Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die im übrigen bestätigt werden, werden dahin abgeändert, daß die Exekution in das aufgrund allgemeiner Gütergemeinschaft der beklagten Partei mit Barend***** bestehende Gesamtgut gemäß Art 94 des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches zu erfolgen hat.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 32.317,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 5.386,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte und ihr Ehegatte Barend B***** sind niederländische Staatsbürger. Sie schlossen im Jahre 1950 in den Niederlanden die Ehe; eine Abweichung von der gesetzlichen Gütergemeinschaft nach niederländischem Recht vereinbarten sie nicht.
Im Jahre 1975 entschlossen sich die Ehegatten zum Erwerb der Liegenschaft EZ 813 Grundbuch G*****. Der Kaufvertrag wurde von der Beklagten geschlossen, weil sie Deviseninländerin war. Die Beklagte ist seit dem Jahre 1975 Alleineigentümerin dieser Liegenschaft und wohnt seit 1976 dort. Die Mittel für den Erwerb der Liegenschaft und den Bau des darauf errichteten Hauses stammen vom Ehegatten der Beklagten, indirekt teilweise von den Eltern der Beklagten.
Der Ehegatte der Beklagten wohnte hingegen weiterhin in den Niederlanden, wo er eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübte. Seit dem Ende der 60er-Jahre ist der Ehegatte der Beklagten Kreditnehmer der klagenden Partei, einer niederländischen Bank mit dem Sitz in Amsterdam. Einen ausständigen Saldo von hfl 638.403,53 sA machte die klagende Partei zunächst gegen den Ehegatten der Beklagten beim Landgericht Zwolle (Niederlande) geltend. Aufgrund dieser Klage erging am 22.Mai 1991 gegen den Ehegatten der Beklagten ein Säumnisurteil, das rechtskräftig ist.
Nach der Insolvenz seines Unternehmens verfügt der Ehegatte der Beklagten über kein nennenswertes Vermögen mehr. Die Ehe der Beklagten ist aufrecht.
Die klagende Partei begehrt, die Beklagte zur Zahlung von hfl 727.243,12, das sind zum Devisenmittelkurs vom 4.November 1993 4,552.541,93 S, bei Exekution zu verpflichten. Die klagende Partei stützt ihr Begehren auf die Kreditschuld des Ehegatten der Beklagten, das gegen ihn ergangene Säumnisurteil sowie auf die nach niederländischem Recht zwischen Ehegatten geltende Gütergemeinschaft.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte mangelnde passive Klagslegitimation ein, weil sie mit der klagenden Partei weder in Rechtsbeziehung gestanden sei noch eine Schuld oder eine Bürgschaft zugunsten ihres Ehegatten übernommen habe. Das Haus in G***** sei aus Eigenmitteln der Eltern der Beklagten errichtet worden und habe seit ca 20 Jahren der ausschließlichen Nutzung durch die Beklagte gedient. Der in den Niederlanden vorgesehene gesetzliche Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft mit seinen äußerst strengen haftungsrechtlichen Bestimmungen widerspreche weitestgehend den übrigen europäischen Rechtsvorschriften in diesem Bereiche und sei daher mit der Grundhaltung der österreichischen Rechtsordnung, wonach niemand für vertraglich von einem anderen eingegangene Schuldverpflichtungen zu haften habe, nicht in Einklang zu bringen. Selbst wenn dennoch niederländisches Ehegüterrecht zur Anwendung zu kommen habe, sei die Liegenschaft der Beklagten nicht in das Gesamtgut der Ehegatten einzuzbeziehen, sondern handle es sich beim Wohnhaus in G***** um einen Gegenstand höchstpersönlicher Natur, dessen besonderer Charakter der Einbeziehung in das Gesamtgut entgegenstehe.
Nach in Rechtskraft erwachsener Zurückweisung der von der Beklagten erhobenen Einreden der Unzuständigkeit und des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit gab das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es stellte neben dem oben wiedergegebenen, weitgehend unstrittigen Sachverhalt noch fest, daß der Saldo des aushaftenden Kredites per 5.November 1993 hfl 727.243,12 betrug. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Art 93 ff des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden seien, aus denen sich die Haftung der Beklagten für die Kreditschulden ihres Ehegatten ergebe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und meinte, daß die Beklagte nach inländischem Recht infolge der Gütergemeinschaft für die Schuld ihres Ehegatten persönlich mit ihrem gesamten Vermögen hafte. Eine Haftungsbeschränkung auf das Gesamtgut oder die Liegenschaft in G***** bestehe nicht. Diese Regelung verstoße nicht gegen ordre public.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den in Rede stehenden Bestimmungen des niederländischen Rechtes und ihren Einfluß auf die Fassung des Urteilsspruches fehlt.
