OGH 6Ob628/94

OGH6Ob628/947.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Nissen L*****, und 2. Jehudit L*****, beide vertreten durch Dr.Ferdinand Bruckner, Rechtsanwalt in Korneuburg, wider die beklagte Partei Dr.Franz Christian Sladek, Rechtsanwalt, Neustiftgasse 3, 1070 Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Hans G*****, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 19.April 1994, GZ 5 R 148/94-10, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Korneuburg vom 12.November 1993, GZ 34 C 803/93x-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Die mit Beschluß vom 27.9.1993 ausgesprochene Aufkündigung wird aufgehoben. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, den ***** im Hof gelegenen Raum (Objekt 6) binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.623,58 (darin S 1.937,98 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten erster Instanz sowie die mit S 6.257,40 (darin S 942,90 Umsatzsteuer und S 600 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.345 (darin S 1.207,50 Umsatzsteuer und S 1.800 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger haben mit Hans G***** am 27.8.1991 einen schriftlichen Mietvertrag über einen im Hof des Gebäudekomplexes G***** befindlichen 120 m2 großen Raum zum Zwecke "Lager und Manipulation" geschlossen, auf welchen die Bestimmungen des MRG zur Anwendung kommen. Der Mietvertrag enthält die Bestimmung, daß die Vermieter berechtigt sind, das Mietverhältnis unter anderem dann mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn über das Vermögen des Mieters das Konkurs- oder Ausgleichsverfahren eröffnet oder mangels Deckung der Kosten abgewiesen wird. Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien wurde über das Vermögen des Mieters zu 4 S 172/93 der Konkurs eröffnet.

Unter Berufung auf die vertragliche Bestimmung und die Konkurseröffnung kündigten die Kläger das Mietverhältnis ohne Einhaltung eines Kündigungstermines gerichtlich auf.

Der Masseverwalter erhob Einwendungen und brachte vor, die im Mietvertrag vereinbarte Auflösung sei unwirksam, weil die Konkurseröffnung in Anbetracht des Mietobjektes - ein Magazin - keinen wichtigen und bedeutsamen Grund im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 MRG darstelle.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verurteilte den Beklagten zur Räumung. Die Rechtsprechung anerkenne zwar die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Mieters nicht als wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 30 Abs 1 MRG; die Vermieter stützten die Aufkündigung jedoch auf den vereinbarten Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG. Ziehe man als Auslegungshilfe den Kündigungsgrund des § 30 Abs 1 Z 5 MRG heran, so sei dort als wichtiger Kündigungsgrund der Tod des bisherigen Mieters angeführt, soferne kein dringendes Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen vorliege. Die Konkurseröffnung über das Vermögen des Gemeinschuldners könne als "finanzieller Tod" betrachtet werden. Überdies habe der Vermieter ein wichtiges Interesse an der regelmäßigen Weiterbezahlung des Mietzinses, welche im Konkurs nicht gewährleistet sei. Die Eröffnung eines Konkurs- oder Ausgleichsverfahrens könne daher als wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 30 Abs 1 Z 13 MRG vereinbart werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des beklagten Masseverwalters keine Folge. Es führte aus, die Eröffnung eines Konkursverfahrens gehe in den Auswirkungen, vor allem im Hinblick auf die Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Gemeinschuldners, weit über die bloße Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens, für welchen Fall der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit eines vertraglich vereinbarten Kündigungsgrundes verneint habe, hinaus; Bestandrechte gehörten zur Konkursmasse. Sei der Kündigungsgrund der Konkurseröffnung schriftlich vereinbart und durch die Konkurseröffnung eingetreten, so stelle dies einen Umstand dar, der im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 MRG als wichtig und bedeutsam anzusehen sei. Auf die Behauptung des Masseverwalters in der Berufung, das Unternehmen des Gemeinschuldners werde weitergeführt, es sei bereits ein Zwangsausgleichsantrag gestellt, sei wegen des Neuerungsverbotes nicht einzugehen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof zu der Frage, ob der mietvertraglich vereinbarte Kündigungsgrund der Konkurseröffnung eine zulässige Vereinbarung im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 MRG sei, bisher noch nicht Stellung genommen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Kündigungsgrund des § 30 Abs 1 MRG, der nur dann in Betracht kommt, wenn anstelle der fehlenden Voraussetzungen eines speziellen Kündigungstatbestandes andere wichtige Momente vorliegen, die an Gewicht und Bedeutung jenen gleichkommen, daß die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Mieters allein keinen Kündigungsgrund darstellt (WoBl 1989/32, MietSlg 40.472; 31.083/17 ua).

Mit der Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 13 MRG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, wichtige Interessen des Vermieters in Form der Vereinbarung eines Kündigungsgrundes zu berücksichtigen. Ein als wichtig und bedeutsam bezeichneter Umstand kann aber nur dann als Kündigungsgrund gewertet werden, wenn er den in § 30 Abs 2 MRG aufgezählten Fällen an Bedeutung nahekommt (SZ 61/52; JBl 1992, 534; ImmZ 1991, 388 uva; Würth in Rummel2 Rz 45 zu § 30 MRG). Eine restriktive Auslegung der möglichen Vereinbarung ist geboten, weil durch die Schaffung dieses Kündigungsgrundes keine Vertragsfreiheit normiert wird, sondern die vom Gesetzgeber gewollten und im Gesetz verankerten Grundprinzipien der Kündigungsbeschränkungen zum Schutz des Mieters nicht durch vertragliche Vereinbarung unterlaufen werden dürfen. Da das Gesetz verlangt, daß die vereinbarte Tatsache für den Vermieter (objektiv) wichtig und bedeutsam sein muß, ist eine Wertung der Wichtigkeit und Bedeutsamkeit, also des besonderen Bedürfnisses für den Vermieter im Einzelfall erforderlich (Würth aaO und in Miet- und Wohnrecht Rz 59 zu § 30; MietSlg 40.471/11). Die Vermieter haben über die bloße Tatsache der Konkurseröffnung hinaus ihr besonderes Bedürfnis am vereinbarten Kündigungsgrund nur damit begründet, daß eine Gefährdung in der Zahlung künftiger Mietzinse für das in einem Hof als Magazin genützte Bestandobjekt bestehe. Entscheidet sich ein pflichtbewußter Masseverwalter für die Fortsetzung des Mietverhältnisses des Gemeinschuldners, dann sind Mietzinsforderungen des Bestandgebers gemäß § 46 Abs 1 Z 4 KO Masseforderungen. Bloß abstrakte Befürchtungen des Vermieters, künftige Zinszahlungen (oder auch sonstige bei Verletzung einen Kündigungsgrund bildende Vertragspflichten des Mieters) könnten gefährdet sein, sind nicht geeignet, wichtige und bedeutsame Umstände im Sinne des Gesetzese darzustellen, denn solche Umstände können auch ohne Insolvenzverfahren theoretisch bei jedem beliebigen Mietverhältnis künftig auftreten. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, steht der im Gesetz ausdrücklich genannte Kündigungsgrund - hier § 30 Abs 2 Z 1 MRG - ohnehin zur Verfügung (vgl WoBl 1988/82).

Ohne zusätzliches besonders schutzwürdiges wichtiges Interesse des Vermieters im Einzelfall kommt der vertraglich vereinbarte Kündigungsgrund der bloßen Konkurseröffnung über das Vermögen des Mieters den anderen im § 30 Abs 2 MRG aufgezählten Fällen an Bedeutung nicht nahe. Die allein darauf gestützte Kündigung war daher aufzuheben und das Räumungsbegehren abzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, jener über die Kosten der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 ZPO.

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