Spruch:
Der Revision wird stattgegeben und das klagsabweisende erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 205.529,10 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten an Barauslagen S 48.000,- und an Umsatzsteuer S 26.254,85) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei ist eine Kommanditgesellschaft (GesmbH & Co KG). Ihre Firma enthält die Firma ihrer Komplementärgesellschaft, deren Firma den Namen eines Unternehmers. Dieser war Gründungsgesellschafter der im Sinne des Gesellschaftsvertrages vom 15. Dezember 1961 errichteten Gesellschaft. Er ist am 4.November 1990 gestorben. Über seine Verlassenschaft wurde das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger ist Masseverwalter in diesem Verlassenschaftskonkurs.
Im Jahre 1990 galt der Gesellschaftsvertrag in der mit 8.Juni 1963 datierten Fassung. Diese gesellschaftsvertraglichen Regelungen sahen für den Fall des Todes und für den Fall des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters folgendes vor:
"...gerät ein Gesellschafter in Konkurs...so kann dem betroffenen Gesellschafter fristlos gekündigt werden. Er scheidet dann aus der Gesellschaft aus, ohne daß diese dadurch aufgelöst wird" (§ 18 Abs 5).
"In...Fällen des Ausscheidens eines Gesellschafters, sei es durch Kündigung, Ausschluß oder im Todesfalle, hat der Ausscheidende nur Anspruch auf den buchmäßigen Wert seines Anteiles. Die Feststellung des Auseinandersetzungsguthabens erfolgt in diesen Fällen aufgrund der Bilanz, wobei die dem Tage des Ausscheidens näherliegende Bilanz (also entweder die letzte Bilanz oder die zum kommenden Jahresende nachfolgende Bilanz) zugrundezulegen ist." (§ 19 Abs 1)
"Im Falle des Ablebens eines Kommanditisten wird die Gesellschaft mit den Erben fortgesetzt. Der Geschäftsführer kann aus wichtigen Gründen die Fortsetzung der Gesellschaft durch den Erben verweigern." (§ 20)
Der Geschäftsanteil des am 4.November 1990 verstorbenen Kommanditisten hatte sowohl am Todestag, als auch am Tag der Eröffnung des Verlassenschaftskonkurses (5.Juli 1991), als auch am nachfolgenden Jahresbilanzstichtag (31.Dezember 1991) jeweils einen buchmäßigen Wert von 1,280.850 S.
Der Verstorbene hatte Anspruch auf eine Geschäftsführerentschädigung in der Höhe von 250.000 S.
Andererseits hatte der Verstorbene (als Geschäftsführer der die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft ausübenden Komplementärgesellschaft) in seinen letzten beiden Lebensjahren (nachträglich) als "Vorgriffe" auf künftige Entschädigungen und Gewinnanteile bezeichnete über ein Verrechnungskonto gebuchte Privatentnahmen in einer aushaftenden Gesamthöhe von 1,599.205,97 S getätigt.
Die Forderungen der Gesellschaft aus den sogenannten "Vorgriffen" ihres Gesellschafters überstiegen in diesem Sinn die Summe des Geschäftsanteilbuchwertes und der Geschäftsführerentschädigung um mehr als 68.000 S.
Der verstorbene Kommanditist hinterließ zwar Frau und Kinder. Diese gaben aber zum Nachlaß keine Erbserklärung ab.
Die Streitteile legten ihren Prozeßstandpunkten übereinstimmend zugrunde, daß der verstorbene Kommanditist (seine Verlassenschaft) aus der Kommanditgesellschaft ausgeschieden sei, die Gesellschaft fortbestehe und daß deren Auseinandersetzung mit dem ausgeschiedenen Gesellschafter stattzufinden habe.
Der Kläger begehrte - nach Klagseinschränkung - von der Kommanditgesellschaft die Auszahlung eines Betrages in der Höhe des Buchwertes der Einlage des Verstorbenen in der Höhe von 1,280.000 S. Dabei unterstellte er, daß der verstorbene Kommanditist nicht schon mit seinem Tod, sondern in Gestalt seiner Verlassenschaft erst mit Eröffnung des Verlassenschaftskonkurses aus der Gesellschaft ausgeschieden, der Abfindungsanspruch daher erst mit diesem Ereignis entstanden sei und daß deshalb einer Aufrechnung der Gesellschaft mit Ersatzforderungen, die dieser aus den Privatentnahmen gegen den Verstorbenen (die Verlassenschaft) bereits vor der Konkurseröffnung zugestanden seien, gegen die Abfindungsforderung ein konkursrechtliches Aufrechnungsverbot entgegenstünde.
Die beklagte Gesellschaft vertrat dagegen die Ansicht, daß unter Berücksichtigung der sogenannten Privatentnahmen des Ausgeschiedenen im Zeitpunkt des Ausscheidens überhaupt kein Guthaben bestanden habe. Im übrigen verfocht die Kommanditgesellschaft den Standpunkt, daß der am 4.November 1990 verstorbene Kommanditist bereits mit seinem Tode aus der Gesellschaft ausgeschieden wäre.
