OGH 3Ob502/95

OGH3Ob502/9525.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz H*****, 2. Rosa H*****, beide vertreten durch Dr.Johannes Hintermayr und andere, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Sanatorium Dr.G***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Alfred Haslinger und andere, Rechtsanwälte in Linz, wegen Anfechtung eines Kaufvertrages (Streitwert S 6,708.700), infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 16.November 1994, GZ 1 R 242/94-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 30. September 1994, GZ 6 Cg 141/94f-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 39.414,90 (darin S 6.569,15 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 25.1.1993, 8 Cg 114/91-41, wurden die Kläger als Beklagte jenes Verfahrens schuldig erkannt, den im Urteilsbegehren im einzelnen ausformulierten Kaufvertrag betreffend die ihnen je zur Hälfte gehörige Liegenschaft EZ ***** als Verkäufer zu unterfertigen. Dieser Verurteilung liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Die klagende Partei (nunmehr beklagte Partei) beabsichtigte eine räumliche Ausweitung ihres Betriebes. Deren Geschäftsführer erfuhr von Überlegungen der Beklagten (nunmehr Kläger), ihre Liegenschaft mit Pension wegen finanzieller Schwierigkeiten zu verkaufen. Am 17.6.1991 kam es zum ersten Gespräch mit den Beklagten. Sodann erstellte ein Baumeister im Auftrag der klagenden Partei ein Gutachten, in dem der Verkehrswert der Liegenschaft mit S 6,450.000 geschätzt wurde. Zwischen dem 25. und 28.6.1991 bot der Geschäftsführer der klagenden Partei einen Liegenschaftskauf zum Preis von S 6,000.000 an. Am 1.7.1991 kam es schließlich im Haus der Beklagten zu einem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der klagenden Partei und dem Erstbeklagten, bei dem die Zweitbeklagte nicht immer anwesend war. Der Geschäftsführer der klagenden Partei äußerte dabei den Wunsch, auch das landwirtschaftlich genutzte Grundstück unterhalb der Straße im Ausmaß von 1471 m2 zu erwerben und bot einen Kaufpreis von insgesamt S 6,441.300. Schließlich kam es zwischen den Beklagten und dem Geschäftsführer der klagenden Partei zu einer mündlichen Einigung über einen Kaufpreis von insgesamt S 6,441.300 für die Pension samt Grundstück im Ausmaß von 1471 m2 vorbehaltlich der Zustimmung der Eltern des Erstbeklagten mit Rücksicht auf deren verbüchertes Wohnrecht.

In der Folge erklärten die Eltern des Erstbeklagten gegen Bezahlung ihr Einverständnis, auf das Wohnrecht zu verzichten.

Vor Unterfertigung eines Rangordnungsgesuches äußerte sich der Erstbeklagte gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin, es erscheine ihm der Kaufpreis doch niedrig, weil seine Eltern die Lastenfreistellung nur unter der Bedingung erteilen würden, daß er deren Ausgedings- und Wohnrecht um S 370.000 ablöse, was seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteige. Der Geschäftsführer der Klägerin antwortete, es bleibe bei dem, was ausgemacht worden sei. Daraufhin überlegte der Erstbeklagte noch einige Zeit und meinte schließlich, er sei mit dem Kaufvertrag und dem Kaufpreis einverstanden, er wolle aber den Gewerbebetrieb noch bis Ende September weiterführen. Der Geschäftsführer der Klägerin war damit einverstanden, worauf der Erstbeklagte das Rangordnungsgesuch unterfertigte. Anschließend unterschrieb auch die Zweitbeklagte das Rangordnungsgesuch nach Belehrung über dessen Zweck.

Am 8.7.1991 fuhren der Geschäftsführer der klagenden Partei, ein Steuerberater und eine Notariatssubstitutin zu den Beklagten, um den schriftlichen Kaufvertrag zu errichten. Der Erstbeklagte erklärte jedoch, er habe die Möglichkeit, die Liegenschaft um S 10,000.000 zu verkaufen. Er sei einem entsprechenden Bieter bis Samstag im Wort; die klagende Partei müsse sich daher schnell entscheiden, ob sie um diesen Preis kaufen wolle. Das Gespräch verlief ergebnislos.

