OGH 9ObA240/94

OGH9ObA240/9411.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Wolf und Erich Huhndorf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter P*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei ***** R***** S*****, Geschäftsführerin, ***** vertreten durch Dr.Franz J.Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (S 150.000,--), Widerruf (S 150.000,--), Veröffentlichung (S 30.000,--) und Zwischenantrages auf Feststellung (S 80.000,--), im Revisionsverfahren nur mehr wegen Unterlassung und Widerruf, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18.März 1994, GZ 33 Ra 5/94-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5.März 1993, GZ 18 Cga 1565/92-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, daß es im Punkt 1 des Spruches des erstgerichtlichen Urteils statt "am 23.1.1992 bzw am 23.1.1992" zu heißen hat: "am 23.1.1992 bzw am 24.1.1992".

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.725,-- (darin S 2.287,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 2.1.1978 bei der H***** Gesellschaft mbH (kurz H*****) als Angestellter beschäftigt. Die Beklagte ist Geschäftsführerin dieser Gesellschaft. Am 4.4.1991 wählten die Dienstnehmer der H***** einen gemeinsamen Betriebsrat. Die Gesellschaft unterließ es, diese Wahl innerhalb der Monatsfrist des § 59 Abs 2 ArbVG anzufechten, machte aber zu 23 Cga 54/92 des Erstgerichts Nichtigkeit geltend. Ihre Klage wurde durch die bestätigende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 28.4.1993, 9 ObA 74/93, rechtskräftig abgewiesen. Am 22.5.1991 hatte der Betriebsrat bereits gemäß § 117 Abs 1 ArbVG und § 32 Abs 2 BRGO beantragt, den Kläger als Mitglied des Betriebsrats ab 1.6.1991 unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeitsleistung freizustellen.

Am 30.1.1992 wurde der Kläger entlassen. Am 5.2.1992 richtete die Beklagte an die Abteilungsleiter und Abteilungsleiterstellvertreter eine vom Beklagtenvertreter formulierte "interne Mitteilung" folgenden Inhalts:

"Betrifft: Entlassung von Peter P*****.

Am 30.1.1992 erfuhr die Geschäftsleitung, daß P.P***** am 23.1.1992 seinen Arbeitsplatz unter Betätigung der Stechuhr verlassen hat, aber Stunden später zurückgekommen ist, ohne hiebei die Stechuhr zu betätigen. Am nächsten Tag hat er die Urkunde über die Zeiterfassung derart gefälscht, so daß er sich hiedurch betrügerisch eine Lohnzahlung für eine Zeit erschwindelt hat, die er nicht an seinem Arbeitsplatz verbrachte, sondern in einem Gasthaus außerhalb des Betriebes.

P.P***** hat sich hiedurch des Betruges und der Urkundenfälschung schuldig gemacht. Das Strafgesetz sieht hiefür ganz empfindliche Strafen vor".

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der Beklagten es zu unterlassen, insbesondere durch interne Mitteilungen an Mitarbeiter zu behaupten, daß er sich am 23.1.1992 bzw 24.1.1992 betrügerisch eine Lohnzahlung erschwindelt habe, und die Beklagte schuldig zu erkennen, diese Behauptung gegenüber den Abteilungsleitern und Abteilungsleiterstellvertretern durch eine schriftliche Mitteilung zu widerrufen. Weiters stellte der Kläger ein Veröffentlichungsbegehren.

