OGH 11Os180/94

OGH11Os180/9417.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Jänner 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Haubenwallner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Sigmund T***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4; 125) StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 28.Oktober 1994, GZ 37 Vr 1867/94-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Jerabek, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Innsbruck vom 28. Oktober 1994 (ON 15) über den Widerruf der bedingten Nachsicht der über Sigmund T***** mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Hall vom 10. Mai 1991, GZ U 133/91-9, verhängten Geldstrafe verletzt das Gesetz in dem aus dem XX. Hauptstück der StPO abzuleitenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Dieser Beschluß wird aufgehoben und der Widerrufsantrag des öffentlichen Anklägers abgewiesen.

Text

Gründe:

Sigmund T***** wurde mit dem rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Hall vom 10.Mai 1991, GZ U 133/91-9, wegen des Vergehens des Diebstahls (als Mittäter) nach §(§ 12,) 127 StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt. Mit Beschluß dieses Gerichtes vom 1.Juni 1994 (ON 15) wurde die Strafe endgültig nachgesehen; eine Zustellung dieses Beschlusses an die Anklagebehörde ist dem Akt nicht zu entnehmen, eine Zustellung an den Betroffenen blieb erfolglos, da er verzogen war.

Mit dem (in gekürzter Form ausgefertigten) rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28.Oktober 1994, GZ 37 Vr 1857/94-15, wurde Sigmund T***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung (§§ 125; 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB) im Zustand voller Berauschung gemäß § 287 Abs 1 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt. Zugleich faßte das Landesgericht gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO den Beschluß auf Widerruf der mit dem zuvor bezeichneten Urteil des Bezirksgerichtes Hall bedingt nachgesehenen Geldstrafe.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 28.Oktober 1994 steht - wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend geltend macht - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Denn der Beschluß des Bezirksgerichtes Hall vom 1.Juni 1994 über die endgültige Strafnachsicht entfaltete (schon vor Eintritt der Rechtskraft) Bindungswirkung, derzufolge das Gericht ohne vorangegangene prozeßordnungsgemäße Aufhebung des Beschlusses nicht berechtigt war, über den Entscheidungsgegenstand neuerlich abzusprechen. Der (rechtswidrige) Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck konnte damit weder die schon vorher (wirksam) beschlossene endgültige Strafnachsicht beseitigen noch damit für den Verurteilten irgendwelche Rechtsfolgen nach sich ziehen; die konstitutive Wirkung des Beschlusses des Bezirksgerichtes Hall blieb vielmehr hievon unberührt (vgl EvBl 1989/64 = JBl 1989, 400; 11 Os 84/94).

Da somit der Beschluß vom 28.Oktober 1994 keinerlei Rechtswirkung entfalten konnte, war er durch Aufhebung zu beseitigen und der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft abzuweisen.

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