Dieser Sachverhalt wurde von allen drei Instanzen des Vorprozesses dahin beurteilt, daß ein mündlicher Kaufvertrag rechtswirksam zustandekam. Einwendungen der mangelnden Geschäftsfähigkeit des Erstbeklagten, der laesio enormis und des Nichteintrittes einer für den Kaufvertrag vereinbarten aufschiebenden Bedingung (Zustimmung der Eltern des Erstbeklagten) blieben erfolglos.

Schluß der Verhandlung erster Instanz war der 20.1.1993. Die Entscheidung des Kreisgerichtes Wels vom 25.1.1993, womit die Beklagten verurteilt wurden, einen Kaufvertrag entsprechend dem Klagebegehren zu unterfertigen, erwuchs am 7.3.1994 in Rechtskraft.

Mit der vorliegenden Klage begehrten die Kläger die Fällung des Urteiles, "der Kaufvertrag vom 1.7.1991 über die Liegenschaft EZ *****, abgeschlossen zwischen den klagenden Parteien als Verkäufer und der beklagten Partei als Käuferin laut Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 25.1.1993, 8 Cg 114/91-41," werde aufgehoben.

Vorgebracht wurde im wesentlichen, der tatsächliche Verkehrswert des Kaufgegenstandes sei im Zeitpunkt seines Verkaufes "um mehr als 100 % über dem vereinbarten Kaufpreis" gelegen. Die Kläger seien bei Vertragsschluß aufgrund des von der beklagten Partei vorgelegten Gutachtens der Ansicht gewesen, der vereinbarte Kaufpreis entspreche dem tatsächlichen Verkehrswert der Liegenschaft; dies sei die Voraussetzung für den Verkauf gewesen. Die Kläger hätten sich daher in einem von der beklagten Partei "veranlaßten Irrtum über den Wert der Liegenschaft" befunden, ohne welchen sie zu einem Liegenschaftsverkauf um einen Preis von S 6,441.000 nicht bereit gewesen wären. Der zwischen den Streitteilen zustandegekommene Kaufvertrag sei daher "wegen Irreführung durch die beklagte Partei" rechtsunwirksam. Die Kläger seien anläßlich des Vertragsabschlusses auch nicht darauf aufmerksam gemacht worden, es sei "aufgrund des Verkaufes mit der Besteuerung des Veräußerungsgewinnes und einer Einkommensteuernachforderung von rund S 850.000 zu rechnen". Diesen Umstand hätten die Kläger erstmals im Jahre 1994 erfahren. Die Vertragsanfechtung erfolge somit auch "wegen wesentlichen Irrtums der klagenden Parteien über die mit der Veräußerung verbundenen steuerrechtlichen Folgen". Bislang habe nämlich die beklagte Partei noch keine Dispositionen im Vertrauen auf den abgeschlossenen Kaufvertrag vorgenommen. Die Übergabe der Liegenschaft habe noch nicht stattgefunden, die Verbücherung des Eigentumsrechts der beklagten Partei stehe noch aus und es sei auch der Kaufpreis noch nicht bezahlt.

Die Kläger seien im Vorverfahren nicht verpflichtet gewesen, alle Einwendungen zu erheben, welche geeignet gewesen wären, den "Rechtsbestand" des abgeschlossenen Kaufvertrages "zu vernichten". An eine Irrrtumsanfechtung sei schließlich erst dann zu denken, wenn überhaupt Erklärungen vorlägen, die nach außen hin das Bild eines einwandfreien Vertragsschlusses ergäben. Im Vorprozeß sei es aber lediglich darum gegangen, ob es zu einem Vertragsschluß zwischen den Streitteilen gekommen sei. Dem nunmehr geltend gemachten Begehren stehe somit auch nicht die prozeßhindernde Einrede der entschiedenen Streitsache entgegen.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der entschiedenen Streitsache und wendete sich in der Sache selbst gegen die Klagebehauptungen. Zur erwähnten Einrede wurde im wesentlichen vorgebracht, die auf die Irrtumsproblematik bezogenen Klagebehauptungen seien durch die Rechtskraftwirkung des im Vorprozeß erlassenen Urteiles präkludiert, weil die Kläger Gelegenheit gehabt hätten, diese bereits im Vorprozeß vorzubringen.

Nach Durchführung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 30.9.1994 wies das Erstgericht die Klage wegen "entschiedener Rechtssache" zurück.

