Spruch:
Das Oberlandesgericht Wien hat dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zum Zwecke der von der klagenden Partei vorzunehmenden Akteneinsicht die Akten 25 Bs 563/83, 25 Bs 394/84 und 25 Bs 415/84 - ausschließlich der Beratungsprotokolle und aller damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden, die Willensbildung des Senats betreffenden Anträge (auch Entscheidungsentwürfe), Stellungnahmen und Äußerungen von Senatsmitgliedern - zu übersenden.
Text
Begründung
Bereits am 10.3.1988 beantragte der Kläger die Beischaffung der Akten 25 Bs 563/83 und 25 Bs 415/84, jeweils des Oberlandesgerichtes Wien, zum Beweis für ein von ihm erstattetes Vorbringen (S.5 des Schriftsatzes ON 16 = AS 57). Mit Schriftsatz vom 20.5.1988 begehrte er zusätzlich die Beischaffung des Aktes 25 Bs 394/84 des Oberlandesgerichtes Wien (S.2 und 3 des Schriftsatzes ON 18 = AS 64 f).
Das Landesgericht für ZRS Graz verfügte die Beischaffung der genannten Akten (ON 19). Daraufhin übermittelte das Oberlandesgericht Wien am 7.10.1988 dem Landesgericht für ZRS Graz jeweils Ablichtungen der in den vorhin genannten Akten erliegenden Entscheidungen, wobei auf der Entscheidung zu 25 Bs 563/83 der Abstimmungsvermerk aufscheint (ON 21 und 22).
Mit Schriftsatz vom 25.7.1989 wiederholte der Kläger die bereits gestellten Anträge auf Beischaffung der vorhin genannten Akten des Oberlandesgerichtes Wien (S.2 des Schriftsatzes ON 37 = AS 158).
In der Tagsatzung vom 27.9.1993 rügte der Kläger, daß nicht die Originalakten des Oberlandesgerichtes Wien beigeschafft worden seien, denn aus diesen könne er das rechtswidrige Handeln von Organen der Beklagten beweisen (S.2 des genannten Protokolls = AS 255).
Am 4.10.1993 verfügte das Landesgericht für ZRS Graz die Beischaffung der vorhin genannten Strafakten des Oberlandesgerichtes Wien im Original (AS 289). Diesem Ersuchen entsprach das Oberlandesgericht Wien nicht. Es teilte mit, daß die Akten vor allem aus den Urschriften der Rechtsmittelentscheidungen, das seien die Entwürfe des Berichterstatters, bestünden, die aufgrund der Abstimmung allenfalls abgeändert und verbessert worden seien; sie enthielten überdies einen Abstimmungsvermerk. Damit unterlägen sie dem Beratungsgeheimnis und seien der Akteneinsicht durch Parteien entzogen. Über Antrag könnten lediglich Kopien der Übersendungsschreiben an die Oberstaatsanwaltschaft und deren Stellungnahmen übermittelt werden (ON 71).
Mit Schriftsatz vom 14.11.1994 beantragte der Kläger zusätzlich die Beischaffung des Aktes 25 Bs 128/84 des Oberlandesgerichtes Wien (S.2 des Schriftsatzes ON 88 = AS 364).
Mit Beschluß vom 17.11.1994 wies das Landesgericht für ZRS Graz den Antrag des Klägers, vom Oberlandesgericht Wien nochmals die Beischaffung der Akten 25 Bs 563/83, 25 Bs 394/84 und 25 Bs 415/84, jeweils im Original unter Anschluß aller Aktenstücke, einschließlich jener, für die ein Beratungsgeheimnis gilt, zu verfügen, mit der Begründung zurück, daß die entscheidungswesentlichen Teile der angeführten Akten bereits beim gegenständlichen Akt erlägen (ON 89).
Gegen diesen Beschluß erhob der Kläger Widerspruch mit dem Antrag, es möge die Beischaffung der genannten Akten des Oberlandesgerichtes Wien im Original angeordnet werden (ON 90).
