OGH 15Os174/94

OGH15Os174/9420.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Dezember 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Dr.Markel, Mag.Strieder und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kamptner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Robert Sp***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 9.August 1994, GZ 9 Vr 592/93-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der zur Tatzeit jugendliche Robert Sp*****, geboren am 20.November 1974, des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 10.Juli 1993 in G***** am Wirtschaftsgebäude seiner Eltern Josef und Paula Sp***** ohne deren Einwilligung dadurch, daß er am Heuboden gelagertes Heu entzündete, eine Feuersbrunst verursacht.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe der Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird.

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 31.Mai 1994 gestellten und in der gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung am 9.August 1994 wiederholten Beweisantrags auf Durchführung eines Lokalaugenscheines zum Beweis dafür,

"daß der Hof der Familie Sp***** ein Dreiseithof ist und daß eine unbekannte Person sich der offenen Seite des Hofes vom Wald her nähern kann, ohne daß sie von dem auf dem Feld arbeitenden Zeugen Z***** oder vom Angeklagten oder sonst einem in der Nachbarschaft Arbeitenden oder Wohnenden gesehen werden muß" und

"daß es auf Grund der Bauart der Leiter, der Höhe der Luke, der Bauart des Einstiegsdeckels, sohin insgesamt der örtlichen Gegebenheiten nicht möglich ist, von der Luke aus den Brand zu legen, dies deshalb auch, weil der Lukendeckel so schwer ist, daß er gar nicht in der Form gehoben werden kann, daß ein auf der Leiter, die an der Mauer angelehnt ist, stehender Mensch diesen anhebt und dann noch eine Hand frei hat, um ein Feuer zu legen bzw daß der Lukendeckel so schwer ist, daß er, wenn er einmal von unten zur Gänze zurückgeklappt wird, von einem auf der Leiter im Stall Stehenden gar nicht mehr zurückgeklappt, sohin verschlossen werden kann" (S 303, 304/I iVm S 11/II).

Das Schöffengericht wies diesen Beweisantrag durch Zwischenerkenntnis gemäß § 238 Abs 2 StPO mit der Begründung ab, der Aussage des Zeugen Z***** sei zu entnehmen, daß die Möglichkeit für einen Unbekannten bestehe, unbemerkt vom Wald aus zum Anwesen Sp***** zu gelangen und weiters daß die Frage, ob der Zugang zur Strohabwurfstelle und das Öffnen der Luke möglich sei, anhand der über die Örtlichkeit aufgenommenen Lichtbilder beantwortet werden könne. In den Entscheidungsgründen des Urteils wurde - zulässigerweise (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 238 E 10 und 11) - zur Abweisung des erwähnten Beweisantrages ergänzend ausgeführt, daß für den Angeklagten nichts gewonnen wäre, wenn sich herausstellte, daß tatsächlich auf die geschilderte Art der Deckel nicht gehoben werden könnte, weil in diesem Zusammenhang davon auszugehen wäre, daß der Täter den Dachboden betreten und von hier aus das Feuer gelegt habe. Ein Betreten des Heubodens sei jedoch für einen Dritten nicht möglich gewesen, weil die Zugänge abgesperrt gewesen seien. Es treffe zwar zu, daß die Eltern des Angeklagten die Schlüssel zu diesen Türen versteckt hätten, weil sie offensichtlich selbst schon einen Verdacht gegenüber ihrem Sohn hegten, es sei jedoch anzunehmen, daß der Angeklagte am ehesten in der Lage gewesen wäre, diese versteckten Schlüssel aufzufinden und er auf diese Art und Weise auf den Heuboden hätte gelangen können (US 22 f).