Es vertrat im wesentlichen die Ansicht, der rechtskräftige Ausgang des Verfahrens 8 Cg 114/91 des Kreisgerichtes Wels hindere die Kläger daran, erst jetzt Gründe geltend zu machen, daß der von ihnen abgeschlossene Kaufvertrag "letztlich doch nicht rechtsgültig" sei. Das gelte auch für die von den Klägern nach ihrem Vorbringen nicht vorhergesehenen steuerlichen Konsequenzen des Liegenschaftsverkaufs, weil auch diese bereits während des Verfahrens 8 Cg 114/91 des Kreisgerichtes Wels bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz "zumindest objektiv vorhersehbar" gewesen seien.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge und ließ den Revisionsrekurs zu. Es legte im wesentlichen dar:

Gemäß § 411 ZPO werde jedes Urteil nur soweit rechtskräftig, als damit über den in der Klage geltend gemachten Anspruch entschieden worden sei. Unter Anspruch sei das vom Gericht rechtlich qualifizierte und durch den der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt individualisierte Klagebegehren zu verstehen. Die materielle Rechtskraft wirke nur bei Identität des Anspruches, der Parteien und des rechtserzeugenden Sachverhaltes. Sie habe demnach objektive, subjektive und zeitbezogene Grenzen. Nach Schluß der Verhandlung erster Instanz entstandene Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhaltes würden von der Rechtskraftwirkung nicht erfaßt. Werde aber die Entscheidungsgrundlage mit dem Schluß der Verhandlung erster Instanz fixiert, ergebe sich daraus auch eine Abgrenzung des Verhandlungsstoffes. Bis zu diesem Zeitpunkt mögliches, jedoch unterlassenes Sach- und Beweisvorbringen sei für die Zukunft ausgeschlossen. Diese Präklusion sei die logische Konsequenz der Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft. Die Kläger seien daher von der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Irrtumsanfechtung ausgeschlossen, sei doch der geltend gemachte Anfechtungstatbestand bereits vor Schluß der Verhandlung erster Instanz entstanden. Bereits in der Klagebeantwortung des Vorprozesses hätten nämlich die Kläger vorgebracht, der Verkehrswert der den Kaufgegenstand bildenden Liegenschaft sei bei ca S 14,000.000 gelegen. Auch der mit Rücksicht auf steuerliche Folgen behauptete Irrtum sei bereits im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses vorgelegen. Daß ein solcher Irrtum möglicherweise erst nach Schluß der Verhandlung erster Instanz erkannt worden sei, reiche für die Zulässigkeit der vorliegenden Klage nicht aus.

Der Revisionsrekurs wurde zugelassen, weil zu einem "gleichgelagerten Sachverhalt eine Judikatur aus jüngster Zeit nicht" vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Kläger ist zulässig, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der sich aus der materiellen Rechtskraft ergebenden und auf neues Vorbringen in einem Folgeprozeß bezogenen Präklusionswirkung uneinheitlich ist; er ist jedoch nicht berechtigt.

In SZ 8/118 wurde in einem mit dem vorliegenden vergleichbaren Fall die Ansicht vertreten, die Klägerin hätte als Verkäuferin alle Einwendungen, welche den Rechtsbestand des von der Beklagten im Vorprozeß wider sie erhobenen Vertragszuhaltungsanspruches zu vernichten geeignet gewesen wären, zwar nicht gerade wie in einem Kündigungs- oder Mandatsprozeß unbedingt schon in der ersten Klageerwiderung, wohl aber im Prozeß vor Fällung des Urteiles erster Instanz vorzubringen gehabt. Ein Vorbringen der Klägerin, den Kaufvertrag - zu dessen Zuhaltung sie im Vorprozeß verurteilt worden sei - wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes in seinem Bestande zu vernichten, sei daher präkludiert.

In den Entscheidungsgründen zu SZ 25/65 wurde ausgesprochen, daß nur unselbständige Einwendungen durch die Rechtskraft eines Urteiles präkludiert seien.

