OGH 10ObS30/94

OGH10ObS30/9419.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber Ernst Viehberger und Dr.Herbert Vesely in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria F*****, Pensionistin, ***** wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4.April 1991, GZ 12 Rs 20/91-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 28. November 1990 (beschlossen am 30.August 1990), GZ 4 Cgs 91/90-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Zuerkennung einer monatlichen Ausgleichszulage von S 1.936,90 für die Zeit vom 1.1. bis 30.6.1990 und von S 2.041,50 für die Zeit ab 1.7.1990 sowie hinsichtlich des Ausspruches über die Abstandnahme von einer Aufrechnung und Verrechnung von S 110,60 als unbekämpft unberührt bleiben, werden im übrigen aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin bezieht von der Beklagten seit 1.2.1978 eine Witwenpension. Deren monatliche Höhe betrug vom 1.1.1990 an S 3.440,10. Dazu erhielt die Klägerin die Ausgleichszulage bzw vom 1.1.1990 an einen monatlichen Vorschuß von S 1.761,90.

Mit Bescheid vom 19.2.1990 stellte die Beklagte die Ausgleichszulage der Klägerin vom 1. bis 31.1.1990 mit monatlich S 1.753,50 und vom 1.2.1990 an mit monatlich S 1.704,90 neu fest, rechnete den Vorschuß gegen die Nachzahlung auf und verrechnete den zu viel bezogenen Vorschuß von S 63,40 mit der zu erbringenden Leistung. Der Ermittlung des Nettoeinkommens legte die Beklagte für Jänner 1990 ein landwirtschaftliches Einkommen und auch ein pauschales Ausgedinge zugrunde.

Mit der dagegen rechtzeitig erhobenen, später ausgedehnten Klage wendet sich die Klägerin gegen die Berücksichtigung eines fiktiven landwirtschaftlichen Einkommens und begehrt die Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß, und zwar von S 1.993,90 vom 1.1. bis 30.6.1990 und von S 2.099,50 vom 1.7.1990 an sowie die Unterlassung der Aufrechnung und Verrechnung von S 63,40.

Die Beklagte beantragte, die auf eine S 1.704,90 monatlich übersteigende Ausgleichszulage gerichtete Klage abzuweisen, den Vorschuß gegen die Nachzahlung aufzurechnen und einen zuviel bezogenen Vorschuß von S 110,60 mit der zu erbringenden Leistung zu verrechnen. Für die am 6.6.1980 verkauften landwirtschaftlichen Flächen von 0,1217 ha sei nach § 149 Abs 7 GSVG ein pauschales Ausgedinge von monatlich S 57, für die seit 1.1.1990 nicht mehr verpachtete Wiese nach Abs 5 leg cit ein landwirtschaftliches Einkommen von monatlich S 232 zuzurechnen.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei, der Klägerin vom 1.1. bis 30.6.1990 die Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß von monatlich S 1.993,90 und vom 1.7.1990 an im gesetzlichen Ausmaß von monatlich S 2.099,50 zu zahlen sowie von einer Aufrechnung und Verrechnung von S 110,60 Abstand zu nehmen.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen waren die Klägerin und ihr am 2.1.1978 verstorbener Ehegatte je Hälfteeigentümer eines landwirtschaftlichen Grundbesitzes von 1,29 ha, dessen Eigenbewirtschaftung sie 1958 aufgaben. 1977 übergaben sie Teile dieses mittlerweile in Baufläche umgewidmeten Grundbesitzes ihrem Sohn. Mit 23.12.1977 übergab der Ehegatte der Klägerin dieser sein Hälfteeigentum an einem dort neu errichteten Wohnbau und an dem ihnen noch verbliebenen landwirtschaftlichen Grundbesitz von 0,36 ha. Mit Kaufvertrag vom 6.6.1980 verkaufte die Klägerin 1217 m2 der Liegenschaft EZ 114 KG M***** (Einheitswert des Grundstückes S 1.390,--). Von 1960 bis 31.12.1989 war aus dem landwirtschaftlichen Grundbesitz ein zuletzt 0,2248 ha großes Grundstück (Einheitswert ab 1.1.1984 S 3.000,--) um ursprünglich einen halben, zuletzt nur mehr ein Viertel Liter Milch pro Tag verpachtet. Wegen der Größe, Lage und Beschaffenheit dieses Grundstückes ist seine Verpachtung ab 1.1.1990 nicht mehr möglich. Es wird von einem Dritten abgemäht, ohne daß die Klägerin dafür ein Entgelt erhält.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes habe hinsichtlich des seit 1.1.1990 nicht mehr verpachteten Grundstückes eine Ermittlung des Einkommens der bisherigen Verpächterin nach § 149 Abs 8 GSVG zu unterbleiben. Hinsichtlich des 1980 verkauften Grundstückes sei wegen des S 2.000 unterschreitenden Einheitswertes keine Pauschalanrechnung im Sinne des Abs 7 leg cit vorzunehmen.

Das erstgerichtliche Urteil wurde von der Beklagten nur insoweit mit Berufung angefochten, als es der Klägerin für die Zeit vom 1.1. bis 30.6.1990 eine S 1.936,90 monatlich, für die Zeit vom 1.7.1990 an eine S 2.041,50 monatlich übersteigende Ausgleichszulage zuerkannte. Die Berufungswerberin wendete sich nur gegen die das 1980 verkaufte Grundstück betreffende Rechtsansicht, weil es sich dabei um den Verkauf eines Teiles einer Landwirtschaft gehandelt habe, deren Einheitswert vor dem Verkauf S 5.000,--, nach dem Verkauf S 3.000,-- betragen habe. Für das verkaufte Grundstück sei daher für die Zeit vom 1.1. bis 30.6.1990 nach § 149 Abs 8 GSVG ein pauschales Ausgedinge von S 57, seit 1.7.1990 ein solches von S 58 anzurechnen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.

