OGH 12Os190/94(12Os191/94)

OGH12Os190/94(12Os191/94)12.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Jänner 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hradil als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günter Z***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben vom 25.Mai 1994, GZ 18 E Vr 944/90-94, den Vorgang, daß das Bezirksgericht Bruck an der Mur von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 16.Mai 1994, GZ 4 U 165/94-4, (unter Absehen vom Widerruf) gefaßten Beschluß auf Verlängerung der Probezeit nicht unverzüglich den genannten Gerichtshof verständigte, sowie den Vorgang, daß vor der oben erwähnten Beschlußfassung eine Einsicht in die Akten über die frühere Verurteilung unterblieb, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Zehetner, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es verletzen das Gesetz

1./ der Vorgang, daß das Bezirksgericht Bruck an der Mur von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 16.Mai 1994, GZ 4 U 165/94-4, (unter Absehen vom Widerruf) gefaßten Beschluß auf Verlängerung der Probezeit zu der Günter Z***** mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 12.März 1991, GZ 18 E Vr 944/90-51, in Ansehung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB gewährten bedingten Strafnachsicht nicht unverzüglich den genannten Gerichtshof verständigte, in der Bestimmung des § 494 a Abs 7 StPO;

2./ der Vorgang, daß vor der oben erwähnten Beschlußfassung eine Einsicht in die Akten über die frühere Verurteilung unterblieb, in der Bestimmung des § 494 a Abs 3 StPO;

3./ der Beschluß des Landesgerichtes Leoben vom 25.Mai 1994, GZ 18 E Vr 944/90-94, mit dem die im Urteil vom 12.März 1991 verhängte Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen wurde, obwohl infolge der zu 1./ genannten Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre noch nicht feststand, daß die bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen wird, in dem sich aus § 43 Abs 2 StGB iVm §§ 53 und 56 StGB ergebenden Gebot, die endgültige Strafnachsicht erst nach Ablauf der Probezeit auszusprechen.

Der gemeinsam mit dem Urteil vom 16.Mai 1994, GZ 4 U 165/94-4, gefaßte Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur wird insoweit, als damit die Günter Z***** mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 5. März 1991, GZ 18 E Vr 944/90-51, gesetzte Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, aufgehoben.

Dem Bezirksgericht Bruck an der Mur wird aufgetragen, die Bundespolizeidirektion Wien-Strafregisteramt hievon zu verständigen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Günter Z***** wurde mit Urteil des Kreisgerichtes (nunmehr Landesgerichtes) Leoben vom 12.März 1991, GZ 18 E Vr 944/90-51, wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 16.Mai 1994, GZ 4 U 165/94-4, wurde Günter Z***** wegen des (im Dezember 1993, sohin in der Probezeit begangenen) Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 200 S verurteilt. Zugleich faßte das Bezirksgericht, ersichtlich ohne (AS 1 a verso, 98, 99) in die Akten über die frühere Verurteilung Einsicht zu nehmen (§ 494 a Abs 3 StPO) - unter gleichzeitigem Absehen von einem Widerruf der bedingten Strafnachsicht - den Beschluß auf Verlängerung der mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 12.März 1991, GZ 18 E Vr 944/90-51, festgesetzten Probezeit auf fünf Jahre. Diese Entscheidung schließt begrifflich ein Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht in sich (§§ 53 Abs 2 StGB, 494 a Abs 1 Z 2 StPO).

Die im § 494 a Abs 7 StPO vorgeschriebene unverzügliche Verständigung des Landesgerichtes Leoben von der Verlängerung der Probezeit ist unterblieben. Diese erfolgte erst am 24.Juni 1994 durch die am 21. Juni 1994 verfügte Zustellung einer Beschlußausfertigung.

Inzwischen hatte allerdings das Landesgericht Leoben, einem Antrag der Staatsanwaltschaft folgend und in Unkenntnis der Entscheidung über die Verlängerung der Probezeit, mit rechtskräftigem Beschluß vom 25. Mai 1994, GZ 18 E Vr 944/90-94, festgestellt, daß die über Günter Z***** verhängte Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen sei.

Dieser Beschluß steht mit dem Gesetz nicht in Einklang. Denn die Bestimung des § 43 Abs 2 StGB über die endgültige Strafnachsicht setzt voraus, daß die Nachsicht nicht widerrufen wird. Dieses Erfordernis war aber zum Zeitpunkt der Beschlußfassung zufolge rechtswirksamer Verlängerung der Probezeit (und der damit verbundenen Möglichkeit des späteren Eintritts eines Widerrufsgrundes) - welcher Umstand dem Landesgericht Leoben aus den Akten allerdings nicht erkennbar war - noch nicht gegeben.

Die Gesetzesverletzung war durch die ihrerseits gesetzwidrige Säumnis des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur bedingt, das entgegen der Vorschrift des § 494 a Abs 7 StPO dem hievon betroffenen Landesgericht Leoben nicht sogleich seine Entscheidung auf Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre bekannt gegeben hat. Die in dieser Gesetzesstelle normierte Verständigungspflicht soll nämlich sicherstellen, daß das von der neuen Entscheidung betroffene Gericht keine weitere Entscheidungskompetenz mehr in Anspruch nimmt. Dieser Zweck kann aber nur erreicht werden, wenn die Verständigung unmittelbar nach der jeweiligen Entscheidung (ohne Rücksicht auf deren Rechtskraft) vorgenommen wird (Foregger-Kodek StPO6 Erl VI zu § 494 a und va). Die Dringlichkeit der Weitergabe der Information war im vorliegenden Fall überdies dadurch besonders indiziert, weil die Probezeit bereits abgelaufen und daher eine baldige Entscheidung des Landesgerichtes Leoben über die endgültige Strafnachsicht zu gewärtigen war.

Auch die Bestimmung des § 494 a Abs 3 StPO, wonach das Gericht vor einer Entscheidung im Sinne des Abs 1 leg cit unter anderem in die Akten über die frühere Verurteilung Einsicht zu nehmen hat, bezweckt nicht nur die Verhinderung divergierender Entscheidungen verschiedener Gerichte, sondern durch die notwendige Aktenbeischaffung auch eine Verhinderung einer Entscheidung durch das ursprünglich erkennende Gericht.

Da sich die Gesetzesverletzungen durch das Bezirksgericht Bruck an der Mur und die dadurch bewirkte (gesetzwidrige) endgültige Strafnachsicht durch das Landesgericht Leoben noch vor Ablauf der - verlängerten - Probezeit zum Vorteil des Verurteilten ausgewirkt haben, muß es insoweit - anders als bei Vorliegen von begrifflich miteinander völlig unvereinbaren Entscheidungen - mit der Feststellung der Gesetzesverletzung sein Bewenden haben (14 Os 117,118/90, 13 Os 3, 4/91, 12 Os 92,93/91).

Somit bleibt der Beschluß des Landesgerichtes Leoben vom 24.Mai 1994, mit dem die endgültige Nachsicht der Freiheitsstrafe festgestellt wurde, rechtswirksam. Dem Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur auf Verlängerung der Probezeit ist damit allerdings (nachträglich) der Boden entzogen worden, weshalb er aus Gründen der Rechtsklarheit zu beseitigen war. Dem Bezirksgericht Bruck an der Mur wird es obliegen, das Strafregisgeramt davon in Kenntnis zu setzen, daß die Verlängerung der Probezeit zufolge der zwischenzeitig (wenn auch irrtümlich) ausgesprochenen endgültigen Strafnachsicht gegenstandslos ist.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher spruchgemäß zu erkennen.

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