OGH 2Ob509/95

OGH2Ob509/9526.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 18.1.1980 geborenen mj. Katja und des am 13.9.1982 geborenen mj. Eckart S*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Ing.Wolfgang S*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 20.Oktober 1994, GZ 43 R 656,661/94-65, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5.Juli 1994, GZ 8 P 317/93-58, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird hinsichtlich des Zeitraumes ab 1.10.1991 Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden insoweit aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen (hinsichtlich des Zeitraumes vom 1.2.1991 bis 30.9.1991) wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Kindesmutter beantragte, die Unterhaltsverpflichtung des Kindesvaters ab 1.2.1991 mit S 7.500 für die mj.Katja und mit S 6.500 für den mj.Eckart festzusetzen, da der Kindesvater über ein monatliches Nettoeinkommen von ca S 40.000 verfüge und in seiner Sparte überaus viel beschäftigt und bekannt sei.

Der Vater erklärte sich mit einer Unterhaltszahlung von S 2.000 je Kind einverstanden und beantragte, das Mehrbegehren abzuweisen. Er sei bis Februar 1991 bei der Firma S***** tätig gewesen und habe sich sodann im Oktober 1991 selbständig gemacht. In der Zwischenzeit habe er Arbeitslosenunterstützung bezogen.

Mit Teilbeschluß wurde der Vater zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von S 2.000 je Kind verpflichtet; das Mehrbegehren wurde einer späteren Beschlußfassung vorbehalten.

Nach Durchführung von Erhebungen erhöhte das Erstgericht die mit Teilbeschluß auferlegten monatlichen Unterhaltsbeträge von je S 2.000 für den Zeitraum vom 1.2.1991 bis 30.9.1991 für die mj.Katja auf S

2.600 und für den mj.Eckart auf S 2.400 und ab 1.10.1991 für die mj.Katja auf S 6.800 und für den mj.Eckart S 6.000. Das Mehrbegehren wies es unbekämpft ab. Es ging hiebei von folgenden Feststellungen aus:

Die mj. Kinder befinden sich in Obsorge der Kindesmutter, die auch die Familienbeihilfe bezieht. Der Kindesvater hat außer für diese Minderjährigen keine weiteren gesetzlichen Sorgepflichten. Laut eigenen Angaben war er bis Februar 1991 bei der Firma S***** vorerst als Gesellschafter und später als Geschäftsführer beschäftigt und erzielte "nur einen Bruchteil" des behaupteten Einkommens. Aufgrund von unterschiedlichen wirtschaftlichen Auffassungen der Mitarbeiter trat er jedoch aus der Firma aus. In der Zeit vom 1.3.1991 bis 25.9.1991 erhielt er Arbeitslosenunterstützung inklusive der Familienzuschläge von S 12.780. Seit Oktober 1991 ist er selbständig tätig auf dem Gebiet der Videosynchrontechnik. Trotz zweimaliger nachweislicher Aufforderung hat er keine Unterlagen hinsichtlich seines Einkommens und auch keinerlei Steuererklärungen bzw -bescheide vorgelegt. Er ist in verschiedenen Bereichen als freier Mitarbeiter tätig und in seiner Sparte als Fachmann bekannt. In einem Vermögensverzeichnis nach § 47 Abs 2 EO gab er sein Einkommen aus freiberuflicher Tätigkeit mit S 15.000 bis S 20.000 netto monatlich an. Von der austro mechana erhielt er an Tantiemen 1991 S 5.560, 1992 S 8.216, 1993 S 20.672, von der AKM 1991 S 7.909, 1992 S 16.084, 1993 S 22.169.

Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß der Kindesvater trotz zweimaliger nachweislicher Aufforderung keine Unterlagen hinsichtlich seines Einkommens vorgelegt habe. In freier Beweiswürdigung sei daher davon auszugehen, daß er zumindest seit Oktober 1991 über ein Einkommen verfüge, welches ihm ermögliche, die im Spruch festgesetzten Unterhaltsbeträge zu leisten.

Der Kindesvater erhob Rekurs und legte Kopien der Einkommensteuerbescheide 1991 und 1992, Kreditunterlagen und eine Aufstellung der von ihm für die Ehewohnung getätigten Anschaffungen vor.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs - mangels einer Rechtsfrage der in § 14 Abs 1 AußStrG genannten Qualifikation - nicht zu. Es führte folgendes aus:

