OGH 2Ob502/95

OGH2Ob502/9512.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Anton Knees, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Bernhard T*****, vertreten durch Dr.Kurt Schneider und Dr.Rudolf Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,394.739,71 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29.August 1994, GZ 1 R 173/94-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelgerichtes Wien vom 31.März 1994, GZ 13 Cg 288/93-25, zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die vorinstanzlichen Urteile werden dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil insgesamt wie folgt zu lauten hat:

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 1,200.000,-- samt 4 % Zinsen aus S 750.000,-- vom 1.5.1992 bis 12.2.1993, aus S 1,500.000,-- vom 13.2.1993 bis 26.12.1993 und aus S 1,200.000,-- seit 27.12.1993 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung von S 194.739,71 samt 12,57 % Zinsen seit 10.4.1992 sowie das Zinsenmehrbegehren werden abgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.538,64 bestimmten Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit S 39.749,40 (darin enthalten USt von S 3.024,90 und Barauslagen von S 21.600,--) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beteiligungsfinanzierungsvertrag vom 14.5.1984 stellte die Klägerin als stille Gesellschafterin der Firma D*****gesellschaft mbH (Beteiligungs- unternehmen) einen Betrag von S 1,5 Mio als Beteiligungskapital zur Verfügung. Punkt V der Beteiligungsvereinbarung lautet wie folgt:

"Die Gesellschafter des Beteiligungsunternehmers, die Herren Winfried D*****und Bernhard T*****(Beklagter) haben die persönliche Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB für die Rückerstattung der von der B*****(klagende Partei) auf Grund ihrer Beteiligung geleisteten Anzahlungen zu übernehmen". Winfried D*****und der Beklagte unterfertigten diesen Beteiligungsfinanzierungsvertrag. Die stille Gesellschaft wurde auf unbestimmte Zeit errichtet. Neben einem ordentlichen Kündigungsrecht wurde für den Fall der Verletzung vertraglicher Bedingungen ein (außerordentliches) Kündigungsrecht der klagenden Partei und deren Recht auf ein Auseinandersetzungsguthaben vereinbart. Dieses hat in zwei Raten bezahlt zu werden, die erste Rate zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung, die zweite Rate ein Jahr danach.

Der Klägerin wurde eine Gewinnbeteiligung eingeräumt. Für den Fall des Verzuges des Beteiligungsnehmers mit irgendeiner Zahlung wurden Verzugszinsen in Höhe der durchschnittlichen Sekundärmarktrendite für Kreditunternehmungen des abgelaufenen Wirtschaftsjahres lt Tab 2. 33 der Mitteilungen des Direktoriums der österreichischen Nationalbank zuzüglich 4 % pa. vereinbart.

Der Beklagte war von 1983 bis 1990 mit einem Geschäftsanteil von 30 % Gesellschafter der D*****gesellschaft mbH. Er arbeitete dort nie.

Wegen Verletzung von Vertragspflichten kündigte die Klägerin am 13.2.1992 den Beteiligungsfinanzierungsvertrag mit sofortiger Wirkung auf. Am 10.4.1992 wurde über das Vermögen der Firma D*****gesellschaft mbH der Konkurs eröffnet, der nach Abschluß eines Zwangsausgleiches am 19.8.1992 wieder aufgehoben wurde. Mit Schreiben vom 27.3.1992 forderte die Klägerin von der Firma D*****Gesellschaft mbH und mit Schreiben vom 24.4.1992 vom Beklagten als Bürgen die erste Rate des Auseinandersetzungsguthabens in der Höhe von S 807.167,-- ein. Im Konkurs wurde die gesamte eingeklagte Forderung angemeldet und vom Masseverwalter zur Gänze anerkannt. Im Rahmen des Zwangsausgleichsverfahrens wurde der Klägerin von der Firma D*****gesellschaft mbH bis 26.12.1993 ein Betrag von S 348.684,95 in Raten bezahlt.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin zunächst die Zahlung von S 1,743,424,66 (umfassend S 1,5 Mio Beteiligungskapital, Gewinnvorweg, Anteil am Restergebnis und Pauschalhonorar samt Verzugszinsen). Mit dem beim Erstgericht am 13.1.1994 eingelangten Schriftsatz schränkte die klagende Partei infolge Zahlung von S 348.684,95 das Klagebegehren ein auf den Betrag von S 1,394.739,71 samt 12,57 Zinsen seit 10.4.1992.

Der Beklagte bestritt das Vorliegen eines wirksamen Bürgschaftsvertrages, überdies habe ihn die Klägerin aus der Bürgenhaftung entlassen. Seine Haftung beziehe sich höchstens auf die Einlage von S 1,5 Mio, nicht aber auch die weiteren Ansprüche. Dieser Betrag sei überdies nicht fällig.

Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem eingeschränkten Klagebegehren statt, wobei es über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend feststellte, daß die klagende Partei niemals eine Erklärung dahingehend abgab, daß der Beklagte aus seiner Bürgenhaftung entlassen werde.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht vom Vorliegen einer wirksamen schriftlichen Bürgschaftserklärung des Beklagten aus, eine Entlassung des Beklagten aus seiner Haftung sei nie erfolgt. Vertragsgemäß müsse

bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses das Auseinandersetzungsguthaben in zwei gleichen Raten bezahlt werden. Der Beklagte habe sich aber nur zur Rückzahlung der Einzahlungen der Klägerin in der Höhe von S 1,5 Mio verpflichtet, gemäß § 1353 ABGB könne die Bürgschaft nicht weiter ausgedehnt werden, als sich der Bürge ausdrücklich erklärt habe. Die Fälligkeit der zweiten Rate sei erst am 13.2.1992 eingetreten. Die Zahlungen der Firma D*****gesellschaft mbH seien zunächst auf den nicht verbürgten Teil der Schuld anzurechnen.

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahingehend ab, daß es den Beklagten dazu verurteilte, der klagende Partei den Betrag von S 1,394.739,71 samt 4 % stufenweisen Zinsen zu bezahlen; das Zinsenmehrbegehren wurde abgewiesen.

Die ordentliche Revision wurde nicht für zulässig erklärt.

Das Berufungsgericht schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß sich der Beklagte mit Teilbürgschaft nur zur Rückerstattung des Beteiligungskapitales von S 1,5 Mio verpflichtet habe, nicht aber auch zur Bezahlung des von der Klägerin gegen ihn weiters geltend gemachten "Gewinnvorwegs", Anteils zum Restergebnis ua. an. Die Teilzahlungen des Hauptschuldners seien auf den nichtverbürgten Teil der Schuld anzurechnen (SZ 62/99; Gamerith in Rummel2, Rz 2 zu § 1353 mwN). Die Richtigkeit dieser Ansicht ergebe sich schon daraus, daß Mehrfachsicherungen möglich seien und für den Fall, daß eine Sicherheit nur für einen Teil der Forderung hafte, diese erst dann erlösche, wenn die ganze Forderung getilgt werde. Bis zum Zeitpunkt der Zahlung des Hauptschuldners sei daher die Haftung des Bürgen im Ausmaß von S 1,5 Mio gegeben gewesen. Der Zahlung durch den Hauptschuldner habe die klagende Partei durch Klagseinschränkung Rechnung getragen.

Die Zinsenvereinbarung des Beteiligungsvertrages betreffe ihren Wortlaut nach aber nur den Zahlungsverzug des Hauptschuldners. Gemäß § 1353 erster Satz ABGB hafte der Bürge im Zweifel nur für das Kapital, nicht aber für die Verzugsfolgen; dies gelte auch für den Bürgen und Zahler. Der Beklagte sei daher nur für seinen eigenen Verzug zinsenpflichtig, also hinsichtlich der ersten Rate von S 750.000,-- ab dem Ende der von der Klägerin bis 30.4.1992 gestellten Leistungsfrist, hinsichtlich der zweiten Rate ab dem vertraglichen Fälligkeitstermin (ein Jahr nach Wirksamkeit der Kündigung, das ist der 13.2.1993). Der Beklagte habe mangels einer für ihn verbindlichen Zinsenvereinbarung nur die gesetzlichen Zinsen zu bezahlen, das seien 4 %. Als Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH sei er nicht Kaufmann.

Dagegen richtet die die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren, soweit es über den Zuspruch von S 1,2 Mio samt 4 % Zinsen aus S 600.000,-- seit 1.5.1992 und 4 % Zinsen aus S 600.000,-- seit 13.2.1993 hinausgeht, kostenpflichtig abzuweisen.

Die klagende Partei hat Revisonsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig, weil die vom Berufungsgericht zitierte Lehre und Rechtsprechung einen anderen Sachverhalt betrifft; sie ist auch berechtigt.

Der Beklagte macht in seinem Rechtsmittel geltend, die Bürgschaft für einen bestimmten, inhaltlich umschriebenen Teil der Hauptschuld, nämlich für die Rückerstattung der von der klagenden Partei geleisteten Einzahlungen, übernommen zu haben. Der Teil, für den er sich verbürgt habe, sei individualisiert und könne vom übrigen Teil der Schuld abgegrenzt werden. Die klagende Partei habe im Konkurs der Firma D*****gesellschaft mbH eine Forderung von S 1,743.424,66 angemeldet, welche nicht nur den durch die Bürgschaft gesicherten Teil der Schuld umfasse, sondern auch Ansprüche auf Gewinnvorweg, Pauschalhonorar und Anteil am Restergebnis. Daraus ergebe sich, daß aufgrund des erfüllten Zwangsausgleiches die klagende Partei für jede einzelne Position ihrer Forderung die Zwangsausgleichsquote von 20 % erhalten habe. Es sei somit die Forderung der klagenden Partei auf Rückerstattung des Beteiligungskapitales von S 1,5 Mio um 20 %, sohin um S 300.000,-- gemindert worden, was auch den Beklagtem zugutekomme. Der diesen Betrag übersteigende Zuspruch von S 194.739,71 sei somit zu Unrecht erfolgt.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich zutreffend.

