OGH 14Os129/94

OGH14Os129/9429.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.November 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Hobel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Libor O***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter und letzter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht St.Pölten vom 30.Juni 1994, GZ 24 Vr 518/93-319, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Weiss, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Wandl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Libor O***** des Verbrechens des schweren Raubes als Bestimmungstäter nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter und letzter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er zuletzt am 9.April 1990 in Kirchstetten und anderen Orten den gesondert verfolgten Ladislav M*****, den Jozef J***** und einen namentlich unbekannt gebliebenen Polen (die beide inzwischen verstorben sind) sowie Marian S***** und Vladimir S***** dadurch, daß er die drei Erstgenannten aufforderte, gemäß dem von ihm ausgearbeiteten Raubplan, ausgerüstet mit Faustfeuerwaffen, in den angekoppelten Postwaggon des um 20.42 Uhr planmäßig vom Hauptbahnhof St.Pölten abfahrenden Personenzuges einzudringen, die dort befindlichen Postangestellten unter Verwendung von Faustfeuerwaffen zu bedrohen, mit den mitgeführten Handschellen und Klebebändern zu fesseln und zu knebeln sowie das im Waggon befindliche Bargeld wegzunehmen, welches von den im Bahnhofsbereich Wien-Hütteldorf wartenden Marian S***** und Vladimir S***** in ihrem Wohnmobil Marke "AVIA" in die Slowakei verbracht werden sollte, dazu bestimmt, daß sie am 9.April 1990 in Kirchstetten im bewußten und gewollten Zusammenwirken in den angekoppelten Postwaggon des um 20.46 Uhr vom Hauptbahnhof St.Pölten abgefahrenen Personenzuges Nr 2053 eindrangen, Faustfeuerwaffen gegen die Postbeamten Herbert F*****, Michael Sch*****, Heinrich St***** und Michael F***** richteten und äußerten:

"Überfall ... alles nieder ... auf den Boden !", wobei Jozef J***** den Herbert F***** durch zwei gezielte Schüsse gegen den Kopf tötete, zusammen mit den Mittätern die überlebenden Zubegleiter fesselte und ihnen Säcke über die Köpfe stülpte, den Genannten mit Gewalt gegen ihre Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld der Österreichischen Post- und Telegrafenverwaltung im Betrag von 35,079.494 S mit dem Vorsatz wegnahmen, sich oder einen Dritten durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie den Raub unter Verwendung einer Waffe verübten und die Gewaltanwendung den Tod des Herbert F***** zur Folge hatte.

Die Geschworenen hatten die allein gestellte (anklagekonforme) Hauptfrage - mit Ausnahme der Todesfolge, deren Zurechenbarkeit von einem Laienrichter verneint worden ist (§ 330 Abs 2 StPO) - stimmeneinhellig bejaht.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte in erster Linie wegen der angenommenen qualifizierenden Umstände (§ 143 zweiter und letzter Fall StGB) mit einer auf die Gründe der Z 6, 8, 10 a und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch nicht gerechtfertigt ist.

Er geht nämlich dabei rechtsirrig davon aus, daß ihm als Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB) der Tod des Raubopfers Herbert F***** nur dann zugerechnet werden dürfe, wenn er entweder am Raub in unmittelbarer Tatortnähe durch einen die Ausführung fördernden Beitrag mitgewirkt oder aber die Tötung des Opfers mit den unmittelbaren Tätern verabredet oder "zumindest in irgendeiner Weise einkalkuliert" hätte.

Die Zurechnung dieser Tatfolge ist von diesen Faktoren jedoch unabhängig. Nach § 7 Abs 2 StGB ist vielmehr allein maßgebend, ob der Tod für den Angeklagten als Bestimmungstäter nach dem von ihm entworfenen Tatplan im Sinne eines Fahrlässigkeitsvorwurfes zumindest (objektiv und subjektiv) vorhersehbar war (SSt 54/31, Leukauf-Steininger Komm3 § 7 RN 33).

Die behauptete inhaltliche Unzulänglichkeit der Fragestellung (Z 6), soweit sie der Beschwerdeführer aus der oben dargelegten unzutreffenden Rechtsauffassung ableitet, geht sohin schon wegen rechtlicher Irrelevanz ins Leere.

Entgegen dem weiteren Einwand umfaßt die Hauptfrage aber auch ausdrücklich die tatplangemäße Verwendung von Faustfeuerwaffen zumindest als Drohmittel (§ 143 zweiter Fall StGB; Leukauf-Steininger aaO § 143 RN 6).

Ob die Abgabe tödlicher Schüsse durch den unmittelbaren Täter Jozef J***** für den Angeklagten als Bestimmungstäter vorhersehbar war, hatten die Geschworenen auf Grund der ihnen erteilten Rechtsbelehrung als Tatfrage zu klären, wobei sie auf die - von einem Laienrichter auch tatsächlich in Anspruch genommene - Möglichkeit einer nur teilweisen Bejahung der Hauptfrage (§ 330 Abs 2 StPO) ausdrücklich hingewiesen wurden (S 353, 369/Band XXXII).

