OGH 14Fs1/94

OGH14Fs1/9413.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mandl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Friedrich Wilhelm K* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, AZ 10 Vr 949/82 des Landesgerichtes Korneuburg, über den Fristsetzungsantrag des Dr. Friedrich Wilhelm K* im Verfahren AZ 24 Ns 337/94 des Oberlandesgerichtes Wien in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0140FS00001.9400000.1213.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Im vorbezeichneten ‑ mit rechtskräftigem Urteil beendeten ‑ Strafverfahren legte das Landesgericht Korneuburg am 6. Juli 1994 den vom Verurteilten Dr. K* initiierten, als Beschluß formulierten (ON 1286) Antrag auf nachträgliche Strafmilderung (§ 410 Abs 1 StPO) dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung vor.

Mit dem am 5. Oktober 1994 dort eingelangten Fristsetzungsantrag begehrte der Verurteilte, dem Oberlandesgericht aufzutragen, "binnen acht Tagen die im § 410 Abs 3 StPO vorgesehene Stellungnahme zu beschließen und die Akten dem Obersten Gerichtshof zur zuständigen Beschlußfassung iS der gleichen Gesetzesstelle vorzulegen" (ON 1288).

Das Oberlandesgericht Wien hob daraufhin mit Beschluß vom 28. Oktober 1994, AZ 24 Ns 337/94, den vorgenannten Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg, soweit darin der Eintritt nachträglicher Milderungsumstände ausdrücklich festgestellt (wenn auch nicht begründet) wurde, als gesetzwidrig "ersatzlos" auf und trug dem Landesgericht Korneuburg im übrigen die neuerliche Entscheidung gemäß § 410 StPO nach Verfahrensergänzung auf. Hievon wurde der Verteidiger (mit Schreiben vom 28. Oktober 1994) am 3. November 1994 (Datum der Zustellung) verständigt.

Mit Schriftsatz vom 16. November 1994, und somit fristgerecht (§ 91 Abs 2 Ende GOG), erklärte Dr. K* - dessen Parteistellung im Fristsetzungsverfahren unstrittig ist (vgl Mayerhofer‑Rieder, StPO3 § 410 E 31) ‑ seinen Antrag aufrechtzuerhalten, weil er durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes vom 28. Oktober 1994 nicht klaglos gestellt worden sei.

Richtig ist, daß das Oberlandesgericht mit dem zitierten ‑ im Hinblick auf die Vierwochenfrist des § 91 Abs 2 GOG an sich rechtzeitig gefaßten ‑ Beschluß nicht die im Fristsetzungsantrag des Verurteilten genannten Verfahrenshandlungen durchgeführt hat und schon aus diesem Grunde die nach dieser Gesetzesstelle vorgesehene Vermutung der Antragsrücknahme nicht ausgelöst wurde. Denn während der Fristsetzungsantrag die Erstattung einer (positiven) Stellungnahme zum Strafmilderungsantrag und dessen Weiterleitung an den Obersten Gerichtshof zur endgültigen Entscheidung hierüber anstrebte, trug das Oberlandesgericht dem Gerichtshof erster Instanz der Sache nach ein Verbesserungsverfahren auf.

Dessenungeachtet erweist sich der Fristsetzungsantrag als unbegründet.

Nach den Intentionen des Gesetzgebers ist der im Rahmen der Wertgrenzennovelle 1989 (BGBl 1989/343) geschaffene Fristsetzungsantrag nach § 91 GOG als Rechtsbehelf gegen Verfahrensverzögerungen konzipiert, die ihre Ursache in der Säumigkeit eines Gerichtes haben. In einem solchen Fall soll der übergeordnete Gerichtshof über Antrag einer (beschwerten) Partei dem säumigen Gericht zur Verfahrensbeschleunigung gegebenenfalls auch eine Frist zur Nachholung der ausstehenden Verfahrenshandlung setzen können.

