European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0140OS00156.940000.0131.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Beiden Nichtigkeitsbeschwerden wird dahin Folge gegeben, daß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wird.
Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josip G* - im zweiten Rechtsgang ‑ des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er im Februar 1991 in Wien eine falsche Urkunde, nämlich eine inhaltlich falsche Lohnbestätigung, mit dem Vorsatz hergestellt habe, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich daß Leopold R* in der Firma des Angeklagten angestellt sei und monatlich 21.124 S netto verdiene, gebraucht werde.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpfen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die beide auf die Z 5 und 9 lit a, der Angeklagte auch auf die Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO stützen.
Soweit die Beschwerdeführer zunächst in der ‑ von der Anklage abweichenden ‑ Beurteilung des Urteilssachverhaltes einen Rechtsirrtum erblicken, sind sie im Recht:
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte für den gesondert bereits rechtskräftig wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB (siehe ON 7 und Akt 1 c Vr 5.601/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) abgeurteilten Leopold R* unter Verwendung seiner Geschäftsstampiglie eine ‑ an die Österreichische K* AG gerichtete ‑ Lohnbestätigung eigenhändig ausgefüllt und unterschrieben, worin er tatsachenwidrig bescheinigte, daß Leopold R* in seiner Firma mit einem monatlichen Bruttobezug von 32.000 S (netto 21.124 S) beschäftigt sei.
Damit fehlt aber bereits das für das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB tatbestandsessentielle Deliktsobjekt. Denn ohne Täuschung über die Identität des Ausstellers ist die Herstellung einer daher echten, bloß inhaltlich unrichtigen Urkunde (sogenannten Lugurkunde) für sich allein nur unter dem Aspekt der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 StGB strafbar, wozu jedoch die vorgesehene Verwendung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren erforderlich ist. Eine solche Zweckbestimmung wurde jedoch weder festgestellt noch ist sie nach den Beweisergebnissen indiziert.
Der Beschwerdeantrag der Staatsanwaltschaft, die auf der Grundlage der getroffenen, auch den unter Anklage gestellten Betrugsvorwurf erfassenden Feststellungen aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a (der Sache nach Z 10) des § 281 Abs 1 StPO einen Schuldspruch wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB anstrebt, scheitert indes daran, daß die dafür maßgebenden Konstatierungen zur subjektiven Tatseite ‑ wie die Staatsanwaltschaft selbst, aber auch der Angeklagte relevieren (Z 5) ‑ nicht mängelfrei begründet sind.
Bedingt vorsätzlich handelt, wer das mit dem Handeln verbundene Risiko erkennt und so hoch veranschlagt, daß er die Möglichkeit der Tatbildverwirklichung ernst nimmt, das heißt als naheliegend ansieht, aber dennoch handelt, weil er den nachteiligen Ereignisablauf hinzunehmen gewillt ist. Wer hingegen dieses Risiko nicht erkennt oder nicht richtig einschätzt, sondern leichtfertig auf den Nichteintritt des Erfolges vertraut, handelt bewußt fahrlässig (SSt 46/8 ua).
Daß dem Angeklagten "klar" war, daß Leopold R* mit Hilfe der unrichtigen Lohnbestätigung einen Kredit erlangen wollte (US 4), sagt über das Vorliegen eines Schädigungs‑ bzw Bereicherungsvorsatzes noch nichts aus. Die Unkenntnis des Angeklagten über die Einkommensverhältnisse R*s (US 4) vermag die Annahme dessen Rückzahlungsunfähigkeit nicht hinreichend zu begründen. Daß der Angeklagte "ernsthaft" mit dieser Unfähigkeit "rechnen mußte" (US 4), umschreibt lediglich eine Fahrlässigkeitsschuld. Der Feststellung, daß der Angeklagte diese Möglichkeit billigend in Kauf genommen und sich damit abgefunden habe (US 5), steht seine Verantwortung entgegen, wonach er bei Ausstellung der Lohnbestätigung den unbekannt gebliebenen Mittelsmann wiederholt darauf aufmerksam gemacht habe, daß dieser mit der Bestätigung "nichts anfangen" könne (S 189 f, 214), sowie, daß er "sich gedacht habe, daß er das sicher wegwerfen" werde (S 205) und "nicht gewußt habe, daß er das wirklich verwenden will" (S 197). Mit dieser Verantwortung aber hat sich das Erstgericht ebenso nicht auseinandergesetzt wie es unbegründet ließ, weshalb es die Angaben des Zeugen R*, der die Darstellung des Angeklagten über die mangelnde Ernstlichkeit zur Gänze bestätigte, als unglaubwürdig ansah.
Die aufgezeigten Begründungsmängel schließen eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aus, sodaß ‑ in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden ‑ das angefochtene Urteil aufzuheben und die Neudurchführung des Verfahrens anzuordnen war. Dabei wird im Fall eines Schuldspruches darauf Bedacht zu nehmen sein, daß die Verwendung eines falschen Beweismittels den Betrug nach § 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB zusätzlich als schwer qualifiziert (13 Os 81/93).
Die Berufung des Angeklagten ist damit gegenstandslos.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)