In SZ 36/34 wurde ausgeführt, die materielle Rechtskraft eines Urteiles habe keine Wirkung gegenüber der Geltendmachung selbständiger Gegenrechte. So wie es den Klägern möglich sei, denselben Anspruch auf Grundlage eines anderen Sachvorbringens neuerlich geltend zu machen, sei es auch dem Beklagten nicht verwehrt, in einem späteren Prozeß selbständige, auf jeweils eigenes Sachvorbringen gestützte Gegenrechte geltend zu machen, ohne gegen die Rechtskraft der ersten Entscheidung zu verstoßen. Sei also ein Vertragspartner in Zuhaltung eines Vertrages zur Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes an einer Liegenschaft zugunsten des anderen Vertragspartners verurteilt worden, hindere dies nicht eine spätere Vertragsanfechtung durch den Verurteilten wegen Wuchers auf Grundlage eines Begehrens, den Prozeßgegner zur Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes an derselben Liegenschaft für den nunmehrigen Kläger zu verurteilen.

Letztere Ansicht hielt der 1.Senat in der ebenso auf einen Liegenschaftsverkauf bezogenen Entscheidung 1 Ob 25/72 (unveröffentlicht) aufrecht. Zu lösen war die Frage, ob die von den Liegenschaftsverkäufern im Vorprozeß auf Unterfertigung eines Kaufvertrages erfolglos erhobene Arglisteinrede - gestützt auf ein neues Sachvorbringen - in einem zwischen denselben Parteien mit vertauschten Rollen geführten Folgeprozeß auf Feststellung der Nichtigkeit des Liegenschaftskaufvertrages geltend gemachten werden dürfe. Dies wurde unter Berufung auf die Entscheidung SZ 36/34 bejaht. Da die Kläger als Beklagte des Vorprozesses seinerzeit eingewendet hätten, es sei überhaupt kein Kaufvertrag zustande gekommen, könne die Präklusionswirkung der Rechtskraft des damals erlassenen Urteiles nicht so weit gehen, "daß sie damals entgegen ihrer Überzeugung, es sei ein Kaufvertrag über die Liegenschaft überhaupt nicht zustande gekommen, auch einwenden hätten müssen, für den Fall, daß ein solcher Vertrag doch zustande gekommen sein sollte, sei er gemäß § 870 ABGB anfechtbar bzw gemäß § 879 ABGB nichtig". Auch wenn eine Klage mangels Schlüssigkeit abgewiesen worden sei, stehe dies der Einbringung "einer neuen verbesserten Klage" - jetzt ohne mangelhafte Darstellung der rechtserzeugenden Tatsachen - nicht entgegen. Ebenso sei es möglich, denselben Anspruch, auf Grundlage eines anderen Sachvorbringens neuerlich geltend zu machen. Die Kläger des Folgeprozesses seien daher nicht von einer auf ein anderes Sachvorbringen als im Vorprozeß gestützten Arglistbehauptung ausgeschlossen.

Dieselbe Rechtsansicht liegt auch der Entscheidung 1 Ob 129/72 (unveröffentlicht) zugrunde. Verfahrensgegenstand waren aus erbrachten Werkleistungen abgeleitete Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche des Werkbestellers, nachdem der Werkunternehmer gegen jenen mit einer Leistungsklage in einem Vorprozeß teilweise durchgedrungen war. Dabei hatte der Werkbesteller als Beklagter in jenem Verfahren - gestützt auf den Titel der Gewährleistung - ein Wandlungs- und Preisminderungsbegehren geltend gemacht. Im Folgeprozeß begehrte der Werkbesteller als Kläger - neben seiner schadenersatzrechtlichen Argumentation - neuerlich eine Preisminderung aus dem Titel der Gewährleistung, und zwar auf der Grundlage von Tatsachenbehauptungen, die bereits Gegenstand des Vorprozesses waren. In diesem Zusammenhang führte der 1.Senat unter Berufung auf §§ 226, 243 Abs 2 ZPO aus, es habe für die klagende Partei bereits im Vorprozeß Gelegenheit bestanden, alle jene rechtserzeugenden Tatsachen vorzutragen, welche zur Dartuung ihres Preisminderungsanspruches geeignet erschienen. Es hieße - abgesehen davon, daß die klagende Partei ihr nunmehriges Begehren, soweit es auf dem Titel der Preisminderung beruhe, nur auf Umstände gründe, die bereits Gegenstand des Vorprozesses gewesen seien - die Präklusionswirkung der Vorentscheidung verkennen, "wollte man eine erneute klageweise Bekämpfung des bereits rechtskräftig zuerkannten Werklohnes wegen angeblicher Mängel zulassen, deren Vorliegen im Vorprozeß, in dem die Frage der Gewährleistung im Mittelpunkt des Prozeßgeschehens stand, nicht behauptet worden" sei. Die jetzt ebenso geltend gemachten Schadenersatzansprüche seien aber nach ihren Voraussetzungen und Wirkungen von Gewährleistungsansprüchen verschieden. Solche Ansprüche könnten nebeneinander bestehen. Die klagende Partei sei nicht gehalten gewesen, den nunmehr erhobenen Schadenersatzanspruch bereits im Vorprozeß zu verfolgen.

