OGH 13Os181/94

OGH13Os181/9424.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Jänner 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kahofer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erwin K***** wegen des Verbrechens des versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Erwin K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.Juni 1994, GZ 3 d Vr 9576/92-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Weiss, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Wachter, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung wegen Schuld wird zurückgewiesen.

Der Berufung wegen Strafe wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erwin K***** des Verbrechens der "versuchten Bestimmung zum Amtsmißbrauch nach §§ 12, zweiter Fall, 15, 302 Abs 1 StGB" (vgl jedoch Leukauf-Steininger Komm3 § 15 RN 21, § 12 RN 42) schuldig erkannt.

Demnach hat er in der Zeit von Anfang April bis Ende Mai 1992 in Wien als Vertragsbediensteter des Arbeitsamtes Persönliche Dienste - Gastgewerbe mit dem Vorsatz, den Staat in seinem Recht auf ordnungsgemäße Erteilung von Ausländerbeschäftigungsbewilligungen zu schädigen, den Sachbearbeiter dieses Arbeitsamtes Rainer S***** zu bestimmen versucht, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich zu mißbrauchen, indem er ihn durch Anbieten von je 5.000 S zur EDV-mäßigen Erfassung und (materiell unrichtigen) positiven Vorerledigung von zwei Anträgen auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung zu veranlassen suchte, wobei auf Grund dieser Vorerledigung die Beschäftigungsbewilligungen mit Hilfe des heimlich ausgekundschafteten Passwortes der Amtsleiterstellvertreterin Helga H***** zu Unrecht ausgestellt werden sollten.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a und lit b StPO geht fehl.

Unter Z 9 lit a behauptet der Beschwerdeführer zunächst, in seiner Aufforderung an S*****, die Anträge auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung EDV-mäßig zu erfassen und zur Entscheidung vorzubereiten, könne noch kein Verleitung zu pflichtwidrigen Handlungen erblickt werden, weil zur Bewilligung der Anträge noch sein eigenes Handeln unter Verwendung des herausgefundenen Passwortes für die EDV-Anlage notwendig gewesen wäre.

Dem ist entgegenzuhalten, daß nach den Urteilsfeststellungen S***** als selbständiger Sachbearbeiter des Arbeitsamtes Persönliche Dienste - Gastgewerbe (auch) die Aufgabe hatte, Anträge auf Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen, die von vornherein auf Grund gesetzlicher Bestimmungen chancenlos waren, abzuweisen (US 5). Sein pflichtwidriges Vorgehen sollte nach dem festgestellten Tatplan darin bestehen, unter Mißbrauch seiner Befugnis die beiden rechtlich ungeeigneten Anträge auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für Claudia G***** (AS 41/I) und Vera A***** (AS 43/I) - anstatt sie rechtstreuer Vorgangsweise entsprechend abzuweisen - zur Bewilligung vorzulegen (US 9) und solcherart positiv vorzuerledigen (s Leukauf-Steininger Komm3 § 302 RN 14).

Die Beschwerde rügt ferner das Fehlen einer Feststellung, wie die Bewilligung der Anträge unter Verwendung des Passwortes des Amtsleiters bzw seiner Stellvertreterin weiter hätte erfolgen sollen, weil der Beschwerdeführer das von ihm eruierte Paßwort überhaupt nicht habe ausnützen können, liege absolut untauglicher Versuch vor. Der Angeklagte habe sich eines untauglichen Werkzeuges bedient, weil er eine Bewilligung habe erreichen wollen, S***** indes nur zur Abweisung von Anträgen berechtigt gewesen sei.

Diese Ausführungen übergehen zunächst die ausdrücklichen Feststellungen des Schöffengerichtes, wonach der Angeklagte selbst die rechtswidrigen Beschäftigungsbewilligungen - wenngleich unzuständigerweise - auf Grund der durch S***** zu bewilligenden materiell unrichtigen positiven Vorerledigung mit Hilfe des heimlich ausgekundschafteten Paßwortes der Amtsleiterstellvertreterin Helga H***** ausstellen wollte (US 5, 10).

Im übrigen ist ein Versuch gemäß § 15 Abs 3 StGB nur dann absolut untauglich, wenn die Verwirklichung des Deliktstypus auf die vorgesehene Art auch bei einer generalisierenden Betrachtung, also unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles geradezu denkunmöglich ist, somit unter keinen wie immer gearteten Umständen, sei es wegen Untauglichkeit des Subjektes, der Handlung selbst oder des Objektes (Leukauf-Steininger Komm3 § 15 RN 30) erwartet werden kann.

Dies trifft hier nicht zu. Denn der Plan des Angeklagten, nach pflichtwidriger Unterlassung der Abweisung der beiden Anträge und ihrer EDV-mäßigen Erfassung durch S***** ihre endgültige Bewilligung unter Verwendung des vom Angeklagten herausgefundenen Paßwortes der stellvertretenden Leiterin des Arbeitsamtes in Abwesenheit des an sich zuständigen Amtsleiters herbeizuführen, war nicht derart, daß die pönalisierte Rechtsgutverletzung nicht hätte herbeigeführt werden können. Der Amtsmißbrauch S*****s sollte zwar das weitere Handeln des Angeklagten ermöglichen, er war aber ein wesentlicher Schritt zur Erreichung des vom Angeklagten angestrebten Zieles. Der Beschwerdeeinwand, wonach die Bewilligungen akten- oder EDV-mäßig irgendwann den zuständigen Gremien oder Personen aufgefallen wären, ist unwesentlich.