Verfehlt ist ferner der gegen die Rechtsbelehrung erhobene Einwand (Z 8), sie setze sich auf Grund der (vermeintlich) lückenhaften Fragestellung bloß in "äußerst unzureichender Weise" mit der Zurechenbarkeit der schweren Tatfolge für den Angeklagten als einem am Tatort nicht anwesenden Bestimmungstäter auseinander.

Da die vom Beschwerdeführer behaupteten Mängel nicht gegeben sind, kann aus ihnen auch kein Fehler der Rechtsbelehrung abgeleitet werden. Diese erweist sich vielmehr als richtig und vollständig, indem sie alle objektiven und subjektiven Komponenten fahrlässigen Handelns (§ 7 Abs 2 StGB) ausführlich darlegt und erläutert (S 363 f/Band XXXII). Worin sonst eine Mangelhaftigkeit gelegen sein sollte, wird in der Beschwerde nicht dargetan, sodaß sie insoweit einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich ist.

Entgegen der Tatsachenrüge (Z 10 a), in welcher der Angeklagte darzulegen versucht, daß die ihn belastenden Zeugenaussagen "fragwürdig und bedenklich" seien, ergeben sich für den Obersten Gerichtshof nach Prüfung der ins Treffen geführten Argumente an Hand der Akten schließlich auch keine (erheblichen) Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen.

Mit seiner Subsumtionsrüge (Z 12), der Wahrspruch enthalte keine Feststellungen "hinsichtlich des Vorsatzes bezüglich der Ausrüstung mit Waffen bzw der Fahrlässigkeit in bezug auf die schwere Folge", strebt der Angeklagte eine Unterstellung der Tat lediglich unter den Grundtatbestand des Raubes an.

Auch dieser Einwand versagt.

Der Waffeneinsatz nach § 143 zweiter Fall StGB muß zwar - zumindest als tatplangemäßes Mittel der Bedrohung - vom wenigstens bedingten Vorsatz jedes Beteiligten umfaßt sein (Kienapfel aaO § 143 RN 34); der ausdrücklichen Aufnahme dieses subjektiven Merkmals in die Frage bedurfte es jedoch nicht. Da die Schuldform des Vorsatzes weder beim Grundtatbestand, noch bei der Deliktsqualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB im Gesetzestext ausdrücklich angeführt ist, konnte die Erwähnung des Vorsatzes zufolge § 7 Abs 1 StGB unterbleiben. Sie wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn andernfalls in concreto bei den Laienrichtern Unklarheiten über die maßgebliche Schuldform hätten entstehen können (Mayerhofer-Rieder StGB4 § 7 E 3).

Dies traf hier jedoch nicht zu, hat doch der vom Angeklagten ausgearbeitete Raubplan nach dem Inhalt der Hauptfrage ausdrücklich vorgesehen, daß die unmittelbaren Täter mit Faustfeuerwaffen ausgerüstet in den Postwaggon eindringen sollten, um damit die Postangestellten zu bedrohen. Durch Bejahen dieser Tatumstände haben die Geschworenen eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sie keineswegs von einer bloßen Vorhersehbarkeit des Waffeneinsatzes für den Angeklagten im Sinne eines Fahrlässigkeitsvorwurfes, sondern von seinem darauf gerichteten Vorsatz ausgegangen sind.

Desgleichen wird die Schuldform der Fahrlässigkeit als im Text des § 143 letzter Satz StGB nicht genanntes gesetzliches Merkmal nach § 7 Abs 2 StGB subintelligiert und bedurfte demnach ebenfalls keiner Aufnahme in die Frage (SSt 54/31). Folgerichtig wurden die Kriterien fahrlässigen Verhaltens in bezug auf die Todesfolge nur in der Rechtsbelehrung erläutert. Da die Geschworenen die ihnen vorbehaltene Frage tatsächlicher Art darnach stimmenmehrheitlich bejaht haben, sind auch die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme der Erfolgsqualifikation nach § 143 letzter Fall StGB im Wahrspruch festgestellt.

Indem der Beschwerdeführer diese für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen, im Wahrspruch enthaltenen - bindenden - Feststellungen zur subjektiven Tatseite übergeht, verfehlt er die gesetzmäßige Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach dem dritten Strafsatz des § 143 StGB eine Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren. Dabei wertete es die extrem hohe Raubbeute, die reifliche Überlegung der Tat, deren sorgfältige Vorbereitung, die rücksichtslose Ausführung sowie die führende Beteiligung des Libor O***** als erschwerend; als mildernd berücksichtigte es hingegen die teilweise objektive Schadensgutmachung durch Sicherstellung eines relativ geringfügigen Beuteanteiles.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Er vermag den vom Erstgericht zutreffend aufgezählten und bewertenden Strafzumessungsgründen nichts Entscheidendes hinzuzufügen oder entgegenzusetzen. Seine Mitschuld (§ 32 StGB) an der dem obersten Bereich selbst kapitaler Delinquenz zuzuordnenden Tat wiegt so schwer, daß für eine Ermäßigung der Strafe kein Raum ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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