Nach dem Beschluß und Antrag des Betriebsrats auf Freistellung habe die H***** eine Dienstanweisung erlassen, in der sie die Voraussetzungen für eine Freistellung bestritten und dem Kläger für den Fall des Nichtantritts des Dienstes die Entlassung angedroht habe. Der Kläger habe unter dem Eindruck dieser Drohung und über Empfehlung des Betriebsrats seine Tätigkeit zwar zunächst fortgesetzt, aber niemals auf seinen Freistellungsanspruch, den er aufgrund des Beschlusses des Betriebsrates erworben habe, verzichtet. Es könne daher keine Rede davon sein, daß er sich betrügerisch eine Lohnzahlung für eine Zeit erschwindelt habe, für die er keinen Entlohnungsanspruch gehabt habe. Abgesehen davon wäre sein Fernbleiben vom Dienst am 23.1.1992 auch durch einen Freistellungsanspruch gemäß § 116 ArbVG gerechtfertigt gewesen. Die H***** habe jedoch ohne Rücksprache die "an den Haaren herbeigezogene" Entlassung ausgesprochen und die Beklagte das inkriminierte Rundschreiben ausgesandt. Der zu Unrecht erhobene Vorwurf sei einem breiten Personenkreis (mindestens 20 Personen) zur Kenntnis gelangt, stehe im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit (Entlassung) und gefährde den Erwerb des Klägers.

Die Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Sie wandte - für das Revisionsverfahren noch wesentlich - ein, daß der Kläger zu Recht entlassen worden sei. Der Kläger habe bereits am 12.2.1991 den Betrieb ohne Betätigung der Stechuhr verlassen, um sich Essen zu besorgen. Er sei verwarnt und für den Wiederholungsfall mit der Entlassung bedroht worden. Am 23.1.1992 habe er den Betrieb um 14,43 Uhr verlassen. Er habe sich dann mit einem ehemaligen Angestellten bis zumindest 17 Uhr in einem Gasthaus aufgehalten. Auf dem EDV-Ausdruck sei nur ersichtlich gewesen, daß der Kläger seinen Arbeitsplatz wiederum um 19,57 Uhr verlassen habe, ohne daß erkenntlich gewesen wäre, wann der Kläger in den Betrieb zurückgekommen sei. Es sei zum Ausdruck einer sogenannten Fehlerliste gekommen, auf welcher der Kläger handschriftlich "15,10 Uhr - kommt nach Pause" als Zeitpunkt seiner Rückkehr eingetragen habe. Der Kläger habe unter Zugrundelegung von 167 Arbeitsstunden pro Monat ein monatliches Gehalt von S 38.825,-- bezogen. Durch die Vortäuschung einer nicht erbrachten Arbeitszeit von zwei Stunden sei der H***** ein Schaden von S 464,98, unter Berücksichtigung der Lohnnebenkosten ein solcher von rund S 880,-- erwachsen.

Durch diese Falschbeurkundung in der Absicht, sich für eine nicht erbrachte Arbeitsleistung Entgelt zahlen zu lassen, habe der Kläger das Tatbild des Betruges verwirklicht. Der Kläger könne sich dazu nicht auf seinen Freistellungsanspruch berufen. Der Betriebsrat der H***** habe zwar am 22.5.1991 einen Antrag auf Freistellung des Klägers ab 1.6.1991 gemäß § 117 Abs 1 ArbVG übermittelt, doch sei die Effektuierung der Freistellung nach den Erklärungen des Betriebsrats und des Klägers bis 1.2.1992 aufgeschoben und zurückgestellt worden. Bei der Mitteilung vom 5.2.1992 handle es sich um ein rein internes Schreiben, das den Zweck gehabt habe, die Abteilungsleiter und deren Stellvertreter vom Grund der Entlassung des Klägers zu benachrichtigen. Obwohl nicht vorgesehen gewesen sei, daß dieses Schreiben in dritte Hände gelange, habe es der Kläger durch Mißbrauch eines unbekannten Dienstnehmers erhalten. Die genaue Anzahl der angeschriebenen Personen könne zwar nicht angegeben werden, doch handle es sich bei den Adressaten jedenfalls um mehr als eine Person. Die in der Mitteilung vertretene Rechtsauffassung sei überdies zutreffend.