Dies wurde aus der auch unter Heranziehung der Entscheidungen SZ 36/34 und 1 Ob 25/72 dargestellten Auffassung abgeleitet, es müsse möglich sein, selbständige, also auf ein anderes Sachvorbringn gestützte Gegenrechte in einem späteren Prozeß neu geltend zu machen, ohne damit gegen die Rechtskraft der Vorentscheidung zu verstoßen, weil auch derselbe Anspruch aufgrund eines anderen Sachvorbringens neuerlich eingeklagt werden könne.

Die in den Entscheidungen SZ 36/34, 1 Ob 25/72 und 1 Ob 129/72 vertretene Ansicht wurde jedoch in der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht übernommen. Diese betont - ausgehend von der Lehre zum zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff (vgl zB Fasching I 336 ff; III 20; ders, Lehr- und Handbuch2 Rz 1164; Rechberger-Simotta, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts4 Rz 252 mwN) - derselbe Streitgegenstand liege nur vor, wenn sowohl der Entscheidungsantrag (Sachantrag) als auch die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen (Sachverhalt) identisch seien (SZ 48/113; 59/14; 63/43). Dem auf diese Weise durch die Disposition des Klägers bestimmten Streitgegenstand hat der Beklagte alle Verteidigungsmittel entgegenzusetzen. Wurde der auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützten Klage rechtskräftig stattgegeben, steht der Einwendung weiterer im Vorprozeß nicht vorgebrachter, aber damals bereits entstandener anspruchsvernichtender Tatsachen durch den Beklagten grundsätzlich das Prozeßhindernis der Rechtskraft entgegen (SZ 59/14; 63/43 - inhaltlich in dieselbe Richtung weisend, auch schon SZ 52/151).

Diese nunmehr von der Rechtsprechung vertretene Ansicht entspricht jener der herrschenden Lehre (Fasching III 719 ff; ders, Lehr- und Handbuch2 Rz 1534 ff; Rechberger-Simotta, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts4 Rz 703 f Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 29 vor § 390; vgl Heller-Berger-Stix 398), wobei sich die dargestellte Konsequenz aus den zugrundegelegten Streitgegenstandsbegriff ergibt. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist der Streitgegenstand zweigliedrig, er wird durch das Begehren und das tatsächliche Vorbringen, aus dem das Begehren abgeleitet wird (= Klagegrund) bestimmt (Fasching ZPR2 Rz 1158; Rechberger aaO Rz 15 vor § 226 ZPO, SZ 64/71; SZ 63/43; SZ 59/14; SZ 48/113 ua). Urteilsgegenstand und Streitgegenstand sind ident (Jauernigg, ZPR20 221). Dann ist aber der Beklagte, wie sich aus § 243 Abs 2 ZPO ergibt, im Rahmen des vom Kläger bestimmten Streitgegenstandes verpflichtet, alle Tatsachen vorzubringen und alle ihm zur Verfügung stehenden Gestaltungsrechte auszuüben, die dem Klageanspruch die Grundlage entziehen (Fasching aaO Rz 1536; Rechberger aaO Rz 29 vor § 390 ZPO; vgl für die deutsche Rechtsprechung und die dort uneinheitliche Lehre: BGHZ 94,29,34 - die Entscheidung differenziert zwischen gesetzlichen und vertraglichen Gestaltungsrechten -; BGHZ 42,37,39; BGHZ 34,274,279; BGHZ 24,97,98; Zöller-Vollkommen, ZPO19, Rz 63 mwN, Rz 64-66 und 68 vor § 322 dZPO). Einem in einem Vorprozeß auf Grundlage eines bestimmten rechtserzeugenden Sachverhaltes erfolgreichen Anspruch kann daher in einem Folgeprozeß zwischen denselben Parteien mit anspruchsvernichtenden Tatsachen nicht entgegengetreten werden, die in dem für die Vorentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt - hier: Schluß der Verhandlung erster Instanz - bereits entstanden waren, aber nicht ausgeführt wurden.