Die Revision ist auch teilweise berechtigt.
Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden kann (NZ 1972, 93 ua).
Hingegen ist die Rechtsrüge der Beklagten teilweise berechtigt.
Da die Beklagte und ihr Ehegatte im Zeitpunkt der Eheschließung niederländische Staatsbürger waren und ihre Staatsbürgerschaft behalten haben, ist sowohl nach § 19 IPRG als auch dann, wenn man im Hinblick auf den Zeitpunkt der Eheschließung die Rechtslage vor Inkrafttreten des IPRG heranzieht (siehe Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts 9 und 213, insbesondere Anm 18), niederländisches Ehegüterrecht für die Lösung der Frage maßgeblich, ob und womit die Beklagte für die gegenständliche Kreditverbindlichkeit ihres Ehegatten haftet. § 19 iVm § 18 Abs 1 Z 1 IPRG verweist mangels Rechtswahl auf das gemeinsame Personalstatut der Ehegatten (vgl SZ 63/135). Nach der bis zum Inkrafttreten des IPRG bestehenden Rechtslage gab es keine international-privatrechtliche Regelung über den gesetzlichen Güterstand; als mögliche Anknüpfungspunkte kamen das nach § 7 der
4. DVO EheG allerdings nur für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebliche gemeinsame Personalstatut der Ehegatten, aber auch der gemeinsame Wohnsitz im Zeitpunkt der Eheschließung, in Ermangelung einer solchen Gemeinsamkeit schließlich auch das Personalstatut des Ehemannes in Frage (siehe Schwind, Handbuch des österreichischen internationalen Privatrechts, Springer 1975, 162 ff; vgl JBl 1969, 501, wonach analog § 7 der 4.DVO EheG an das gemeinsame Personalstatut der Ehegatten angeknüpft wurde [damals zustimmend Schwind, allerdings diese Zustimmung nicht aufrechterhaltend in Handbuch aaO 164 Anm 88]). Im Falle der Beklagten führen daher sämtliche genannten Anknüpfungspunkte zur Anwendung des niederländischen Rechts. Da auch nach niederländischem internationalen Privatrecht das Heimatrecht für die familienrechtlichen Beziehungen maßgeblich ist (siehe Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Abschnitt Niederlande,
109. Lieferung 14 ff), kommt es zu keiner nach § 5 IPRG zu beachtenden Weiter- oder Rückverweisung und bleibt es bei der Anwendung niederländischen Ehegüterrechts.
Mangels abweichender Vereinbarung besteht zwischen der Beklagten und ihrem Ehemann gemäß Art 93 des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches eine allgemeine Gütergemeinschaft. Nach Art 94 Z 2 leg cit umfaßt das Gesamtgut, was die Verbindlichkeiten betrifft, alle Schulden jedes Ehegatten; da ein Ausnahmstatbestand im Sinne der Z 3 dieser Bestimmung - Vorliegen einer höchstpersönlichen Verbindlichkeit des Ehemannes der Beklagten - nicht einmal behauptet wurde, ist davon auszugehen, daß die gegenständliche Kreditschuld in das Gesamtgut der Ehegatten fällt. Für eine derartige Schuld bestimmt Art 95 leg cit folgendes:
1. Für die Schuld eines Ehegatten, die in das Gesamtgut gefallen ist, können sowohl die Gegenstände des Gesamtguts als auch die Gegenstände seines Privatguts verwertet werden.
2. Der Ehegatte, aus dessen Privatgut eine Gesamtgutschuld beglichen worden ist, hat deswegen Anspruch auf Ausgleich aus dem Gesamtgut.
