OGH 5Ob136/94

OGH5Ob136/9420.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Ursula R*****, vertreten durch Hannelore Istvan, Landessekretärin des Mieterschutzverbandes Österreichs, 1070 Wien, Döblergasse 2, wider den Antragsgegner Helmut R*****, vertreten durch Dr.Stefan Zöhrer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 5 Abs 2 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 3 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 12.Juli 1994, GZ 48 R 482/94-13, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 31.Jänner 1994, GZ 46 Msch 14/94s-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin hat am 1.9.1986 vom Antragsgegner die Wohnung top 23 im Haus ***** gemietet. Diese aus 2 Zimmern, Küche und Vorzimmer bestehende Wohnung ist 53,01 m2 groß und gehörte im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses der Ausstattungskategorie D an; mittlerweile hat die Antragstellerin eine Gasetagenheizung installieren lassen und in der Küche eine mit einem Vorhang versehene Dusche aufgestellt, doch verfügt die Wohnung nach wie vor über kein eigenes WC.

Im Mietvertrag war vorgesehen, daß die Antragstellerin verpflichtet ist, bei Freiwerden der Nachbarwohnung top 22 deren 6,16 m2 großes Kabinett (irrtümlich wurde die Größe mit 5,20 m2 angegeben) dazuzumieten, um dort auf eigene Kosten einen Duschraum mit WC sowie einen Vorraum einzurichten. Als dann im Jänner 1990 die Wohnung top 22 tatsächlich frei wurde, verweigerte der Antragsgegner der Antragstellerin die besprochene Zumietung des Kabinetts und bot auch weder ihr noch anderen Nachbarn die Wohnung zwecks Zusammenlegung und Umgestaltung iSd § 5 Abs 2 MRG an. Der Antragsteller hat vielmehr die Wohnung top 22 - ohne selbst eine Kategorieanhebung in Angriff zu nehmen - an verschiedene Ausländer neu vermietet.

Die Wohnung top 22 besteht aus Zimmer, Küche und (dem vorhin erwähnten) Kabinett, ist 35,24 m2 groß und gehört der Ausstattungskategorie D an. Das zur Wohnung gehörige Gang-WC ist jenes, das auch der Antragstellerin sowie dem Mieter der Wohnung top 21 zur Verfügung steht.

Die Antragstellerin ist bereit, die Wohnungen top 22 und 23 auf eigene Kosten zusammenzulegen und auch sonst alle Bedingungen einer Zumietung und Standardanhebung iSd § 5 Abs 2 MRG zu erfüllen. Daß eine solche Zusammenlegung baurechtlich zulässig sowie bautechnisch möglich und zweckmäßig wäre, ist kein Streitpunkt; außerdem steht fest, daß keine Möglichkeit besteht, das derzeit vorhandene Gemeinschafts-WC in die Wohnung der Antragstellerin zu integrieren.

Die Antragstellerin hat deshalb (zunächst bei der Schlichtungsstelle, dann bei Gericht) den Antrag gestellt, dem Antragsgegner die Erfüllung der Anbotspflicht iSd § 5 Abs 2 MRG aufzutragen; dieser hat erklärt, dazu nicht bereit zu sein, und zwar unter anderem deshalb, weil er die Wohnung top 22 bereits vermietet habe.

Das Erstgericht gab dem Sachantrag statt; das Rekursgericht bestätigte diesen Sachbeschluß.

Da im Revisionsrekursverfahren nur mehr die Frage strittig ist, ob die Ausstattung der Wohnung der Antragstellerin mit einer das Fehlen eines eigenen Klosetts (iSd § 16 Abs 3 aF MRG) ausgleichenden Gasetagenheizung überhaupt noch zu der in § 5 Abs 2 MRG geforderten Anhebung der Kategorie D auf C führen (und damit die Anbotspflicht des Antragsgegners auslösen) konnte, genügt es, auf die diesbezügliche Rechtsmeinung des Rekursgerichtes einzugehen (die im übrigen ohnehin dem Erstgericht gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm §§ 519 Abs 1 Z 2, 499 Abs 2 ZPO überbunden worden war):

