OGH 7Ob33/94

OGH7Ob33/9421.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma C***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei D***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Johann Paul Cammerlander ua Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 50.448,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 12.April 1994, GZ 1 R 168/94-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 30.Dezember 1993, GZ 26 C 331/93-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist bei der beklagten Partei betriebshaftpflichtversichert. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen und Ergänzenden Bedingungen für die Haftpflichtversicherung 1986 (AHVB und EHVB 1986) zugrunde. Nach Art.7 (Ausschlüsse vom Versicherungsschutz) Punkt 1.1 fallen Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel nicht unter den Versicherungsschutz. Nach Art.7.8.2 erstreckt sich die Versicherung nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an beweglichen Sachen, die bei oder infolge ihrer Benützung, Beförderung, Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihnen entstehen.

Die klagende Partei erhielt seitens des Bauherrn W***** KG den Auftrag, im September 1992 im Bauvorhaben "N*****" in I***** Cottofliesen zu verlegen. Die von der klagenden Partei gelieferten Fliesen lagerten auf der Baustelle wegen der beengten Raumverhältnisse neben Fliesen der Firma R*****, die ebenfalls Fliesenverlegerarbeiten durchführen sollte. Der bei der klagenden Partei als Fliesenleger beschäftigte Dragan S***** verlegte nach den Anweisungen des Geschäftsführers der klagenden Partei irrtümlich die Fliesen der Firma R*****. Er war der Überzeugung, daß es sich hiebei um die Cottofliesen der klagenden Partei handle. Weder für ihn noch für den Geschäftsführer der klagenden Partei war erkennbar, daß dort zwei verschiedene Sorten von Fliesen und die doppelte Menge der tatsächlich benötigten Fliesen gelagert waren. Am nächsten Tag wurde der Geschäftsführer der klagenden Partei vom Bauherrn auf den Irrtum hingewiesen. Der Verkaufs- und Verlegepreis für die Fliesen der klagenden Partei beträgt S 800,-- pro Quadratmeter, der Einkaufspreis S 300,-- pro Quadratmeter. Die verlegte Fläche betrug 63,6 m2.

Die klagende Partei begehrte S 50.448,-- sA aufgrund der bestehenden Betriebshaftpflichtversicherung und behauptete, dies sei jener Schaden, der dadurch entstanden sei, daß der Boden zweimal zu verlegen gewesen sei und daher zweimal das entsprechende Material verbraucht worden sei. Der Betrag habe dem Auftraggeber aber nur einmal in Rechnung gestellt werden können.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung, weil die Ausschlußtatbestände des Art.7.1.1 und des Art.7.8.2 AHVB 1986 vorlägen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil es diese Ausschlüsse als gegeben ansah.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage vorliege, ob die Tätigkeitsklausel des Art.7.8.2 AHVB 1986 auch bei sogenannten Verwechslungsschäden zum Tragen komme. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Ansicht, daß es nach den hier maßgeblichen österreichischen Versicherungsbedingungen nicht darauf ankommen könne, ob Dragan S***** bei Durchführung der Arbeiten irrtümlich der Meinung gewesen sei, daß er Fliesen der klagenden Partei verlege. Die anderslautende deutsche Judikatur und Lehre zur Tätigkeitsklausel des § 4 I Z 6b AHB könne aufgrund des abweichenden Wortlautes insoweit nicht für die Auslegung der österreichischen Bedingungen herangezogen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach dem Inhalt des Klagebegehrens verlangt die klagende Partei jenen Schaden ersetzt, der ihr infolge der Erfüllung ihrer Gewährleistungspflicht gegenüber dem Auftraggeber entstanden ist. Hätten die zunächst verlegten Fliesen dem bestellten Werk entsprochen, hätte ja kein Grund bestanden, diese wieder zu entfernen und dadurch zu zerstören. Es kann keinen Unterschied machen, ob die klagende Partei bzw ihr Dienstnehmer "eigene" oder "fremde" Fliesen verlegen wollte, weil die klagende Partei auch dann gewährleistungspflichtig geworden wäre, wenn sie ihre eigenen, aber nicht der Bestellung entsprechenden Fliesen verlegt hätte. Es ist daher der Ausschlußtatbestand des Art.7.1.1 AHVB 1986 zumindest hinsichtlich des Werklohnes erfüllt.