Zu Unrecht reklamiert der Beschwerdeführer aus § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO den Strafaufhebungsgrund des freiwilligen ("Putativ"-)Rücktritts vom Versuch nach § 16 (Abs 2) StGB mit dem Hinweis, daß er durch die Rückforderung der an S***** übergebenen Bewilligungsanträge sich freiwillig und ernstlich bemüht habe, die Ausführung der Tat zu verhindern bzw den Erfolg abzuwenden, wobei er nicht gewußt habe, daß S***** zur Tat nicht bereit war, sondern das Vorhaben bereits seinen Vorgesetzten gemeldet hatte.

Dem ist folgendes zu erwidern:

Für alle im § 12 StGB genannten Täterformen ist (strafbefreiender) Rücktritt vom Versuch möglich, solange die Tat nicht vollendet ist. Für den Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB) ist dafür nicht seine (allenfalls schon abgeschlossene) Bestimmungshandlung maßgeblich, sondern die Tat, zu der er angestiftet hat (Schmidhäuser, Strafrecht AT2, 15/98; Leukauf-Steininger Komm3 § 16 RN 12).

Voraussetzung eines strafbefreienden ("Putativ"-)Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs 1 (und Abs 2) StGB ist aber unter anderem die Freiwilligkeit des Rücktritts. Der Rücktritt darf demnach nicht durch zwingende Hinderungsgründe veranlaßt worden sein, sondern muß aus einem autonomen Motiv erwachsen (Leukauf-Steininger Komm3 § 16 RN 2). Vorliegend war aber - nach den erstgerichtlichen Urteilsannahmen - kein solches Motiv des Angeklagten für seinen Rücktritt bestimmend, sondern es waren heterogene Gründe, die ihn zum Rücktritt veranlaßten. Er sah sich nämlich, nach Änderung des von ihm vorher ausgekundschafteten Paßwortes der Amtsstellenleiterstellvertreterin einer völlig geänderten Sachlage gegenüber, die ihm zwar die Vollendung des Amtsmißbrauches durch S***** (dessen positive Vorerledigung und EDV-mäßige Erfassung der Anträge) für möglich, aber sinnlos (s Leukauf-Steininger Komm3 § 16 RN 4) erscheinen ließ, weil für den Angeklagten der Endzweck der Tat (zumindest vorübergehend) nicht mehr erreichbar schien (siehe Schmidhäuser, aaO 15/84; Leipziger Kommentar zum StGB10, RN 98 und 30 zu § 24). Daß aber die mangelnde Kenntnis des geänderten Paßwortes auch den "Wegfall der Geschäftsgrundlage" der (geplanten) Tat bedeutete (siehe Schönke-Schröder, StGB24 RN 47 zu § 24), hat das Erstgericht durch Aufnahme dieser Bedingung in den Spruch mehr als deutlich festgestellt.

Daß der Angeklagte allenfalls vorhatte, nach späterer Kenntnis des neuen Paßwortes erneut S***** zu einem Amtsmißbrauch anzustiften, ändert nichts daran, daß er im vorliegenden Fall die amtsmißbräuchlich zu behandelnden Bewilligungsanträge nur auf Grund der genannten (geänderten) Umstände von S***** zurückgefordert hat. Benötigte er doch diese für sein allenfalls späteres erneut deliktisches Vorgehen und konnte ein im vorliegenden Fall nutzloser Amtsmißbrauch nur die Gefahr der Erreichung des Zieles durch einen späteren Amtsmißbrauch in Frage stellen.

Der geltend gemachte Strafaufhebungsgrund liegt somit nicht vor.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Die Berufung wegen Schuld war als unzulässig zurückzuweisen, weil ein solches Rechtsmittel im schöffengerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehen ist. Die vom Verteidiger im Gerichtstag gewünschte "Umdeutung" der Schuldberufung in eine Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 Abs 1 Z 5 a StPO widerspricht bereits dem Bestimmtheitsgebot (§ 285 Abs 1 StPO).

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 302 Abs 1 StGB eine neunmonatige Freiheitsstrafe, die es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Dabei wertete es als erschwerend keinen Umstand, als mildernd den langjährigen ordentlichen Lebenswandel, zu dem die Tat im Mißverhältnis steht, und den Umstand, daß die Tat beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner unausgeführt gebliebenen Berufung (wegen Strafe) ist der Angeklagte nicht im Recht.

Der Schöffensenat hat nämlich die Strafmilderungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig herangezogen, dagegen die erschwerende Wiederholung des Anstiftungsversuches ohnehin unberücksichtigt gelassen. Das verhängte Strafmaß ist demnach nicht überhöht.

Der Strafberufung war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.

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