Diese Bestimmung kann nur so verstanden werden, daß lediglich der eine Schuldverbindlichkeit selbst eingehende Ehegatte persönlicher Schuldner wird und mit Gesamtgut und Privatgut haftet, während sein aufgrund der allgemeinen Gütergemeinschaft mitverpflichteter Ehegatte nur mit dem Gesamtgut haftet. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes haftet die Beklagte der klagenden Partei daher lediglich mit dem Gesamtgut, nicht jedoch mit ihrem Privatgut. Die Haftungsregelung des niederländischen Rechts ähnelt somit jener des inländischen Rechtes bei Vorliegen einer Gütergemeinschaft. Die Beklagte trifft daher keine unbeschränkte Haftung, sondern nur eine Sachhaftung mit den Gegenständen des Gesamtgutes. Die urteilsmäßige Verpflichtung der Beklagten hat daher wie auch bei der Gütergemeinschaft nach österreichischem Recht (RZ 1957, 40; Arb 7449; JBl 1963, 615) bei Exekution in das gütergemeinschaftliche Vermögen zu erfolgen. Was in das Gesamtgut fällt, ist aber hier nach niederländischem Recht zu beurteilen. Der das Gesamtgut definierende Art 94 des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches war daher in den Urteilsspruch aufzunehmen. Das von der klagenden Partei umfänglich zu weit gefaßte Begehren hindert nicht die Einschränkung des Urteilsspruches in der nun vorgenommenen Weise; die Haftung bloß mit bestimmten Vermögensteilen stellt gegenüber der in Anspruch genommenen Haftung mit dem gesamten Vermögen kein anspruchsänderndes aliud, sondern bloß ein minus dar (EvBl 1962/230; EvBl 1985/112).
Die Beurteilung der Frage, welche der Beklagten gehörenden Vermögensbestandteile in ihr Privatgut, welche dagegen in das den Haftungsfonds für die klagende Partei bildende Gesamtgut fallen, bleibt - wie sich der Oberste Gerichtshof durchaus bewußt ist - somit dem Exekutionsverfahren vorbehalten. Hätte das Klagebegehren etwa auf Zahlung bei Exekution auf die eingangs genannte Liegenschaft der Beklagten in G***** gelautet, wäre bereits im Titelverfahren zu klären gewesen, ob die Liegenschaft in das Gesamtgut fällt und bejahendenfalls eine Verurteilung bei Exekution in diese Liegenschaft auszusprechen gewesen. Bei dem vorliegenden Klagebegehren war dem Obersten Gerichtshof eine Konkretisierung - etwa auf Exekution in diese Liegenschaft - verwehrt. Durch ein solches Urteil wäre das Klagebegehren nicht zur Gänze erledigt worden. Eine nähere Umschreibung des Gesamtgutes ist schon deshalb unmöglich, weil die in Frage kommenden Exekutionsobjekte nicht bekannt sind. Das Gesamtgut umfaßt auch zukünftige Vermögensbestandteile; auch solche können aufgrund des gegenständlichen Titels in Exekution gezogen werden. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß sich auch bei Vorliegen einer Gütergemeinschaft nach inländischem Recht ähnliche Fragen stellen.
Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin verstößt die Anwendung des niederländischen Ehegüterrechtes im vorliegenden Fall nicht gegen den ordre public. Von § 6 IPRG ist sparsamster Gebrauch zu machen (JBl 1992, 189). Diese Bestimmung soll dem Schutz der inländischen Rechtsordnung vor dem Eindringen von mit ihr vollkommen unvereinbaren ausländischen Rechtsgedanken dienen. Das Institut der Gütergemeinschaft ist dem österreichischen Recht jedoch bekannt. Das Entstehen der Gütergemeinschaft ist nach niederländischem Recht mit der Eheschließung verbunden. Der Beklagten wäre es auch freigestanden, gemäß § 93 des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches von der allgemeinen Gütergemeinschaft durch Abschluß eines Ehevertrages abzuweichen. Überdies ist die aus der Gütergemeinschaft folgende Mithaftung auf das Gesamtgut beschränkt.
Der Revision war daher lediglich durch eine entsprechende Einschränkung des Leistungsbefehles des klagsstattgebenden Urteils teilweise Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz sowie jene des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 43 Abs 2 und 50 Abs 1 ZPO. Zieht man in Betracht, daß gemäß Art 94 des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches nur Gegenstände nicht in das Gesamtgut einzubeziehen sind, die einem Ehegatten mit der Widmung geschenkt oder vererbt wurden, daß sie nicht in das Gesamtgut fallen, oder die in besonderer, der Einbeziehung in das Gesamtgut entgegenstehender Weise mit einem der Ehegatten verbunden sind, dann fällt die von der Beklagten ersiegte Einschränkung des Leistungsbefehles gegenüber dem Erfolg der klagenden Partei mit ihrem gesamten Leistungsbegehren nicht ins Gewicht.
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