Das Erstgericht gab dem Begehren auf Unterlassung und Widerruf statt. Das Mehrbegehren auf Veröffentlichung des Urteilsspruches und den Zwischenantrag der Beklagten auf Feststellung, daß die Betriebsratswahl und die Konstituierung des Betriebsrats nichtig sei, wies es rechtskräftig ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Nach der Antragstellung des Betriebsrats gemäß § 117 Abs 1 ArbVG vom 22.5.1991, den Kläger ab 1.6.1991 von seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Entgelts freizustellen, erteilte die Beklagte am 23.5.1991 dem Kläger eine "Dienstanweisung", in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Freistellung des Klägers (ohne nähere Begründung) bestritt und ihn aufforderte, seine Dienstleistungen auch über den 31.5.1991 hinaus weiter zu erbringen, widrigenfalls er mit einer Entlassung zu rechnen habe. Der Kläger lehnte die Unterzeichnung dieser Anweisung ab. Die Gewerkschaft der Privatangestellten protestierte am 27.5.1991 gegen die Dienstanweisung, weil die Behauptung der Beklagten, die begehrte Freistellung sei wirkungslos, unrichtig sei; die Weisung an den Kläger, weiterhin seine Dienstleistungen zu erbringen, sei unzulässig. Die H***** wurde aufgefordert, dem Betriebsrat ab 1.6.1991 ein Büro zur Verfügung zu stellen.

Am 31.5.1991 richtete der Betriebsrat ein Schreiben an die Geschäftsleitung mit folgendem Inhalt:

"Aufgrund des Ersuchens der Geschäftsleitung, im Hinblick auf die Personalsituation in der EDV (Urlaubszeit) und der von den anwesenden Geschäftsleitungsmitgliedern in Aussicht gestellten Verbesserungen, hat der Betriebsrat Herrn P***** empfohlen, seine Dienste vorläufig wie bisher zu erbringen.

Es wird aber ausdrücklich festgehalten, daß aus dieser Vorgangsweise kein Verzicht auf den grundsätzlichen Freistellungsanspruch abgeleitet werden kann."

Mit Schreiben vom 9.1.1992 an die Geschäftsleitung zog der Betriebsrat seine "Empfehlung" an den Kläger mit Wirkung vom 1.2.1992 zurück, weil die Umstellungsphase in der EDV nunmehr abgeschlossen sei. Die Beklagte reagierte darauf mit einem Schreiben vom selben Tag. Sie bestritt darin weiterhin den Freistellungsanspruch des Klägers, bezog sich auf ihre Dienstanweisung vom 23.5.1991 und drohte für den Fall des Fernbleibens des Klägers von der Arbeit mit den dort angekündigten Konsequenzen. Der Kläger verweigerte die Annahme dieses Schreibens. Daraufhin wurde ihm dieses Schreiben mit einem weiteren Schreiben vom 10.1.1992, das ebenfalls von der Beklagten gefertigt ist, übermittelt. Dieses Schreiben endet mit dem Satz "Wir behalten uns vor, Ihre Weigerung, an Sie gerichtete Dienstanweisungen der Geschäftsleitung entgegenzunehmen, als Entlassungsgrund geltend zu machen."

Mit Schreiben vom 14.1.1992 ersuchte der Betriebsrat die Geschäftsleitung um Mitteilung und Aufklärung, warum die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds rechtswidrig sein sollte.

Am 23.1.1992 wollte der Kläger seinen Freistellungsanspruch demonstrieren. Er betrat um 12,06 Uhr den Betrieb und verließ diesen wieder um 14,43 Uhr. Er kehrte erst um 17,45 Uhr zurück, unterließ es aber, sein Eintreffen zu stempeln. Ihm war bekannt, daß der Zeiterfassungscomputer bei einem zweimaligen Verlassen des Betriebes ohne zwischenzeitliche Wiederkehr eine Fehlerliste auswarf. In solchen Fällen war es Übung, daß sich der zuständige Prokurist an den betreffenden Dienstnehmer wandte und die Ursache des Fehlers in die Liste eintrug. Der Kläger stempelte erst wieder beim neuerlichen Verlassen des Betriebes um 19,57 Uhr als "gehend". Um zu dokumentieren, daß er sich nach der unbezahlten Mittagspause von 14,43 Uhr bis 15,10 Uhr "wieder im Dienst" - gemeint als freigestelltes Betriebsratsmitglied - befunden habe, trug der Kläger am nächsten Tag handschriftlich in die Kommtspalte "15,10" und in die Bemerkungsspalte der Fehlerliste "kommt nach Pause" ein.

