die den Vollmachts(bzw Auftrags-)mangel begründenden Tatumstände, die Herauslockung von Ablösen sowie deren teilweisen Einbehalt, und gelangt sohin nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Daß die Angeklagte dabei mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz gehandelt hat, läßt sich dem Ersturteil mit ausreichender Deutlichkeit (vgl die Tatsachenfeststellungen zur subjektiven Tatseite, die keineswegs, wie die Beschwerde unter isolierter Betrachtung einer einzelnen Urteilspassage behauptet, unsubstantiiert sind) entnehmen (US 2 ff, 7, 9 f und 20, 21). Soweit sie das Vorliegen der inneren Tatseite in Frage stellt, ficht sie (auch ohne formelle Begründungsmängel iS der Z 5 aufzuzeigen) unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung an, sodaß ihr Vorbringen weder den geltend gemachten noch einen sonstigen Nichtigkeitsgrund aufzuzeigen vermag.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d StPO), sodaß über die außerdem erhobene Berufung das örtlich zuständige Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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