OGH 14Os191/94(14Os192/94)

OGH14Os191/94(14Os192/94)31.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Jänner 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Erdei als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 8.September 1994, GZ 20 l Vr 1233/94-61, ferner über die Beschwerde des Angeklagten (§§ 494 a Abs 4, 498 Abs 3 StPO) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr.Hirschmann zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Jahre erhöht.

Auf diese Entscheidung wird der Angeklagte mit seiner Berufung verwiesen.

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen wurde der Angeklagte Karl K***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 17.Jänner 1994 in Wien seine Lebensgefährtin Helga S***** durch Erwürgen vorsätzlich getötet.

Infolge Bejahung der anklagekonformen Hauptfrage nach Mord war die einzige Eventualfrage nach dem Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang unbeantwortet geblieben.

Rechtliche Beurteilung

Die aus den Gründen der Z 6, 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.

Die vermißten (Z 6) Eventualfragen nach dem Vergehen der fahrlässigen Tötung (§ 80 StGB) und nach dem Verbrechen des Totschlags (§ 76 StGB) sind zu Recht nicht gestellt worden. Voraussetzung für die Stellung solcher Fragen ist, daß in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte (§ 314 Abs 1 StPO). Der Angeklagte verantwortete sich damit, daß sich Helga S***** im Bett auf seinen Körper gesetzt habe, worauf er sie weggeschoben und in die Höhe ihres Mundes gegriffen habe, um sie durch Zuhalten des Mundes am weiteren Schreien zu hindern (S 210 f/II).

Ein solches Verhalten ist rechtlich als Mißhandlung zu beurteilen, worunter jede Einwirkung physischer Kraft auf den Körper zu verstehen ist, die das körperliche Wohlbefinden nicht ganz unerheblich beeinträchtgt (Burgstaller in WK Rz 23, Leukauf-Steininger Komm3 RN 14 je zu § 83). Dieser Verantwortung hat der Schwurgerichtshof durch Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86 StGB) Rechnung getragen, zumal die Kausalität der Mißhandlung für den Tod des Opfers nicht zweifelhaft war. Da auch die sonstigen Verfahrensergebnisse nicht auf ein fahrlässiges Handeln des Beschwerdeführers hindeuteten, war eine Eventualfrage nach dem Vergehen der fahrlässigen Tötung (§ 80 StGB) nicht indiziert.

Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer reklamierte Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlages (§ 76 StGB), dessen Tatbild eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung des Täters erfordert. Weder die Darstellung des Angeklagten noch andere Beweisergebnisse boten einen Anhaltspunkt für einen solchen tiefgreifenden Affekt.

Gegen die vom Vorsitzenden den Geschworenen gemäß § 321 StPO erteilte Rechtsbelehrung wendet der Beschwerdeführer ein (Z 8), daß sie den Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht klargelegt habe. Diesem - nicht weiter substantiierten - Vorwurf zuwider wurden den Laien die Rechtsbegriffe des Vorsatzes (im Zusammenhang mit der nach dem Verbrechen des Mordes gestellten Hauptfrage) und der Fahrlässigkeit (im Zusammenhang mit der nach dem Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang gestellten Eventualfrage in bezug auf die Todesfolge) richtig und ausreichend erläutert.

Das Vorbringen, daß entgegen der - im übrigen gar nicht unter Nichtigkeitssanktion stehenden - Vorschrift des § 321 Abs 1 zweiter Satz StPO die Rechtsbelehrung nicht dem Protokoll über die Hauptverhandlung angeschlossen sei, widerspricht der Aktenlage, weil dieses Schriftstück in einem Umschlag als Beilage zum Hauptverhandlungsprotokoll (ON 60/II) einliegt.

Mit der Subsumtionsrüge (Z 12) strebt der Beschwerdeführer die rechtliche Beurteilung der ihm angelasteten Tat als Vergehen der fahrlässigen Tötung (§ 80 StGB), in eventu als Verbrechen des Totschlags (§ 76 StGB) oder als Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86 StGB) an. Er bringt vor, daß sein Vorsatz weder auf Mißhandlung, noch auf Verletzung, geschweige denn auf Tötung des Opfers gerichtet gewesen sei, und geht damit über die von den Geschworenen in ihrem Wahrspruch festgestellte Tatsache des Tötungsvorsatzes hinweg. In Ansehung der Strafbestimmung des § 76 StGB läßt er außer acht, daß dem Verdikt kein Tatsachensubstrat zu entnehmen ist, aus welchem die besonderen subjektiven Voraussetzungen dieses Verbrechens rechtlich abgeleitet werden könnten. Dieser Nichtigkeitsgrund wird somit nicht prozeßordnungsgemäß zur Darstellung gebracht (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 8 zu § 345 Z 12).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht eine einschlägige Vorstrafe des Angeklagten und den raschen Rückfall als erschwerend; als mildernd hingegen, daß er "die Tat ohne Tötungsvorsatz zugegeben hat, worin ein Teilgeständnis zu erblicken" sei. Es verhängte über den Angeklagten fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe und widerrief zugleich die bedingte Nachsicht der wegen schwerer Körperverletzung ausgesprochenen Vorstrafe von drei Monaten (§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO).

Gegen den Strafausspruch wenden sich sowohl der Angeklagte, als auch die Staatsanwaltschaft mit dem Antrag auf Herabsetzung bzw Erhöhung des Strafausmaßes. Der Angeklagte beschwert sich außerdem gegen den Widerrufsbeschluß.

Nur die Berufung der Staatsanwaltschaft ist begründet.

Da der Angeklagte jeglichen Tatvorsatz bestritten hat, kann von einem Teilgeständnis im Sinne eines auch nur eingeschränkten Schuldbekenntnisses keine Rede sein. Auch ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung liegt angesichts der Auffindung der Leiche in der gemeinsamen Wohnung nicht vor. Ein schuldminderndes Tatmotiv ist nicht erkennbar, vielmehr hat der Angeklagte aus nichtigem Anlaß einen Menschen getötet. Sein Verhalten nach der Tat kann nicht als Milderungsgrund der Selbststellung (§ 34 Z 16 StGB) gewertet werden, weil er weder leicht hätte entfliehen können noch es wahrscheinlich war, daß er unentdeckt bleiben werde. Im übrigen mißt der Oberste Gerichtshof der Vorstrafe des Angeklagten (wegen eines lebensgefährlichen Messerangriffes - §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB - aus einem gleichfalls unbedeutenden Anlaß) sowie dem raschen Rückfall nur wenige Monate danach besonderes Gewicht bei. Mangels mildernder Umstände war die Freiheitsstrafe daher in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß zu erhöhen.

Der Widerruf der bedingten Strafnachsicht war mit Rücksicht auf den raschen und schweren Rückfall spezialpräventiv geboten (§ 53 Abs 1 StGB).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

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