Das Schreiben der Beklagten vom 5.2.1992 wurde den Adressaten übermittelt. Ihre genaue Zahl ist zwar nicht feststellbar, es handelt sich aber jedenfalls um mehr als eine Person. Der Kläger wurde zu Hause angerufen und über den Inhalt des Schreibens informiert. Er gibt aber seine Informanten nicht preis.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß von einer Nichtigkeit der Wahl des Betriebsrats keine Rede sein könne, zumal auch die sofortige Wahl eines gemeinsamen Betriebsrats diese nicht nichtig, sondern nur anfechtbar gemacht habe. Die Anfechtungsfrist gemäß § 59 ArbVG sei aber von der H***** versäumt worden. Der Kläger sei daher ein wirksam freigestelltes Mitglied des Betriebsrats gewesen. Soweit er aus Gefälligkeit dem Unternehmen gegenüber ohne gesetzliche Verpflichtung dennoch Dienstleistungen erbracht habe (Umstellung der EDV), habe er weder ausdrücklich noch schlüssig (§ 863 ABGB) auf seinen grundsätzlichen Freistellungsanspruch verzichtet. Es sei daher unerheblich, aus welchen Gründen der Kläger am 23.1.1992 außerhalb des Betriebs gewesen sei, da ihn keine Arbeitspflicht getroffen habe.

Hätte sich die Beklagte auf die Mitteilung beschränkt, daß der Kläger wegen unbefugter Entfernung vom Arbeitsplatz entlassen worden sei, wäre dagegen aus dem Blickwinkel des § 1330 ABGB nichts einzuwenden. Die Beklagte habe dem Kläger aber vorgeworfen, daß er die gerichtlich strafbaren Handlungen des Betrugs und der Urkundenfälschung begangen habe. Diese Ausführungen seien Tatsachenbehauptungen im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB, die wegen der drastischen Ausdrucksweise über eine ungeschickte Formulierung oder die Verbreitung von Vermutungen weit hinausgingen. Es sei auch Wiederholungsgefahr gegeben, weil die Situation (heftiger Arbeitskampf zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat) durch die Uneinsichtigkeit der Beklagten so emotionell überfrachtet sei, daß es geradezu wahrscheinlich sei, daß die Beklagte über Anraten ihres Rechtsfreundes weitere Anschuldigungen nach Art des Rundschreibens erheben werde. Schon die in der Mitteilung vom 5.2.1992 vertretene Rechtsansicht widerspreche Lehre und Judikatur; es liege daher nahe, daß der rechtsirrige Standpunkt aufrecht erhalten werde. Das Recht auf Widerruf bestehe bereits bei Gefährdung. Der Widerruf habe in gleich wirksamer Form zu erfolgen wie die Tatsachenbehauptung. Die in der Klage beanstandeten Mitteilungen seien ausdrücklich als unwahr zu bezeichnen. Hinsichtlich der weiteren Verbreitung dieser Behauptungen sei der Kläger den Beweis schuldig geblieben, weil er seine Informanten aus verständlichen Gründen nicht nennen wolle. Das Veröffentlichungsbegehren sei daher abzuweisen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung; es sprach überdies aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, den Betrag von S 50.000,-- übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und vertrat die Rechtsauffassung, daß die Freistellung des Klägers mit dem Antrag des Betriebsrats gemäß § 117 Abs 1 ArbVG iVm § 32 Abs 2 BRGO wirksam geworden sei. § 117 ArbVG habe zwingenden betriebsverfassungsrechtlichen Charakter; seine Anwendung könne weder durch Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarung aufgehoben werden. Da im Betrieb der H***** unbestritten mehr als 150 Arbeitnehmer beschäftigt seien, sei es offen geblieben, worauf die H***** ihre Bestreitung des Freistellungsanspruches eigentlich gründe; sie habe allfällige Gründe dafür nicht bekanntgegeben. Auch wenn der Betriebsrat dem Kläger mit dem Schreiben vom 31.5.1991 "empfohlen" habe, seine Dienste vorläufig wie bisher zu erbringen, habe er ausdrücklich festgehalten, daß aus dieser Vorgangsweise kein Verzicht auf den grundsätzlichen Freistellungsanspruch des Klägers abgeleitet werden könne. Da die Arbeitspflicht des Klägers dadurch in ihrem gesamten Umfang weggefallen sei, sei auch eine Arbeitsversäumnis durch ihn nicht mehr denkbar gewesen. Die H***** habe kein Recht gehabt, das freigestellte Betriebsratsmitglied hinsichtlich der Einhaltung einer Arbeitszeit zu kontrollieren. Sie sei vielmehr verpflichtet gewesen, das Entgelt des Klägers so fortzuzahlen, als ob er gearbeitet hätte. Der Kläger habe sich daher gar keine Lohnzahlung betrügerisch erschwindeln können. Dem Kläger fehle folglich jede Schädigungsabsicht. Der Beklagten sei andererseits der Wahrheitsbeweis für ihre Behauptungen nicht gelungen. Sie hätte darüber hinaus die Unrichtigkeit der von ihr verbreiteten Tatsachen schon aus der Korrespondenz mit dem Betriebsrat kennen müssen.