Der Vater habe auf den Unterhaltserhöhungsantrag zunächst dahin reagiert, daß er S 10.000 monatlich verdiene und S 17.000 an Kreditraten für die frühere Ehewohnung zu leisten habe. Diese wenig lebensnahe Darstellung sei von ihm in der Folge auch nicht präzisiert oder erklärt worden. Das Erstgericht habe den Vater ausdrücklich zur Vorlage entsprechender Einkommensunterlagen aufgefordert und diese Aufforderung wiederholt. Die Zustellungen seien an den ausgewiesenen Vertreter des Vaters erfolgt. Die im Rekurs vorgetragene Behauptung, das Vollmachtsverhältnis sei schon seit ca eineinhalb Jahren gelöst, hievon sei dem Erstgericht aber nicht Mitteilung gemacht worden, sei im Hinblick auf § 93 Abs 1 ZPO im Zusammenhang mit § 36 ZPO - diese Grundsätze gälten auch im Verfahren außer Streitsachen - belanglos. Zutreffend habe das Erstgericht den Vater daher auf eine monatliche Unterhaltsbemessungsgrundlage von rund S 40.000 eingeschätzt. Das Erstgericht habe keine andere Möglichkeit gehabt, der Untätigkeit des Vaters im erstinstanzlichen Verfahren zu begegnen. Gleiches treffe für das Rekursgericht zu. Die nach Ablauf der Rekursfrist vorgelegten Unterlagen des Vaters vermöchten hieran nichts zu ändern, insbesondere bleibe auch der Rekurs jeden Ansatz für ein Einkommen schuldig, er weiche diesen Fragen vielmehr mit der Einwendung aus, es sei "kaum möglich", Aufträge zu erhalten. Der Vater, der freiberuflich "im Videoschnitt" tätig sei, müsse daher die vom Erstgericht zutreffend aufgrund der Verfahrensergebnisse vorgenommene Einschätzung seiner Unterhaltsbemessungsgrundlage gegen sich gelten lassen. Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß auch steuerliche Unterlagen allein nicht stets ein repräsentatives Bild über die Einkommenslage lieferten und daß das vom Vater eingegangene Schuldenvolumen von insgesamt S 1,6 Millionen auch gegen eine Unterhaltsbemessungsgrundlage spreche, die einen monatlichen Unterhaltsbetrag von nur S 2.000 für jedes der Kinder im Gefolge hätte. Zusammenfassend sei dem Rekurs zu entgegnen, daß aufgrund des prozessualen Verhaltens des Vaters im erstinstanzlichen Verfahren das Erstgericht die Einschätzung zutreffend vorgenommen habe (EvBl 1992/20). In diesem Zusammenhang sei auch noch die unwiderlegte Selbsteinschätzung des Vaters zu erwähnen (S 15.000 bis S 20.000 netto monatlich in einem Vermögensverzeichnis, sowie die laufend steigenden Tantiemenbeträge des Vaters bei der AKM). Ausgehend von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von S 40.000 nähmen die Kinder an den väterlichen Lebensverhältnissen mit den vom Erstgericht zugesprochenen Unterhaltsbeträgen angemessen teil, soweit die Unterhaltsbemessungsperiode ab 1.10.1991 betroffen sei. Für den Zeitraum davor sei die Unterhaltsbemessung aufgrund der Arbeitslosenunterstützung des Vaters von S 12.780 (und der erhaltenen Tantiemen) zutreffend vorgenommen worden. Diesbezüglich unternehme der Rekurs auch keinen Versuch, die Unterhaltsbemessung durch das Erstgericht konkret zu bekämpfen.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters der Minderjährigen mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die monatlichen Unterhaltsbeträge weiterhin mit S 2.000 pro Kind zu bemessen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und teilweise auch berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber bringt im wesentlichen vor, sein Einkommen sei willkürlich mit S 40.000 angenommen worden und liege zwischen S 10.000 und S 15.000. Seine Kreditrückzahlungen beträfen Bankschulden, die ausschließlich zur Anschaffung und Einrichtung jener Wohnung gedient hätten, in der seine Frau und seine Kinder lebten.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern nach Kräften zur Deckung des Bedarfes des Kindes beizutragen. Ein wesentlicher Faktor bei der Unterhaltsbemessung ist daher die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 1 ff, 222 mwN; Pichler in Rummel2 § 140 ABGB Rz 4). Es bedarf demnach der Ermittlung einer Unterhaltsbemessungsgrundlage.

Hiezu haben die Vorinstanzen keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Das Rekursgericht hat zwar ausgeführt, das Erstgericht habe den Vater zutreffend auf eine monatliche Unterhaltsbemessungsgrundlage von rund S 40.000 eingeschätzt. Tatsächlich ist eine solche Schätzung dem erstgerichtlichen Beschluß aber nicht zu entnehmen. Das Erstgericht hat lediglich "in freier Beweiswürdigung" angenommen, daß der Rechtsmittelwerber zumindest seit Oktober 1991 über ein Einkommen verfüge, welches es ihm ermögliche, die vom Erstgericht festgesetzten Unterhaltsbeträge zu leisten. Diese Annahme vermag die Feststellung einer bestimmten Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht zu ersetzen. Ohne eine solche ist die Unterhaltsbemessung für den Obersten Gerichtshof nicht nachprüfbar. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher, soweit sie den Zeitraum ab 1.10.1991 betreffen, aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die vom Rechtsmittelwerber im Rekursverfahren vorgelegten, allenfalls noch ergänzungsbedürftigen Urkunden zu berücksichtigen und auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Bemessungsgrundlage bei Selbständigen Bedacht zu nehmen haben (vgl Purtscheller-Salzmann Rz 235 f, 239). Eine Schätzung wird erst in Betracht kommen, soweit das Gericht die Grundlagen für die Unterhaltsbemessung nicht ermitteln kann; bei der Ermittlung trifft den Unterhaltsschuldner eine Mitwirkungspflicht. Eine solche Pflicht wurde schon in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung EvBl 1992/20 bejaht. Im übrigen betraf diese Entscheidung aber einen Antrag auf Änderung der bisherigen Unterhaltsfestsetzung, sodaß mangels Mitwirkung von den bisherigen Einkommensverhältnissen ausgegangen werden konnte, während es sich im vorliegenden Fall (ungeachtet des Teilbeschlusses) um eine erstmalige Unterhaltsfestsetzung handelt. Schließlich wird auch, was die vom Rechtsmittelwerber ins Treffen geführten Kreditrückzahlungen anlangt, die einschlägige Rechtsprechung zu beachten sein (vgl Purtscheller-Salzmann Rz 244, EFSlg 68.296, 71.303 ua).

Für den Zeitraum 1.2. bis 30.9.1991 hat das Erstgericht konkrete Feststellungen über das Einkommen des Rechtsmittelwerbers getroffen. Gegen die diesbezügliche Unterhaltsbemessung wird im Revisionsrekurs nichts Konkretes vorgebracht. Auch der erkennende Senat hegt hiegegen keine Bedenken.

Dem Revisionsrekurs war daher insoweit ein Erfolg zu versagen.

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