OGH 11Os151/94

OGH11Os151/9413.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Dezember 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Hobel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter F***** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB, über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 19.Juli 1994, GZ 30 a Vr 3311/94-60, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Hauptmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der die Eventualfrage nach dem Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB betreffende Wahrspruch, der im übrigen unberührt bleibt, und das darauf beruhende Urteil werden aufgehoben; die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht verwiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter F***** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 25.Feber 1994 in Wien Rosa H***** vorsätzlich am Körper verletzte, indem er ihr eine Vielzahl von heftigen Schlägen und Tritte versetzte, wobei die Tat eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich eine Gehirnerschütterung, einen Unterkieferbruch auf der rechten Seite, Blutergüsse an den Ober- und Unterlidern beidseitig, eine Prellung des rechten Brustkorbes, eine Prellung mit Bluterguß im Bereich des rechten Handrückens, mehrere Blutergüsse am linken Unterarm sowie zahlreiche oberflächliche Schürfungen, zur Folge hatte. Im zugrundeliegenden Wahrspruch war die - infolge Verneinung der Hauptfrage in Richtung des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB zu beantwortende - Eventualfrage nach dem Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB stimmeneinhellig bejaht worden.

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft eine ausschließlich auf die Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde erhoben.

Mit ihrer Rüge, es hätte der von ihr beantragten, vom Schwurgerichtshof jedoch abgelehnten Stellung einer Eventualfrage (auch) in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB bedurft, ist die Anklagebehörde, die sich sofort nach Verkündung der abweislichen Entscheidung des Schwurgerichtshofes gemäß § 345 Abs 4 StPO die Nichtigkeitsbeschwerde vorbehalten hat (469/I), im Recht:

Gemäß § 314 Abs 1 StPO ist eine Eventualfrage an die Geschworenen (unter anderem) dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, nach denen - im Falle ihrer Erweislichkeit - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes, im Vergleich zum in der Anklageschrift angeführten nicht strengeres Strafgesetz fiele. Ein solches Vorbringen, das die Stellung einer Eventualfrage gebietet, liegt auch dann vor, wenn Anhaltspunkte für eine von der Anklage abweichende Tatbeurteilung zwar nicht aus der Verantwortung des Angeklagten, aber aus anderen Ergebnissen der Hauptverhandlung konkret hervorgehen (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr 18 zu § 314). Der Auffassung des Schwurgerichtshofes (der das Fehlen entsprechender Indizien in der Verantwortung des Angeklagten betont hat) zuwider gilt dies auch für solche Anhaltspunkte, welche die subjektive Tatseite betreffen. Auch das äußere Tatgeschehen kann nämlich Rückschlüsse auf einen - allenfalls sogar qualifizierten - Vorsatz eines insoweit leugnenden Angeklagten zulassen.

Im vorliegenden Fall verweist die Beschwerdeführerin im Ergebnis zutreffend darauf, daß die für eine "grundlos brutale Vorgangsweise" bei der Tatbegehung sprechenden Ergebnisse des Beweisverfahrens die - der Persönlichkeit des Angeklagten nach seinem Vorleben keineswegs völlig fremde - Absicht indizieren, eine schwere Verletzung zuzufügen. Nach dem Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen (ON 32 und 466/I) hat Rosa H***** eine Vielzahl erheblicher Verletzungen, insbesondere im Kopfbereich, erlitten, die auf zahlreiche direkte Gewalteinwirkungen zurückzuführen sind. Im Zusammenhang mit der Schilderung der Tathandlungen durch das Opfer (455/I, 459/I) wäre auch eine Schlußfolgerung dahin möglich, daß es dem Angeklagten auf einen schweren Verletzungserfolg geradezu ankam (§ 5 Abs 2 StGB), zumal nach diesen Angaben die zur schweren Verletzung führenden Tätlichkeiten ohne erkennbaren Anlaß und Grund einsetzten. Dies könnte als Indiz dafür gewertet werden, daß sich der Angeklagte auf Grund sadistischer Neigungen gerade einen derartigen Verletzungserfolg zum alleinigen Ziel setzte.

Angesichts dieses Tatsachenvorbringens durfte sich der Schwurgerichtshof für den Fall der Verneinung der anklagekonformen Hauptfrage nach dem Verbrechen der Vergewaltigung nicht auf die Stellung einer einzigen Eventualfrage - nach dem Vergehen der schweren Körperverletzung - beschränken. Um den Geschworenen eine erschöpfende Beurteilung der nach den Verhandlungsergebnissen konkret in Betracht kommenden Sachverhaltsvarianten zu ermöglichen, hätte es vielmehr (auch) der von der Staatsanwaltschaft beantragten Stellung einer Eventualfrage nach § 87 Abs 1 StGB und erst bei deren Verneinung der Beantwortung der weiteren Eventualfrage nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB bedurft.

Aus diesem Grund war daher der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben, das angefochtene Urteil zur Gänze und der zugrundeliegende Wahrspruch (der in der Verneinung der Hauptfrage unberührt bleibt) in der Beantwortung der (einzigen) Eventualfrage aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht (§§ 13 Abs 2 Z 1, 8 Abs 3 1.Satz StPO iVm §§ 87 Abs 1, 39 Abs 1 StGB) zu verweisen, welches die unberührt gebliebenen Teile des Wahrspruches der Entscheidung im zweiten Rechtsgang mit zugrundezulegen haben wird (Mayerhofer-Rieder aaO E 20 bis 25 zu § 349).

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