Das Landesgericht für ZRS Graz hob den angefochtenen Beschluß auf und legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung des Oberlandesgerichtes Wien, die zuvor genannten Strafakten jeweils im Original unter Anschluß aller Aktenstücke zu übersenden, vor.
Rechtliche Beurteilung
Das Ersuchen um Übersendung von Akten für Beweiszwecke ist als Rechtshilfeersuchen im Sinne des § 37 JN zu beurteilen. Im Wege der analogen Anwendung des § 47 JN hat über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Rechtshilfeersuchens das dem ersuchenden und ersuchten Gericht zunächst übergeordnete gemeinsame höhere Gericht - im vorliegenden Fall der Oberste Gerichtshof - zu entscheiden (SZ 57/161).
Die Weigerung des Oberlandesgerichtes Wien, die Akten 25 Bs 563/83, 25 Bs 394/84 und 25 Bs 415/84 dem Landesgericht für ZRS Graz zum Zwecke der Akteneinsicht durch den Kläger zu übersenden, ist nur zum Teil berechtigt.
Die Gewährung von Akteneinsicht ist für die „bürgerlichen Rechtssachen“ im § 219 ZPO sowie im § 170 Geo geregelt. Hinsichtlich der Einsichtnahme in Strafakten finden sich mehrere Bestimmungen in der StPO (insbesondere deren §§ 45 und 82) sowie ebenfalls im § 170 Geo. Allen diesen Bestimmungen ist gemeinsam, daß grundsätzlich einer Partei (bzw einem Beschuldigten, Verurteilten oder dessen Verteidiger) Akteneinsicht zu gewähren ist, ausgenommen in die Protokolle über Beratungen (Jus Extra 1993/1292). Den Beratungsprotokollen sind alle mit ihnen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden, die Willensbildung des Senats betreffenden Anträge, Stellungnahmen und Äußerungen von Senatsmitgliedern gleichzuhalten (12 Os 94, 95/89; ÖJZ-LSK 1980/116; EvBl 1963/142), solche sind also ebenfalls von der Akteneinsicht ausgenommen. Zu diesen „die Willensbildung des Senats betreffenden Anträgen“ gehört auch der Entscheidungsentwurf des Berichterstatters, denn letzterer stellt aufgrund des von ihm verfaßten Entwurfs den Antrag, der die Willensbildung des Senats zur Folge hat. Die Einsichtnahme in jene Aktenstücke, für die „ein Beratungsgeheimnis gilt“, ist dem Kläger sohin nicht zu gestatten. Daran kann auch die vom Kläger zitierte Bestimmung des § 13 AHG nichts ändern, denn in dessen Abs.1 wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß im Amtshaftungsverfahren weder das Organ noch die als Zeugen oder Sachverständigen zu vernehmenden Personen zur Wahrung des Amtsgeheimnisses verpflichtet sind. Dadurch wird nicht zum Ausdruck gebracht, daß das durch Gesetze eingeschränkte Recht einer Partei auf Akteneinsicht die vom Kläger gewünschte Erweiterung im Sinne einer Gewährung der Akteneinsicht auch in Beratungsprotokolle, Urteilsentwürfe etc. zur Folge hätte.
Das Oberlandesgericht Wien hat mit Schreiben vom 21.10.1993 (ON 71) mitgeteilt, daß die angeforderten Akten vor allem aus den Urschriften der Rechtsmittelentscheidungen bestünden und einen Abstimmungsvermerk enthielten. Es wird im letzten Absatz dieses Schreibens ausdrücklich zugestanden, daß weitere Aktenbestandteile (Übersendungsschreiben etc.) vorhanden sind. Diese Aktenbestandteile sind aber nicht von der Akteneinsicht ausgenommen, weshalb das Oberlandesgericht Wien die im Spruch der Entscheidung genannten Akten - nach Entfernung der von der Akteneinsicht ausgenommenen Aktenbestandteile - dem Landesgericht für ZRS Graz zu übersenden hat.
Hinsichtlich des Aktes 25 Bs 128/84 des Oberlandesgerichtes Wien wird der Vollständigkeit halber ausgeführt, daß diesbezüglich noch kein Rechtshilfestreit, über welchen der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hätte, besteht.
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