Nach seiner Rechtsansicht komme es auf den Einheitswert des von der Aufgabe betroffenen, hier also veräußerten Grundstückes an, der unter S 2.000,-- betragen habe. Deshalb komme eine Einkommenszurechnung nach § 149 Abs 7 GSVG nicht in Frage. Da Einigkeit darüber bestehe, daß nicht einmal das zuletzt verpachtete, als landwirtschaftlicher Betrieb bewertete Grundstück einer weiteren Verwertung zugeführt werden könne, müsse dies umsomehr für die verkaufte Grundfläche gelten, für welche die Voraussetzungen des landwirtschaftlichen Betriebes mangels der erforderlichen Größe nicht zuträfen. Daher wäre auch diesbezüglich die Härteklausel des Abs 8 leg cit anzuwenden.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der bereits rechtskräftig zuerkannten Ausgleichszulagenbeträge abzuändern oder sie allenfalls aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig.

Einer sachlichen Erledigung dieses Rechtsmittels stand vorerst entgegen, daß der Oberste Gerichtshof gegen die anzuwendenden Bestimmungen des § 149 Abs 7 und 8 GSVG, die insoweit in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, verfassungsrechtliche Bedenken hatte. Deshalb stellte er mit Beschluß vom 25.2.1992, 10 Ob S 212/91 beim Verfassungsgerichtshof nach Art 89 Abs 2 B-VG den Antrag, § 149 Abs 7 GSVG idF der 16. und 17. GSVGNov und Abs 8 leg cit idF der 16. GSVGNov nach Art 140 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof wies diesen Antrag mit Erkenntnis vom 10.12.1993 GZ 60/92 ua ab, weil er die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilte. Das Revisionsgericht hat nunmehr die genannten Bestimmungen in der genannten Fassung anzuwenden.

Die Revision ist iS des Aufhebungsantrages berechtigt.

Im Revisionsverfahren geht es nur mehr darum, ob bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin im Jahre 1990 im Hinblick auf den Verkauf von 1217 m2 der Liegenschaft EZ 114 KG M***** mit Kaufvertrag vom 6.6.1980 ein Einkommen nach § 149 Abs 7 GSVG zu berücksichtigen ist.

Dies kann nach den bisherigen Feststellungen noch nicht verläßlich beurteilt werden.

Eine Pauschalanrechnung nach dieser Gesetzesstelle setzt voraus, daß die Klägerin mit dem genannten Kaufvertrag einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb oder Flächen eines solchen Betriebes verkauft hat, für den damals ein Einheitswert iS des Bewertungsgesetzes von mindestens S 2.000,-- festgestellt war. Ein landwirtschaftlicher Betrieb liegt nämlich, wie der erkennende Senat zB schon in den E SSV-NF 2/99 und SSV-NF 6/113 ausgesprochen hat, nur vor, wenn überhaupt ein solcher Mindesteinheitswert für eine landwirtschaftliche Liegenschaft festgestellt wurde. In der in der zit E bezogenen E SSV-NF 4/44 wurde dargelegt, daß unter einem landwirtschaftlichen Betrieb auch ein einzelnes landwirtschaftliches Grundstück verstanden werden kann.

Die erstgerichtliche Feststellung, daß die Klägerin mit Kaufvertrag vom 6.6.1980 1217 m2 der Liegenschaft EZ 114 KG M***** (Einheitswert des Grundstückes S 1.390,--) verkaufte, läßt nicht mit Sicherheit erkennen, ob es sich dabei um den damals für den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb von den Finanzbehörden bescheidmäßig festgesetzten Einheitswert iS des Bewertungsgesetzes oder um einen bloß rechnerisch ermittelten und daher theoretischen Teilwert eines Grundstückes dieser Liegenschaft oder gar nur des verkauften Teiles eines solchen handelt. Dies wird im fortgesetzten Verfahren zu erörtern und festzustellen sein.

Selbst dann, wenn alle Voraussetzungen des § 149 Abs 7 GSVG in der hier anzuwendenden Fassung zuträfen, wäre zu prüfen, ob eine Ermittlung des Einkommens der Klägerin nach Abs 8 leg cit zu unterbleiben hat.

Dazu wurde von der Klägerin in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 30.8.1990, ON 4 AS 15 f, mit Beweisanboten behauptet, "auch aus dem im Jahre 1980 verkauften Grundstück wäre eine Gegenleistung nicht möglich bzw nicht möglich gewesen". Obwohl die Klägerin damit geltend machte, daß die Voraussetzungen des Abs 8 auch auf die im Jahre 1980 verkaufte landwirtschaftliche Fläche zuträfen, wurde dies mit den Parteien nicht erörtert. Auch Feststellungen zur Beurteilung der Voraussetzungen des Abs 8 wurden nur hinsichtlich des bis Ende 1989 verpachteten Grundstückes getroffen. Allein daraus, daß die Gewährung von Gegenleistungen aus dem letztgenannten aufgegebenen landwirtschaftlichen Grundstück unmöglich ist, kann - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes - noch nicht gefolgert werden, daß dies auch auf das im Jahre 1980 verkaufte Grundstück zutreffen muß. Das wird vielmehr im fortgesetzten Verfahren noch zu prüfen sein.

Die Urteile der Vorinstanzen sind daher im Umfang der Anfechtung aufzuheben; insoweit ist die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

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