In der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe sich betrügerisch eine Lohnzahlung für eine Zeit erschwindelt, die er nicht an seinem Arbeitsplatz verbracht habe, sei jedenfalls eine Tatsachenbehauptung im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB enthalten, weil diese Behauptung objektiv überprüfbar sei. Zugleich stelle diese Behauptung aber auch eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB dar, die in ihrem Angriff auf den wirtschaftlichen Ruf auch noch ein Werturteil über die sittliche Qualität des Klägers beinhalte. Es wäre an der Beklagten gelegen, den Wegfall der Wiederholungsgefahr zu beweisen. Dieser Beweis sei ihr mißlungen, zumal sie auf dem Standpunkt beharre, daß ihr Vorgehen rechtmäßig gewesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werden. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nichtigkeit einer Betriebsratswahl kann nur dann angenommen werden, wenn über die Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen oder leitender Wahlrechtsgrundsätze hinaus die elementarsten Grundsätze einer Wahl außer acht gelassen wurden, so daß der betreffende Vorgang, der nicht einmal die Merkmale einer Wahl aufweist, nur mehr als "Zerrbild" einer Wahl bezeichnet werden kann (vgl Arb 10.866 mwH uva). Davon konnte aber bei der Wahl des gemeinsamen Betriebsrats der H***** nicht die Rede sein (9 ObA 74/93). Soweit bei dieser Wahl Verfahrensbestimmungen nicht beachtet wurden, ist dies für die Wirksamkeit der Betriebsratswahl vom 4.4.1991 unerheblich, weil der Betriebsinhaber eine Anfechtung der Wahl gemäß § 59 Abs 2 ArbVG unterlassen hat. Der Betriebsrat der H***** konnte sich daher rechtswirksam konstituieren.