Der Regelung des § 5 Abs 2 MRG liege das Bestreben des Gesetzgebers zugrunde, Vermieter und Mieter unter Wahrung der "sozialen Symmetrie" zu sinnvollen Standardverbesserungen zu motivieren (vgl MietSlg 36/39), wobei das Schwergewicht auf der Standardverbesserung und nicht auf dem Zumietungsrecht des Mieters der Nachbarwohnung liege. Dieses Zumietungsrecht stehe im Dienste der primär angestrebten Standardverbesserung und werde vom Gesetzgeber daher auch nur für den Fall eingeräumt, daß die Standardverbesserung auf andere Weise nicht durchgeführt werden könne (vgl ImmZ 1989, 475; MietSlg 42.202). § 5 Abs 2 MRG spreche zwar von Wohnungen der "Ausstattungskategorie D", doch könne darunter nur Substandard iSd vor Inkrafttreten des MRG bestehenden § 3 Z 10 StadtErnG verstanden werden. Die Berücksichtigung eines Kategorieausgleichs (§ 16 Abs 3 aF MRG) scheide damit im Zusammenhang mit § 5 Abs 2 MRG aus. Maßgeblich für die Anbotspflicht des Vermieters sei im Hinblick auf die Beurteilung des Ausstattungszustandes der fraglichen Wohnungen nur, daß sie - im Zeitpunkt der Anbotspflicht - über keine Wasserentnahmestelle oder kein Klosett im Inneren verfügen. Das treffe im gegenständlichen Fall auf beide Wohnungen zu; ob die von der Antragstellerin durchgeführten Verbesserungsarbeiten das Kategoriemerkmal der zentralen Wärmeversorgungsanlage erfüllen, sei unerheblich, weil der Sinn der Anbotspflicht letztlich darin liege, die Zahl sogenannter Substandardwohnungen zu vermindern.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Das wurde damit begründet, daß zur Frage, ob im Rahmen der Anbotspflicht iSd § 5 Abs 2 MRG der Kategorieausgleich nach § 16 Abs 3 zweiter Satz (aF) MRG zum Tragen kommen kann, noch keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Im nunmehr vorliegenden Revisionsrekurs vertritt der Antragsgegner den Standpunkt, daß die Frage, ob die beiden für eine Zusammenlegung in Frage kommenden Nachbarwohnungen der Ausstattungskategorie D zuzuordnen sind, allein nach den Vorschriften des § 16 Abs 2 Z 4 iVm Abs 3 (aF) MRG zu beuteilen sei. Dabei komme es nicht auf den Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses, sondern auf das Entstehen der Anbotspflicht an. Der Gesetzgeber stelle zur Wahl, durch welche Verbesserungen die höhere Ausstattungskategorie erreicht wird. Auch die Frage, von wem die kategorieanhebenden Investitionen getätigt wurden, sei unerheblich. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Begehrens der Antragstellerin abzuändern.

Die Antragstellerin hat sich zu diesem Rechtsmittel nicht geäußert.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.

Dem Rechtsmittelwerber ist beizupflichten, daß die in § 5 Abs 2 MRG für die Anbotspflicht des Vermieters normierte Tatbestandsvoraussetzung, bei den für eine Zusammenlegung in Frage kommenden Mietobjekten müsse es sich um Wohnungen der Ausstattungskategorie D handeln, nur nach der im selben Gesetz enthaltenen Begriffsbestimmung einer solchen Wohnung beurteilt werden kann. Der Rückgriff auf andere - etwa in § 3 Z 10 StadtErnG - verwendete Definitionen mangelhaft ausgestatteter Wohnungen, zu deren Beseitigung zugegebenermaßen auch die Regelung des § 5 Abs 2 MRG beitragen soll (WoBl 1992, 31/24 mwN; siehe dazu auch den AB bei Derbolav, MRG, 270), verbietet sich aus der Erwägung, daß Wortlaut und System eines Gesetzes am Beginn eines Auslegungsvorganges zu stehen haben (vgl Bydlinski in Rummel2, Rz 25 zu § 6 ABGB mwN) und nicht einzusehen ist, warum der Gesetzgeber sein durch eine Legaldefinition ausdrücklich dargelegtes Begriffsverständnis innerhalb derselben Norm wechseln sollte. Im Zweifel ist dies jedenfalls nicht anzunehmen, sodaß mangels zwingender Anhaltspunkte für eine andere Absicht des Gesetzgebers (die auch dem zitierten AB nicht entnommen werden kann) die in § 5 Abs 2 MRG erwähnte "Ausstattungskategorie D" so zu verstehen ist, wie sie an anderer Stelle des Gesetzes beschrieben wird.