Abgesehen davon umfaßt der von der beklagten Partei begehrte Ersatzbetrag offenbar auch jenen Schadensbetrag, den die klagende Partei der Firma R***** für die bei der ersten Verlegung verbrauchten Fliesen ersetzen mußte. Insoweit sahen die Untergerichte aber zu Recht den Ausschluß des Art.7.8.2 AHVB 1986 als gegeben an.

Der deutsche Bundesgerichtshof führte zwar in älteren Entscheidungen aus, daß die Ausschlußklausel der vergleichbaren Bestimmung des § 4 I 6b der deutschen AHB nicht anwendbar sei, wenn der Versicherungsnehmer (oder sein Dienstnehmer) der irrigen Vorstellung gewesen sei, daß es sich bei den Sachen, die er durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit beschädigt oder zerstört habe, um seine eigene Sache handle (VersR 1959, 491). Der Ausschlußtatbestand setze voraus, daß die Einwirkung auf eine fremde Sache bewußt und gewollt vorgenommen werde (VersR 1966, 434 und 625; so auch Bruck-Möller-Johanssen, VVG8 IV, 428 und Prölss-Martin VVG25 1115).

Wie jedoch das Gericht zweiter Instanz zutreffend ausführte, erscheint die Heranziehung der deutschen Judikatur und Lehre zum sogenannten Verwechslungsschaden schon deshalb problematisch, weil die deutsche Bestimmung ausdrücklich festlegt, daß es sich bei der beschädigten Sache, an der die Tätigkeit vorgenommen wurde, um eine fremde Sache handeln müsse. Die AHVB beinhalten dieses Adjektiv hingegen nicht. Auch wenn sich die Haftpflichtversicherung naturgemäß auf Fremdschäden bezieht, rechtfertigt doch der Wortlaut der österreichischen Bedingungen die enge Auslegung der Ausschlußklausel durch die zitierte deutsche Rechtsprechung und Lehre nicht. Diese wird im übrigen zutreffend von Apathy in JBl 1987, 77, FN 96, dahin kommentiert, daß es unter dem Gesichtspunkt der objektiven Risikoerhöhung infolge einer Tätigkeit an oder mit einer Sache nicht sehr einsichtig sei, daß der Ausschluß nicht greifen solle, wenn der Versicherungsnehmer meinte, an oder mit seiner eigenen Sache tätig zu sein. Daß eine Sache bei ihrer Benützung, Beförderung, Bearbeitung oder bei einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihr leichter beschädigt wird als ohne diese Einwirkung, ist die ratio der Ausschlußklausel des Art.7.8.2 AHVB. Das Benützungsrisiko ist dabei wohl im wesentlichen gleich, ob es sich nun um eine fremde oder um eine eigene Sache handelt. Diese Erwägung führt zum Ergebnis, daß der Risikoausschluß immer gelten muß, wenn eine Sache benützt wird, wobei es auf das Eigentum nicht ankommt (Apathy aaO, 78, JBl 1988, 385 = VersR 1989, 314).

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist unter einer "Tätigkeit" an einer Sache im Sinne des Ausschlußtatbestandes des Art.7.8.2 AHVB 1986 (und der entsprechenden Bestimmungen in den vorangehenden AHVB) eine bewußte und gewollte, auf einen bestimmten Zweck abgestellte, nicht nur zufällige Einwirkung auf eine Sache zu verstehen; bewußt und gewollt muß nicht die Schadenszufügung, sondern lediglich die Einwirkung auf die Sache sein (VR 1990/229 mwN). All diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Daß sich das Bewußtsein auch darauf erstrecken müsse, die Tätigkeit an einer fremden Sache zu entfalten, läßt sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der entsprechenden Bedingung entnehmen.

Bei der vorliegenden Fallkonstellation ist im übrigen zu bedenken, daß die Fliesen alleine durch die Verlegung zwar für die Firma R***** unbrauchbar, aber noch nicht zerstört, sondern zweckentsprechend verwendet wurden. Setzt man den Schadenseintritt mit der Entfernung der Fliesen, die letztlich erst zur Beschädigung führte, gleich (vgl VR 1987/83), die notwendig war, um den Auftrag vereinbarungsgemäß zu erfüllen, wäre auch nach der zitierten deutschen Rechtsprechung und Lehre der Ausschlußtatbestand erfüllt. In diesem Zeitpunkt war nämlich der klagenden Partei bzw deren Dienstnehmer bereits bewußt, daß es sich bei den zu entfernenden Fliesen um eine fremde Sache handelte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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