Gemäß § 117 Abs 1 ArbVG besteht in Betrieben mit mehr als 150 Arbeitnehmern ein Recht des Betriebsrats darauf, daß ein Mitglied des Betriebsrats von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Entgelts freigestellt wird. Die Verpflichtung des Betriebsinhabers zur Freistellung und zur Fortzahlung des Entgelts steht unter der Strafsanktion des § 160 Abs 1 ArbVG. Dem Betriebsinhaber kommt weder eine Prüfung, ob die Freistellung auch erforderlich ist noch ein Einfluß auf die Auswahl des freigestellten Betriebsratsmitglieds zu. Da die Bestimmungen des § 117 ArbVG zwingenden betriebsverfassungsrechtlichen Charakter haben, hätte ihre Anwendung entgegen der Ansicht der Revisionswerberin auch durch Vereinbarung mit dem Kläger nicht aufgehoben werden können. Vereinbarungen über die zu leistende Entgeltfortzahlung waren daher nur insoweit zulässig, als sie eine bloß rechnerische Erleichterung der Ermittlung darstellten (vgl Floretta in Floretta/Strasser, HandkommzArbVG § 117 Erl 4.4 ff).

Daraus folgt, daß die Freistellung des Klägers aufgrund der am 22.5.1991 erfolgten Mitteilung des Betriebsrats gemäß § 117 Abs 1 ArbVG iSd § 32 Abs 2 BRGO mit 1.6.1991 rechtswirksam wurde. Unabhängig davon, ob die Beklagte diese betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen zur Kenntnis nahm, kam es dadurch zu einem Ruhen der Arbeitspflicht des Klägers im gesamten Umfang und die H***** hatte ihm im Sinne des Ausfallsprinzips jenes Entgelt (einschließlich der mutmaßlichen Überstunden) weiterzuzahlen, das ihm ohne Freistellung gebührt hätte. Der Beklagten kam keinerlei Recht mehr zu, den Kläger hinsichtlich von "Arbeitsversäumnissen" zu kontrollieren (vgl Cerny in Cerny/Haas-Laßnigg/B.Schwarz, ArbVG Bd 3 § 117 Erl 4 f; Floretta/Strasser, ArbVG2 § 117 Anm 4). Ihre "Dienstanweisung" vom 23.5.1991 war demnach rechtswidrig.

Ein freigestelltes Mitglied des Betriebsrats kann zwar auf Beschluß des Betriebsrats abberufen und durch ein anderes Mitglied ersetzt werden (§ 32 Abs 1 BRGO), doch ist dem Schreiben des Betriebsrats vom 31.5.1991 entgegen der Ansicht der Revisionswerberin keine solche Abberufung des Klägers zu entnehmen. Der Betriebsrat wies vielmehr ausdrücklich darauf hin, daß aus der im übrigen an den Kläger gerichteten "Empfehlung", die Dienste weiterhin zu erbringen, kein Verzicht auf den grundsätzlichen Freistellungsanspruch (des Klägers) abgeleitet werden könne. Soweit dieser im Hinblick auf die Personalsituation in der EDV aus Entgegenkommen weiterhin Dienstleistungen erbrachte, leistete er diese daher freiwillig, ohne arbeitsvertraglich dazu verpflichtet zu sein. Auch der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts erfuhr dadurch keine Änderung. Das Schreiben der Beklagten vom 9.1.1992 war sohin ebenso rechtswidrig wie die "Dienstanweisung" vom 23.5.1991. Darauf wurde die Beklagte sowohl durch den Protest der Gewerkschaft der Privatangestellten vom 27.5.1991 als auch durch das Schreiben des Betriebsrats vom 14.1.1992, das nach den Feststellungen allerdings keine Reaktion auslöste, hingewiesen. Die Beklagte kann sich daher nicht damit entschuldigen, sie habe die Anschuldigungen aufgrund einseitiger Information für richtig halten können. Der Kläger hatte sich folglich bei Erbringung seiner freiwilligen Dienstleistungen für die H***** weder an- noch abzumelden; sein Entlohnungsanspruch bestand unabhängig vom Betätigen der Stechuhr (vgl Floretta aaO § 117 Erl 4.3). Soweit die Zeiterfassung bloß einer rechnerischen Erleichterung der ohnehin geschuldeten Entgeltfortzahlung dienen sollte, kam ihr keine darüber hinausgehende Bedeutung zu.

