OGH 12Os157/94

OGH12Os157/941.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Dezember 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hradil als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter G* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 30. August 1994, GZ 20 c Vr 11234/93‑88, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Zehetner, des Angeklagten Walter G* und des Verteidigers Dr. Doczekal zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0120OS00157.9400000.1201.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Walter G* wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes schuldig erkannt. Demnach hat er am 23. August 1993 in Wien Stefan C* durch vierzehn Schüsse gegen dessen Kopf, Hals und Rumpf vorsätzlich getötet.

Die Geschworenen hatten die (anklagekonforme) Hauptfrage nach Mord stimmenmehrheitlich bejaht und die Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) stimmeneinhellig verneint. Eine Beantwortung der Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlages (§ 76 StGB) entfiel demgemäß.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer einen Schuldspruch wegen Verbrechens des Totschlages nach § 76 StGB anstrebenden, auf § 345 Abs 1 Z 8, 10 a und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der in keinem Anfechtungspunkt Berechtigung zukommt.

Der eine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung zur Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlages monierenden Instruktionsrüge (Z 8) ist zunächst zu entgegnen, daß der (auch im Rahmen der Tatsachenrüge - Z 10 a - relevierte) Inhalt der Niederschrift der Geschworenen gemäß § 331 Abs 3 StPO nicht zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden kann (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 331 ENr 10 ff).

Der Beschwerde zuwider kann ferner von einer Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung, die sich auf rechtliche Umstände zu beschränken, auf Besonderheiten des Verfahrens in tatsächlicher Hinsicht aber nicht einzugehen hat (Mayerhofer/Rieder aaO § 345 Abs 1 Z 8 ENr 14 ff, § 321 ENr 8), keine Rede sein. Insbesondere weist sie ‑ entgegen dem Rechtsmittel ‑ ausdrücklich darauf hin, daß es im Rahmen des § 76 StGB möglich sei, daß die heftige Gemütsbewegung längere Zeit hindurch andauere und deshalb eine gewisse Zeitspanne zwischen Entschluß und Ausführung der Tat liege, wobei unter Mitberücksichtigung der höchstpersönlichen Beschaffenheit des Täters, nämlich seiner Charaktereigenschaften und Veranlagungen, ein subjektiv‑individueller Maßstab ausschlaggebend sei (S 7 f der Rechtsbelehrung, Leukauf‑Steininger Komm3 § 76 RN 7).

Die von der Beschwerde vermißte Erörterung konkreter Ergebnisse des Beweisverfahrens ("zeitliches Moment, Hörigkeitsverhältnis zum Opfer, Gefühl dauernder Demütigung, homosexuelle Veranlagung") hatte hingegen in der schriftlichen Rechtsbelehrung zu unterbleiben. Darauf war vielmehr erst in der vom Vorsitzenden gemäß § 323 Abs 2 StPO abzuhaltenden mündlichen Besprechung, deren Inhalt (ebenfalls) nicht zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden kann (Mayerhofer/Rieder aaO § 323 ENr 1), einzugehen.

Die Tatsachenrüge (Z 10 a) unternimmt nach Inhalt und Zielsetzung insgesamt nur den Versuch, die der Anfechtung entrückte, gemäß Art 91 Abs 2 B‑VG ausschließlich den Geschworenen zugewiesene Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen, ohne schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die im Hinblick auf die Angaben des Zeugen Dr. S* (ON 16) und die Ausführungen des Sachverständigen Dr. F* (ON 62 iVm 354/ff II) geeignet sein könnten, gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Beweiswürdigung im relevierten Umfang aufkommen zu lassen.

Die Rechtsrüge (Z 12) schließlich verfehlt eine prozeßordnungsgemäße Darstellung, indem sie eine bei Begehung der Tat vorliegende allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung unterstellt und damit von den durch den Wahrspruch festgestellten Tatsachen abweicht.

Die insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu zwanzig Jahren Freiheitsstrafe.

Es wertete bei der Strafbemessung keinen Umstand als erschwerend, als mildernd hingegen das Geständnis, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, das Hörigkeitsverhältnis (zum Opfer) und "die homosexuelle Veranlagung verbunden mit sozialer Isolation".

Der eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB anstrebenden Berufung des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Die behauptete Provokation durch das Tatopfer liegt im Hinblick darauf, daß die tatauslösenden Umstände als geradezu der Norm gleichgelagerter Auseinandersetzungen entsprechend, für den Beschwerdeführer vorhersehbar waren (340 ff II) ‑ der Berufungsargumentation zuwider ‑ nicht vor. Allerdings ist dem Angeklagten darin beizupflichten, daß ihm auch die Selbststellung (§ 34 Z 16 StGB) ebenso als mildernd zugute zu halten ist, wie die Herabsetzung der Hemm‑, Brems‑, Steuer‑ und Kontrollmechanismen (Sachverständiger Dr. F* 357 II).

Da aber andererseits die Milderungsumstände der homosexuellen Veranlagung verbunden mit sozialer Isolation bereits in der als mildernd gewerteten Hörigkeit angemessene Berücksichtigung finden und zudem die Tatvorbereitung sowie die exzessive Brutalität gegen ein der angewendeten Gewalt wehrlos ausgeliefertes Opfer zusätzlich als erschwerend ins Gewicht fallen, mangelt es nicht bloß an den Voraussetzungen des § 41 Abs 1 StGB sondern insgesamt an Gründen, die eine Ermäßigung der vom Geschworenengericht geschöpften Unrechtsfolge als vertretbar erscheinen ließen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

 

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