Das Prozeßgericht erster Instanz wies das Klagebegehren aus der Erwägung ab, daß die - zu verrechnenden - Entnahmen des Verstorbenen höher seien als der der Auseinandersetzung zugrundezulegende Buchwert des Anteils.
Das Berufungsgericht änderte dieses erstinstanzliche Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. Dazu sprach es aus, daß eine Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliege. Der Sachbeurteilung legte das Berufungsgericht die Ansicht zugrunde, der Kommanditist sei erst mit der Eröffnung des Verlassenschaftskonkurses aus der Gesellschaft ausgeschieden. Gegen den erst damit entstandenen Abfindungsanspruch sei eine Aufrechnung mit Forderungen der Gesellschaft, die schon im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bestanden hätten, konkursrechtlich ausgeschlossen.
Die beklagte Kommanditgesellschaft ficht das Berufungsurteil wegen Aktenwidrigkeit, wesentlicher Verfahrensmängel sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des klagsabweisenden Urteiles erster Instanz zielenden Abänderungsantrag an.
Der Masseverwalter strebt mit der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Der Gesellschaftsvertrag modifiziert zwar die kraft Gesetzes an den Tod eines Kommanditisten geknüpften Rechtsfolgen, beläßt es aber beim Grundsatz des Überganges der Gesellschaftsbeteiligung eines verstorbenen Kommanditisten auf seine(n) Erben. Eine solche Regelung wird aber nur dann wirksam, wenn wenigstens ein zur Erbschaft Berufener diese auch antritt. Dies ist in Ansehung des am 4.November 1990 gestorbenen Kommanditisten unterblieben. Damit fiel die Nachfolgeregelung aus.
Wollte man daraus für die internen Verhältnisse zwischen Kommanditgesellschaft und Verlassenschaft des verstorbenen Kommanditisten ein zeitlich auf den Todesfall rückbezogenes Ausscheiden des Verstorbenen aus der Gesellschaft annehmen, stellte sich die Frage nach dem vom Berufungsgericht als streitentscheidend angesehenen konkursrechtlichen Aufrechnungsverbot nicht, weil im Falle der zeitlichen Rückbeziehung des Ausscheidens auf den Todesfall auch der Abfindungsanspruch bereits in diesem Zeitpunkt entstanden und im Zeitpunkt der Konkurseröffnung der der Gesellschaft aufgrund der Vorgriffe ihres verstorbenen Kommanditisten zugrundegelegten Forderung bereits aufrechnungsweise gegenübergestanden wäre.
Aber auch in dem vom Berufungsgericht unterstellten Fall, daß erst die Eröffnung des Verlassenschaftskonkurses das Ausscheiden aus der Kommanditgesellschaft bewirkt und den Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen zur Entstehung gebracht hätte, bestünde das Klagebegehren nicht zu Recht.
Im Sinne einer Gesamtabrechnung sind nämlich bei der Ermittlung des Abfindungsanspruches eines ausgeschiedenen Gesellschafters alle wechselseitigen gesellschaftsvertraglichen Ansprüche einzubeziehen. Der (Buch-)Wert der Beteiligung des ausgeschiedenen Gesellschafters stellt dabei nur einen unselbständigen Rechnungsposten zur Ermittlung des Abfindungsanspruches dar (vgl zum deutschen Recht von den Kommentarmeinungen zu § 738 BGB etwa von Gamm in RGRK12, Rz 9; Hadding in Soergel11 Rz 8; Ulmer in MünchK2 Rz 13; und von den Kommentarmeinungen zur "Gesamtabrechnung" nach § 138 HGB etwa Karsten Schmidt in Schlegelberger5 Rz 45a; Emmerich in Heymann Rz 11 und Ulmer im Großkommentar HGB Rz 13).
Der Anspruch der beklagten Gesellschaft auf Ausgleich der Privatentnahmen ist gesellschaftsrechtlichen Ursprungs (anders etwa die Fälle einer Darlehensgewährung, eines Warenverkaufes oder einer Interzession der Gesellschaft und der ihr daraus erwachsenen Forderungen, vgl SZ 56/128, WBl 1987, 65 und RdW 1991, 13).
Die Forderung der Gesellschaft auf Ausgleich der "Vorgriffe" auf künftige Gewinnanteile und Geschäftsführerentschädigungen ist bei der Ermittlung des Abfindungsanspruches des ausgeschiedenen Gesellschafters zur Berechnung mitanzusetzen und läßt nur eine entsprechend niedrigere Abfindungsforderung des Ausgeschiedenen entstehen. Für die Tilgung eines entsprechend höheren Abfindungsanspruches, etwa durch Aufrechnung, fehlt es an der Selbständigkeit der einander gegenüberstehenden Forderungen.
Aus dieser Erwägung war in Stattgebung der außerordentlichen Revision das klagsabweisliche Urteil erster Instanz wieder herzustellen.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten aller drei Instanzen beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO.
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