Die Definition der Ausstattungskategorie D in § 16 Abs 2 Z 4 aF MRG kann dabei nur im Zusammenhang mit § 16 Abs 3 zweiter Satz aF MRG gesehen werden. Nach dieser zuletzt genannten Gesetzesbestimmung ist nämlich eine Wohnung in eine (der jeweiligen Ziffer des § 16 Abs 2 aF MRG entsprechende) Ausstattungskategorie auch bei Fehlen eines Ausstattungsmerkmals einzuordnen, wenn das fehlende Ausstattungsmerkmal, nicht jedoch eine Badegelegenheit, durch ein oder mehrere Ausstattungsmerkmale einer höheren Ausstattungskategorie aufgewogen wird. Diese Möglichkeit eines sogenannten "Kategorieausgleichs" ist demnach - entgegen der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes - auch für die Frage relevant, ob den Vermieter die in § 5 Abs 2 MRG normierte Anbotspflicht trifft. Gehört eine der in Frage kommenden Wohnungen - sei es auch nur über den Kategorieausgleich nach § 16 Abs 3 aF MRG - einer höheren Ausstattungskategorie als D an (wobei es auf den Ausstattungszustand im Zeitpunkt der gerade aktuell gewordenen Zusammenlegungsmöglichkeit und nicht auf die Urkategorie ankommt: Call-Tschütscher, MRG, 102), fehlt es an einer durchsetzbaren Pflicht des Mieters, die freigewordene Wohnung dem Mieter der Nachbarwohnung zur Zusammenlegung und Standardanhebung anzubieten.

Dennoch besteht im konkreten Fall das von der Antragstellerin geltend gemachte Zumietungsrecht. Selbst unter Berücksichtigung der besonderen Ausstattungsmerkmale (Gasetagenheizung und Duschmöglichkeit in der Küche) ist nämlich die Wohnung der Antragstellerin weiterhin der Kategorie D zuzuordnen.

Ob das Vorhandensein höherwertiger Ausstattungsmerkmale zum Kategorieausgleich führt, ob es also das Fehlen anderer kategoriebestimmender Ausstattungsmerkmale ausgleicht und auf diese Weise die Einordnung in eine höhere Kategorie rechtfertigt, kann immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Es ist daher möglich, daß eine Gasetagenheizung das Fehlen eines Klosetts im Inneren der Wohnung aufwiegt (vgl MietSlg 40.360), doch tritt bei dieser (auch hier vorliegenden) Konstellation der Kategorieausgleich nicht immer und zwangsläufig ein. Die Benützung eines Klosetts mit anderen Hausbewohnern teilen zu müssen, ist ein so schwerwiegender Mangel, daß er durch den völlig inadäquaten Komfort einer Etagenheizung in der Wohnung nicht aufgewogen werden kann. Ein solches Aufwiegen ist denkbar, wenn sich das Klosett zwar außerhalb der Wohnung befindet, aber der alleinigen Benützung des betreffenden Wohnungsmieters vorbehalten ist, nicht aber dann, wenn sich - wie im konkreten Fall - die Mieter von insgesamt drei Wohnungen die Benützung des Gang-WCs teilen müssen. Zu ergänzen bleibt, daß die nicht dem heutigen Standard entsprechende Duschmöglichkeit in der Küche der Antragstellerin am Mißlingen des Kategorieausgleichs nichts zu ändern vermag. Die Wohnung der Antragstellerin gehört immer noch der Ausstattungskategorie D an, sodaß auch die einzige strittig gebliebene Tatbestandsvoraussetzung der Anbotspflicht des Antragsgegners, die Möglichkeit einer kategorieanhebenden Zusammenlegung zweier Kategorie-D-Wohnungen, erfüllt ist.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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