Eine vertragliche Beschränkung der Haftung des Bürgen kann auf zweierlei Art erfolgen: a) Der Bürge haftet für die ganze Schuld bis zu einem bestimmten Höchstbetrag oder b) der Bürge haftet für einen bestimmten, inhaltlich umschriebenen Teil der Hauptschuld, welcher vom übrigen Teil der Schuld abgegrenzt werden kann (Gamerith in Rummel2, Rz 2 zu § 1353; derselbe, Die Teilbürgschaft, BankArch 1988, 759; Ehrenzweig II/1, 112; Mayrhofer, AT, 124; 5 Ob 625/79). Während im ersten Fall (Haftung für die ganze Schuld bis zu einem bestimmten Betrag) Teilzahlungen eines Hauptschuldners im Zweifel zuerst auf den unverbürgten Teil der Hauptschuld anzurechnen sind, entsteht bei der zweiten Bürgschaftsform (Haftung für einen bestimmten, inhaltlich umschriebenen Teil der Hauptschuld), das Problem der Widmung eingehender Teilzahlungen. Werden über die Widmung von Teilzahlungen Vereinbarungen weder ausdrücklich noch schlüssig getroffen, gelten die allgemeinen Bestimmungen, also die §§ 1415, 1416 ABGB oder die einschlägigen Bestimmungen der Exekutionsordnung (Gamerith in Rummel2, Rz 2 zu § 1353; derselbe, BankArch 1988, 761).

Im vorliegenden Fall hat sich nun der Beklagte für einen bestimmten, inhaltlich umschriebenen Teil der Hauptschuld verbürgt. Der Teil, für den er sich verbürgt hat, ist individualisiert und vom übrigen Teil der Schuld abgrenzbar und unterscheidet sich von diesem eindeutig. Er hat sich nämlich nur verbürgt für die Rückzahlung des Auseinandersetzungsguthabens; dieses unterscheidet sich von den übrigen von der klagenden Partei geltend gemachten Forderungen auf Gewinnvorweg, Pauschalhonorar und Anteil am Restergebnis. Es sind daher, wie schon oben ausgeführt, für die Widmung der vom Hauptschuldner geleisteten Teilzahlungen die allgemeinen Bestimmungen maßgeblich; gemäß § 1415 ABGB gilt, sofern Schuldner und Gläubiger keine Vereinbarung getroffen haben, welche von mehreren Schuldposten getilgt werden soll, jene Schuld als abgetragen, die der Schuldner bezeichnet, es sei denn, der Gläubiger würde dagegen Widerspruch erheben. Die Erklärung des Schuldners kann ausdrücklich oder auch schlüssig erfolgen (Reischauer in Rummel2, Rz 4 zu § 1416). Im vorliegenden Fall hat nun die klagende Partei im Konkurs des Hauptschuldners mehrere Forderungen geltend gemacht; 20 % wurden anerkannt und auch bezahlt. Diese Zahlungen durch den Hauptschuldner können nur so verstanden werden, daß damit alle angemeldeten Forderungen um 20 % getilgt werden sollen. Es liegt sohin im Sinne des § 1415 ABGB eine schlüssige Zahlungswidmung des Hauptschuldners vor, sodaß, wie der Beklagte auch zutreffend geltend macht, auch hinsichtlich der Forderung, für der er sich verbürgt hat, eine 20 %-ige Zahlung erfolgte. Der Anspruch der klagenden Partei gegenüber dem beklagten Bürgen beträgt daher nicht S 1,5 Mio sondern nur S 1,2 Mio.

Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Raten war aber die Zahlung der Ausgleichsquote noch nicht erfolgt, so daß sie bis zu diesem Zeitpunkt zur Gänze mit 4 % zu verzinsen sind.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 43, 50 ZPO. Im Hinblick darauf, daß ein Teil der Forderung der klagenden Partei erst während des Rechtsstreites fällig geworden ist und eine Teilzahlung durch die Hauptschuldnerin erfolgte, sind für die Kostenentscheidung drei Phasen zu bilden. Die erste Phase geht bis zur Fälligkeit der zweiten Rate (einschließlich der Verhandlung vom 20.1.1993). In diesem Verfahrensabschnitt hat die klagende Partei zu 43 % obsiegt, der Beklagte zu 57 %. Dem Beklagten stehen daher 14 % der für diesen Verfahrensabschnitt notwendigen Prozeßkosten von S 140.940,-- (darin enthalten USt von S 23.490,--), sohin S 19.731,60 zu. Der klagenden Partei stehen für diesen Verfahrensabschnitt 43 % der Barauslagen von S 24.480,-- zu, das sind S 10.526,40.

Der zweite Verfahrensabschnitt umfaßt die Verhandlung vom 7.12.1993 (nach Fälligkeit der zweiten Rate) in welchem die klagende Partei zu 86 % durchgedrungen ist, weshalb ihr 72 % der Kosten von S 14.922,-- (darin enthalten USt von S 2.487,--) zustehen, das sind S 10.743,84. Daraus folgt für das erstgerichtliche Verfahren eine Kostenersatzpflicht des Beklagten in der Höhe von S 1.538,64.

Im Rechtsmittelverfahren ist der Beklagte aber voll obsiegt, so daß ihm die klagende Partei die diesbezüglichen Kosten zu ersetzen hat.

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