OGH 11Os176/94

OGH11Os176/9417.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Jänner 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Haubenwallner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jürgen Roland T***** wegen des Verbrechens nach § 3 g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wels vom 12. Juli 1994, GZ 12 Vr 212/94-82, nach Anhörung der Generalprokuraturin nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise und zwar dahin Folge gegeben, daß in Ansehung der Fakten 4), 8) und 9) der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil einschließlich des Strafausspruches aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen wird.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen, auf dem einhelligen Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Jürgen Roland T***** des Verbrechens nach § 3 g VerbotsG schuldig erkannt.

Darnach hat er sich - zusammengefaßt wiedergegeben - in der Zeit von 1991 bis zum 15. Februar 1992 in Wels und an anderen Orten Österreichs durch den Verkauf und die Weitergabe der im Urteilsspruch detailliert bezeichneten Schriften, Flugblätter und Anstecker (Punkt 1 bis 11) auf eine andere als die in den §§ 3 a bis 3 f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Zutreffend rügt der Beschwerdeführer nämlich eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) durch die unterbliebene Stellung einer Zusatzfrage in Richtung der §§ 8 und 9 StGB (richtig wohl nur: § 9 StGB) hinsichtlich der Fakten 4, 8 und 9 des Schuldspruchs. Der Angeklagte bestritt nämlich in der Hauptverhandlung unmißverständlich, das Unrecht seines Tatverhaltens (den Verkauf bzw die Verteilung dieser Schriften nationalsozialistischen Inhalts) erkannt zu haben.

Zum Faktum 4 behauptete er als Motiv für die Verteilung des Druckwerkes "1938 - Lüge und Wahrheit, weder Opfer noch Schuld", daß der Herausgeber dieser Broschüre (Aula-Verlag) diesbezüglich freigesprochen worden und eine Liste verbotener Druckwerke nicht vorhanden sei (207, 229, 231/II).

Hinsichtlich der zur Verbreitung bestimmten 159 Flugblätter "Kommentare zum Zeitgeschehen" (Faktum 8) verantwortete sich der Beschwerdeführer dahin, daß in diesen eine Abschrift eines Artikels einer amerikanischen Tageszeitung enthalten gewesen sei, weshalb er den Inhalt für unbedenklich gehalten habe (215, 229/II).

Zu dem zur Verbreitung vorgesehenen Kalender "Alter Jahreszeitweiser 1992" (Faktum 9) bestritt er sein Unrechtsbewußtsein unter Hinweis auf die ihm damals noch nicht bekannte Verurteilung der Herausgeber wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung (215/II).

Diese Einlassungen des Angeklagten indizierten aber ungeachtet der Frage ihrer Glaubwürdigkeit - deren Beurteilung im Verhältnis zu den belastenden Verfahrensergebnissen ausschließlich den Geschworenen zukommt - gemäß § 313 StPO die Stellung einer Zusatzfrage in Richtung eines (allenfalls schuldausschließenden) Verbotsirrtums nach § 9 StGB. Die unterlassene Fragestellung bewirkt demnach Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO hinsichtlich der Fakten 4, 8 und 9, weswegen insoweit mit der Kassation des Wahrspruchs und des darauf beruhenden Urteiles einschließlich des Strafausspruches vorzugehen und die Sache zur Verfahrenserneuerung an das Erstgericht zu verweisen war.

Die in diesem Zusammenhang gerügte "Unvollständigkeit" der Rechtsbelehrung (Z 8) liegt indes nicht vor, weil sich die Rechtsbelehrung auf die den Geschworenen tatsächlich gestellten Fragen zu beschränken hat (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 20 ff zu § 345 Z 8).

Das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 10 a), das sich gegen die Richtigkeit der zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen, nämlich seines (zumindest bedingten) Vorsatzes, sich im Sinne auch nur einzelner der typischen Ziele des Nationalsozialismus zu betätigen, wendet, erweist sich als nicht zielführend.

Hiezu führt der Beschwerdeführer im einzelnen an, er habe die gegenständlichen Zeitschriften und Flugblätter etc nicht gelesen (Fakten 1, 3 und 7) bzw nicht zur Verteilung gebracht (Fakten 2 und 6).

Die Geschworenen sind aber ersichtlich in Ablehnung dieser (seine Gutgläubigkeit behauptenden) Verantwortung davon ausgegangen, daß der Angeklagte die Inhalte dieser Publikationen sehr wohl kannte und sie mit deliktspezifischem Vorsatz verteilt bzw zur Verteilung bereitgehalten hat. Gegen diese durch die aktenkundigen Beweisergebnisse gedeckte Schlußfolgerung der Geschworenen und damit gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen vermögen die Ausführungen der Tatsachenrüge erhebliche Bedenken nicht zu erwecken.

Mit dem Einwand schließlich, er habe durch die Verteilung der Zeitschrift "Remer-Depesche" (Faktum 5) keine strafbare Handlung begehen wollen, wiederholt der Beschwerdeführer lediglich seine leugnende Verantwortung in der Hauptverhandlung (177, 209, 227/II), ohne aber auch damit erhebliche Bedenken in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes darzutun.

Das Beschwerdevorbringen hinwieder, lediglich einen Anstecker mit der Parole "Ich bin stolz, ein Neo-Nazi zu sein" (Faktum 11) besessen zu haben, vernachlässigt die eigene Verantwortung des Beschwerdeführers im Vorverfahren, viele derartige Plaketten verkauft zu haben (47, 86, 89 a, 89 g/I).

Schließlich versagt auch der in diesem Zusammenhang wiederholte aber nicht substantiierte Einwand, der Angeklagte sei insoweit einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen.

In diesem Umfang war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen (§§ 285 d, 344 StPO).

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