Durch die Ablehnung des begehrten Beweismittels wurden Grundsätze des Verfahrens, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist, nicht hintangesetzt oder unrichtig angewendet. Denn das Schöffengericht ist sowohl im Zwischenerkenntnis als auch nach den Urteilsgründen davon ausgegangen, daß es möglich sei, daß ein Unbekannter unbemerkt zum Hof hätte kommen können, wenn er sich vom Wald aus genähert hätte (S 11, US 18, 21). Mit dem Akteninhalt in Widerspruch steht jedoch die Behauptung des Beschwerdeführers, das Erstgericht sei sowohl in US 8 (richtig wohl: US 18) als auch in US 21 davon ausgegangen, daß eine Person nicht ohne vom auf dem Feld arbeitenden Angeklagten entdeckt zu werden, den Hof erreichen könne. Gerade das Gegenteil ist der Fall: Das Gericht hat festgestellt, daß dies möglich gewesen wäre (US 18: "... wäre es möglich gewesen, daß sich ein unbekannter Dritter in der Zwischenzeit vom nahegelegenen Wald her unbemerkt in den Hof geschlichen und dort versteckt hätte"; US 21: "Für einen Dritten wäre es nur dann möglich gewesen, unbemerkt zum Hof zu kommen, wenn er sich vom Wald aus genähert hätte"). Aktuelles Thema des Beweisantrags war, ob die Möglichkeit einer unbemerkten Annäherung einer dritten Person zum Hof der Eltern des Angeklagten bestand; dies haben die Tatrichter bejaht, allerdings nach Lage des Falls aus im einzelnen dargelegten Erwägungen dennoch ausgeschlossen, daß sich ein Unbekannter zur Tatzeit dem Hof genähert hat. Da das Schöffengericht seiner Entscheidung ohnedies das Beweisthema des Antrags zugrundegelegt hat, kann sich der Angeklagte durch das Zwischenerkenntnis nicht für beschwert erachten (RZ 1988/16).

Angesichts der Verantwortung des Beschwerdeführers, er selbst und auch seine Mutter hätten den - aus Holz bestehenden (nur) 50 x 50 cm großen (S 177/I) - Lukendeckel von oben schon gehoben (S 304/I) iVm den Bekundungen der Sachverständigen Dipl.Ing. Dr.K***** (S 317/I und S 7f/II) und Ing.G***** (S 298/I), hätte es schon im Beweisantrag zusätzlicher Ausführungen bedurft, warum es dem Angeklagten trotz dieser, dem Beweisthema entgegenstehender Beweisergebnisse nicht möglich gewesen sein soll, den Lukendeckel von der Leiter aus zu öffnen und das Grummet zu entzünden. So gesehen läuft dieser Beweisantrag auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus.

Die Tatrichter sind davon ausgegangen, daß der Deckel der Strohabwurfstelle oberhalb des Rinderstalls von einer Leiter aus geöffnet werden könne und daß der Angeklagte - auf der Leiter stehend - den Deckel etwas gehoben, sodann mit einem vorher angezündeten Brennstoff das neben der Öffnung liegende Grummet angezündet und anschließend den Deckel geschlossen hat. Unnötig und daher entbehrlich sind demnach Spekulationen im Urteil darüber, auf welche Weise sonst der Angeklagte auf den Dachboden hätte gelangen können. Sofern sich die Verfahrensrüge gegen diese Argumentation des Schöffengerichts wendet, bekämpft sie keinen Umstand, der für die Schuld des Angeklagten oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von entscheidender Bedeutung ist.

Auch die Mängelrüge (Z 5) erweist sich als unbegründet.

Das Schöffengericht hat die Tatbegehung durch einen unbekannten Dritten deswegen ausgeschlossen, weil dieser entweder von dem am Feld arbeitenden Angeklagten wahrgenommen worden bzw bei seinem Eintreffen zu einem Zeitpunkt, als Robert Sp***** nicht auf dem Felde arbeitete, vom Hofhund aufgespürt worden wäre (US 18). Das bezügliche Beschwerdevorbringen, dieser Ausspruch sei vollkommen unbegründet, ist nicht verständlich. Denn die Urteilsfeststellung, ein unbekannter Dritter sei als Täter auzuschließen, wurde - wie eben wiedergegeben - begründet. Das Gesetz fordert eine Begründung lediglich für die Konstatierung entscheidender Tatsachen, nicht aber eine Begründung für eine Begründung.