Schon daraus ergibt sich, daß dann, wenn das Gericht seiner prozessualen Handlungspflicht, deren Nichtbeachtung Grund der Säumnisbeschwerde war, vor der Entscheidung über den Fristsetzungsantrag nachgekommen ist, die behauptete, aus der Säumnis resultierende Beschwer jedenfalls weggefallen ist. Denn wurde die gewünschte Prozeßhandlung gesetzt, besteht für deren Anordnung durch den übergeordneten Gerichtshof nicht länger Bedarf. Die Feststellung der Säumnis des Gerichtes allein (nach Art einer Aufsichtsbeschwerde) entspräche nicht der Zielsetzung des ausschließlich der Beschleunigung des Verfahrens dienenden Gesetzes. Dem steht § 91 Abs 2 GOG, wonach der Fristsetzungsantrag auch dann aufrechterhalten werden kann, wenn das ursprünglich säumige Gericht dem Begehren binnen vier Wochen entsprochen hat, nur scheinbar entgegen. Sieht man den Gesetzestext in seinem Zusammenhang, dann geht daraus lediglich hervor, daß unter bestimmten Voraussetzungen der Wegfall des Interesses der Partei an der Anordnung der urgierten Prozeßhandlung zu vermuten ist. In einem solchen Fall ist der Fristsetzungsantrag dem übergeordneten Gerichtshof nicht mehr vorzulegen (§ 91 Abs 1 Schluß GOG).

Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar, und eben deshalb wird der beschwerdeführenden Partei ‑ legistisch durch die im § 91 Abs 2 GOG vorgesehene Erklärung ‑ die Möglichkeit eingeräumt, eine Überprüfung dieser Voraussetzungen zu erzwingen. Stellt sich bei dieser Überprüfung heraus, daß die begehrten Prozeßhandlungen, soweit die Partei überhaupt einen Anspruch auf ihre Durchführung hat, tatsächlich (zumindest in der Nachfrist des § 91 Abs 2 GOG) vorgenommen wurden, ist ihr gleichwohl die Beschwer abzusprechen, ohne daß es noch einer Erörterung der behaupteten Säumnis bedarf.

Vorliegendenfalls hat das Oberlandesgericht Wien ‑ wie bereits erwähnt ‑ die vom Antragsteller begehrten Verfahrensschritte, nämlich die (positive) Beurteilung des Strafmilderungsantrages und dessen Weiterleitung an den Obersten Gerichtshof, nicht gesetzt.

Ungeachtet dessen wäre der Antragsteller nur dann beschwert, wenn er einen Anspruch gerade auf die von ihm begehrte Erledigung hatte. Dies ist indes zu verneinen.

Nach § 410 Abs 1 StPO hat der Gerichtshof erster Instanz, sobald er sich vom Vorhandensein relevanter Milderungsumstände überzeugt hat, einen (begründeten: Mayerhofer‑Rieder StPO3, § 410 Anm zu E 31 a) Antrag auf angemessene Milderung der Strafe an den Gerichtshof zweiter Instanz zu stellen. Wurde die Strafe vom Obersten Gerichtshof bemessen, dann hat das Oberlandesgericht, sofern es dem Antrag auf Strafmilderung beitritt, diesen Antrag dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, der nach Anhörung der Generalprokuratur endgültig entscheidet (§ 410 Abs 3 StPO). Der Gerichtshof zweiter Instanz kann jedoch den Strafmilderungsantrag, wenn er ihn nicht für begründet hält, ablehnen, wogegen kein Rechtsmittel zulässig ist (§ 410 Abs 2 StPO).

Der Ermessensspielraum des Gerichtshofes zweiter Instanz reicht daher von der nicht weiter bekämpfbaren Ablehnung des Strafmilderungsantrages des Gerichtshofes erster Instanz bis zu dessen Befürwortung. Dies inkludiert damit aber ‑ entgegen der Auffassung des Antragstellers ‑ auch die gegenüber einer Ablehnung für ihn günstigere Befugnis, den Gerichtshof erster Instanz zu einer Überprüfung seines Antrages dann zu verhalten, wenn die Begründung hiefür (oder die Erhebungen über die in Rede stehenden Milderungsgründe tatsächlicher Art) mangelhaft geblieben sind. Sieht sich das Oberlandesgericht dazu veranlaßt, ist es seiner in § 410 StPO normierten Entscheidungspflicht nachgekommen. Ein Anspruch des Verurteilten auf eine bestimmte materielle Beurteilung seines Gesuches besteht im Fristsetzungsverfahren nicht.

Daraus folgt, daß das Oberlandesgericht Wien mit seinem Beschluß vom 28. Oktober 1994 seiner Entscheidungspflicht entsprochen hat. Ob es zuvor säumig geworden ist, bedarf keiner weiteren Überprüfung, weil dem Feststellungsantrag schon mangels einer Beschwer des Antragstellers die Grundlage entzogen ist.

Der Fristsetzungsantrag war somit abzuweisen.

 

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