Der Kläger hatte daher auch am 23.1.1992 einen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die gesamte Arbeitszeit, das ihm schon aufgrund des Ausfallsprinzips gebührte. Der Vorwurf der Beklagten vom 5.2.1992, der Kläger habe die Urkunde über die Zeiterfassung derart gefälscht, daß er sich hiedurch betrügerisch eine Lohnzahlung für eine Zeit erschwindelt habe, die er nicht an seinem Arbeitsplatz verbracht habe, ist demnach völlig haltlos und entspricht der schon vorher zum Ausdruck gekommenen Einsichtslosigkeit der Beklagten, betriebsverfassungsrechtliche Gegebenheiten nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Die in der Revision aufrecht erhaltene Ansicht, dem Kläger hätte für die Zeit seiner Abwesenheit vom Betrieb kein Entgelt gebührt, ist jedenfalls unzutreffend.

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, enthält die verfahrensgegenständliche Mitteilung der Beklagten vom 5.2.1992 nicht nur eine üble Nachrede im Sinne des § 111 Abs 1 (iVm § 147 Abs 1 Z 1) StGB, sondern auch Tatsachenbehauptungen. In einem solchen Fall steht dem Verletzten das Wahlrecht zu, sich auf § 1330 Abs 1 oder Abs 2 ABGB zu stützen (WBl 1991, 106). Ist aber die Rufschädigung zugleich Ehrenbeleidigung, hat der Betroffene bezüglich der Ansprüche nach § 1330 Abs 2 ABGB nur die Tatsachenverbreitung zu beweisen. Die Richtigkeit der Tatsachen (Wahrheitsbeweis) bzw das Fehlen der (objektiven bzw subjektiven) Vorwerfbarkeit der unrichtigen Verbreitung hat der Täter zu beweisen (vgl Kletecka, Kreditschädigung und Wahrheitsbeweis, ecolex 1991, 310 f, 311; ecolex 1991, 312 = EvBl 1991/24 mwH). Die Beklagte hat sich nämlich nicht auf den Vorwurf beschränkt, der Kläger sei dem Arbeitsplatz unberechtigt ferngeblieben, sondern sie hat ausdrücklich behauptet, er habe sich durch Fälschung einer Urkunde betrügerisch eine Lohnzahlung erschwindelt (Arb 10.375). Nicht der des Betrugs bezichtigte Kläger (SZ 17/68) hätte daher die Unrichtigkeit dieses Vorwurfs beweisen müssen, sondern die Beklagte dessen Richtigkeit (vgl Reischauer in Rummel ABGB2, § 1330 Rz 6, 9 und 17 mwH). Diesen Beweis konnte sie aber nicht erbringen. Der Kläger hat sich weder eine Lohnzahlung "erschwindelt" noch ist ihm Bereicherungsvorsatz iSd § 146 StGB anzulasten, zumal er lediglich seinen zu Unrecht bestrittenen Freistellungsanspruch dokumentieren wollte und ihm die Entgeltfortzahlung ohnehin zustand.

Eine Mitteilung ist nur dann nicht öffentlich, wenn sie nach den Umständen des Falls als vertraulich anzusehen ist. Muß mit einer Weitergabe an außenstehende Personen gerechnet werden, ist diese Vertraulichkeit nicht mehr gegeben. Selbst eine "betriebsinterne" Äußerung gegenüber Personen, die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, ist nicht als vertraulich zu werten, wenn sie geeignet ist, den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen des Geschädigten zu gefährden (vgl ZAS 1980/1 mwH). Daß der Kläger in seinem Fortkommen erheblich beeinträchtigt ist, wenn er als Mitglied des Betriebsrats wegen betrügerischen Erschwindelns einer Lohnzahlung entlassen wird, liegt auf der Hand. Das Schreiben der Beklagten vom 5.2.1992, das den Kläger zum Urkundenfälscher und Betrüger stempelt, ist zwar als "interne Mitteilung" bezeichnet, aber an sämtliche Abteilungsleiter und deren Stellvertreter gerichtet, so daß schon wegen der Brisanz des Inhalts und des schwelenden Zwistes der Geschäftsführung mit dem Betriebsrat von vorneherein die Wahrscheinlichkeit bestand, daß es nicht nur bei den genannten Adressaten verbleiben werde. Die bloße Bezeichnung "interne Mitteilung" kann daher dem Begriff "vertraulich" nicht gleichgesetzt werden. Die Beklagte mußte vielmehr in einem Betrieb mit rund 170 Arbeitnehmern mit einer Verbreitung der Anschuldigungen rechnen. Das war offensichtlich auch der Fall, zumal der Kläger von nicht preisgegebenen Informanten unverzüglich vom Inhalt des Schreibens informiert wurde.