Eine Urteilsunvollständigkeit in bezug auf die Feststellung, daß die auf Grund verdächtiger Wahrnehmungen der Eltern des Angeklagten ausgeforschten Personen als Brandverursacher ausgeschlossen werden konnten, erblickt der Beschwerdeführer in der Nichterörterung der Aussagen der Zeugen Paula Sp***** und Aloisia Sa*****, worin die Zeugin Sp***** in der Hauptverhandlung vom 31.Mai 1994 angegeben habe, daß in der Nacht vor dem Brand um 22,30 Uhr der Hofhund zweimal angeschlagen und die Kühe geschrieen haben, und die Zeugin Sa***** in der Hauptverhandlung am 9.August 1994 angegeben habe, daß es in der Nacht vor dem Brand laut war und ihr Hund angeschlagen hat.

Eine Erörterung dieser Aussagen war aber entbehrlich, weil weder Paula Sp***** noch Aloisia Sa***** aussagten, daß diese Tierlaute und "daß es laut war" mit der Anwesenheit einer (fremden) Person in der Nähe des Anwesens der Familie Sp***** im Zusammenhang stand.

Auch die behauptete Widersprüchlichkeit liegt nicht vor. Das Schöffengericht stellte mit Bezugnahme auf die familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten fest, daß das "Verhältnis im Familienverband" (was immer damit gemeint sein mag) als sehr gut bezeichnet werden könne (US 10). Bezüglich des Tatmotivs führten die Tatrichter aus, daß diese Frage offen bleibe, ein konkretes Motiv sei nicht erkennbar. Wiederum spekulativ und demnach erneut überflüssig sind die Ausführungen im Urteil, daß trotz des guten Verhältnisses zu den Eltern und zu den Geschwistern dennoch eine gewisse Rivalität zwischen dem Angeklagten und seinem jüngeren Bruder nicht auszuschließen sei, wobei das Motiv allenfalls im Gefühl einer Benachteiligung gesucht werden könne (US 21 f). Diese Vermutung des Erstgerichtes schließt aber das Bestehen eines sehr guten "Verhältnisses im Familienverband" nicht aus, denn auch in harmonischen Familien kommen nach der Erfahrung des täglichen Lebens "gewisse" Rivalitäten unter Geschwistern vor.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), deren gesetzmäßige Ausführung einen Vergleich des festgestellten Urteilssachverhalts mit dem darauf angewendeten Strafgesetz erfordert, läßt eine prozeßordnungsgemäße Darstellung vermissen. Denn mit dem Vorbringen, das Erstgericht habe sich nicht mit der "Tatsache" auseinandergesetzt, daß der Hofhund des Angeklagten ständig diesen auf dem Feld begleitete und somit in dieser Zeit der Hof nicht bewacht war, wird keine rechtsfehlerhafte Beurteilung der erstgerichtlichen Urteilskonstatierungen aufgezeigt, sondern - was ohnedies hilfsweise in der Beschwerde vorgebracht wird - ein Begründungsmangel in der Bedeutung einer Urteilsunvollständigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) behauptet, weil diese (vermißte) Feststellung sich aus der Verantwortung des Angeklagten und der Aussage des Zeugen Z***** ergebe, diese Beweisergebnisse aber unberücksichtigt geblieben wären.

Auch von einem derartigen Urteilsmangel (Z 5) kann keine Rede sein. Das Schöffengericht hat nämlich das ausschließliche Gelegenheitsverhältnis des Angeklagten damit begründet, daß ein Dritter entweder vom Angeklagten, als dieser auf dem Feld (der Wiese, auf der dieser das Heu zerstreut hat) war, gesehen worden wäre, oder, als der Angeklagte sich im Hof aufhielt, vom Hofhund entdeckt und gestellt worden wäre (US 21). Daß sich der Angeklagte allein am Feld aufgehalten und der Haushund zur gleichen Zeit am Hof befunden hat, wurde - dem sinngemäßen Beschwerdevorbringen zuwider - nicht festgestellt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Zur Entscheidung über die Berufung ist gemäß § 285 i StPO das Oberlandesgericht Linz zuständig.

Stichworte