Dem Beklagten des Vorprozesses ist daher wegen der Präklusionswirkung der Rechtskraft auch die Geltendmachung rechtsgestaltender Erklärungen als Kläger eines Folgeprozesses verwehrt, die zur faktischen Beseitigung der Wirkung der Entscheidung des Vorprozesses führen könnten. Daß dadurch auch die Ausübung der Rechtsgestaltung innerhalb offener Fristen des materiellen Rechtes verhindert wird - im vorliegenden Fall also vor Ablauf der vom Gesetz für die Irrtumsanfechtung vorgesehenen Frist - ist eine prozessuale Wirkung der Rechtskraft, wenn dieses Gestaltungsrecht bereits im vorhin erwähnten Zeitpunkt entstanden war (Fasching III 721 f; ders, Lehr- und Handbuch2 Rz 1536; Rechberger-Simotta aaO Rz 704).

Der erkennende Senat kommt also bei neuerlicher Prüfung der behandelten Rechtsfrage zu dem Ergebnis, daß kein Anlaß besteht, von der bereits in der Entscheidung SZ 8/118 zum Ausdruck gebrachten und von der jüngeren, oben zitierten Entscheidungspraxis des Obersten Gerichtshofes wieder aufgenommenen Judikatur abzugehen, weil die in den gegenteiligen Entscheidungen SZ 36/34, 1 Ob 25/72 und 1 Ob 129/72 zum Ausdruck gebrachte Auffassung entweder gar nicht (SZ 36/34) oder nur unzureichend (1 Ob 25/72, 1 Ob 229/72) auf die sich aus der materiellen Rechtskraft einer Entscheidung ergebende, oben dargestellte Präklusionswirkung Bedacht nimmt.

Hervorzuheben ist allerdings, daß sich die behandelte Präklusionswirkung nur auf anspruchsvernichtende Einwendungen beziehen kann, die dem vom Kläger durch Sachvorbringen und Begehren individualisierten Streitgegenstand entgegenstehen; den Beklagten trifft demnach keine Rechtspflicht, antizipativ solche anspruchsvernichtenden Einwendungen zu erheben, deren er sich bedienen könnte, hätte der Kläger sein Begehren aus einem anderen als dem gewählten Sachvorbringen abgeleitet. Jener wäre also - nimmt man auf einen Begründungsteil der dargestellten unveröffentlichten Entscheidungen Bezug - zB auch nicht verpflichtet, einer unschlüssigen Klage anspruchsvernichtende Einwendungen entgegenzusetzen, die wider eine schlüssige Klage bestünden (Fasching, Lehr- und Handbuch2 Rz 1160).

Wendet man die sich aus der behandelten Rechtskraftwirkung ergebenden Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, erweisen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen als richtig.

Die Kläger brachten nämlich schon in dem zu 8 Cg 114/91 des Kreisgerichtes Wels geführten Vorprozeß als Beklagte in deren Klagebeantwortung vor, der Wert ihrer Liegenschaft betrage "bei Unterstellung der Geldlastenfreiheit rund S 16,000.000" ohne das "mit wenigstens S 2,000.000" zu veranschlagende bewegliche Vermögen. Soweit die Kläger nunmehr einen von der beklagten Partei veranlaßten Irrtum über den Wert ihrer verkauften Liegenschaft behaupten, war also eine allenfalls anspruchsvernichtende Tatsache dieser Art bereits im Vorprozeß bei Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden.

Gleiches gilt aber auch für den von den Klägern behaupteten wesentlichen Irrtum "über die mit der Veräußerung verbundenen steuerrechtlichen Folgen". Unerheblich ist in diesem Zusammhang, wann den Klägern ein allfälliger Irrtum dieser Art bekannt wurde, weil eine allenfalls im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz des Vorprozesses noch andauernde schuldlose Unkenntnis lediglich dafür Bedeutung haben könnte, ob die Kläger derartiges in einer Wiederaufnahmsklage geltend machen könnten (Fasching III 722; ders, Lehr- und Handbuch2 Rz 1536).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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