Abgesehen davon kann sich die Beklagte auch nicht auf § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB berufen, daß nämlich ein berechtigtes Interesse ihrerseits oder der Empfänger an der Mitteilung vorgelegen habe (vgl Reischauer aaO § 1330 Rz 25 mwH). Wie schon das Erstgericht zutreffend ausführte, hätte es - wenn überhaupt erforderlich - völlig genügt, die unterstellten Abteilungsleiter objektiv über die Entlassung des Klägers zu informieren. Für die betrieblichen Belange war es unerheblich, noch dazu fälschlich zu behaupten, der Kläger habe sich betrügerisch eine Lohnzahlung erschwindelt. Dieser zusätzliche Vorwurf ginge selbst bei einem begründeten Zweifel über die betriebsverfassungsrechtliche Rechtslage bei weitem über eine sachbezogene Information und ein berechtigtes Interesse hinaus.

Da das Rechtsgut Ehre ein absolutes Recht ist, steht schon bei der Gefährdung dieses Rechtsgutes, sofern kein Eingriffsrecht gegeben ist, ein verschuldensunabhängiger Unterlassungsanspruch zu (Reischauer aaO § 1330 Erl 4 und 23; EvBl 1991/24). Die für den Erfolg einer Unterlassungsklage geforderte Wiederholungsgefahr ergibt sich bereits daraus, daß die Beklagte ihre Unterlassungspflicht weiterhin bestreitet und weiterhin darauf beharrt, der Kläger habe sich die Zahlung nicht erbrachter Arbeitsleistungen erschwindelt (ZAS 1980/1 mwH). Daß sie sich eines besseren besonnen hätte, ist nicht hervorgekommen. Der Revisionswerberin kann auch darin nicht beigepflichtet werden, daß dem Unterlassungsbegehren die erforderliche Determination fehle und das Begehren auf Widerruf unbegründet sei. Abgesehen davon, daß sich das Unterlassungsbegehren darauf beschränkt, dieselbe rufschädigende Behauptung nicht neuerlich aufzustellen, darf ein solches Begehren eine gewisse allgemeine Fassung haben, um der Beklagten die Möglichkeit zu nehmen, sich dem Verbot durch geringfügige Änderung ihrer Äußerung zu entziehen (vgl Reischauer aaO § 1330 Rz 23 mwH). Dieses Begehren kann mit dem Begehren auf Widerruf kumuliert werden. Die von der Revisionswerberin dazu erhobenen Einwände gehen weder vom Sachverhalt (etwa Verzicht auf Freistellung) noch von der aufgezeigten Rechtslage aus. Die Form des Widerrufs entspricht der rufschädigenden Mitteilung, so daß dem Grundsatz, daß der Widerruf in gleich wirksamer Form zu geschehen hat wie die Verbreitung (SZ 64/36), Genüge getan ist (SZ 50/111 ua).

Da es sich bei der irrtümlich doppelten Anführung des 23.1.1992 in Punkt 1 des Spruches des erstgerichtlichen Urteils um einen offenbaren Schreibfehler handelt, war dieser zu berichtigen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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