OGH 5Ob134/94

OGH5Ob134/9429.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Alfred H*****, Kleidermacher,***** vertreten durch Michaela Schinnagl, Sekretärin der Mietervereinigung Österreichs, Bezirksorganisation Wieden, Wiedner Hauptstraße 60 b, 1040 Wien, wider die Antragsgegner 1.) Ing.Hermann V*****, 2.) Martha H*****,

3.) Dr.Volker W*****, und Dr.Ingeborg W*****, ebendort, alle vertreten durch Dr.Richard Wibiral, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 21.Juni 1994, GZ 41 R 464/94-14, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15.Feber 1994, GZ 49 Msch 22/92-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Mieter der Wohnung Nr. 21 im Hause *****, dessen Eigentümer die Antragsgegner sind, wobei mit den Mieteigentumsanteilen der Zweit- bis Viertantragsgegner überdies Wohnungseigentum an anderen Wohnungen verbunden ist.

Der Antragsteller begehrt - nach vorausgegangenem Verfahren vor der Schlichtungsstelle - für die Zeit vom 1.7.1990 bis 31.5.1992 die Feststellung, daß die Antragsgegner ihm gegenüber durch Vorschreibung des vereinbarten Hauptmietzinses von S 3.800,-- pro Monat das zulässige Zinsausmaß insoweit überschritten hätten, als nur die Vorschreibung eines Hauptmietzinses für eine Wohnung der Ausstattungskategorie "C" zulässig sei. Den Antragsgegnern möge die Zurückzahlung des zuviel vorgeschriebenen und vom Antragsteller vorgeschreibungsgemäß bezahlten Hauptmietzinses gemäß § 37 Abs 4 MRG aufgetragen werden.

Der Antragsteller begründete sein Begehren damit, die ihm vermietete Wohnung falle in die Ausstattungskategorie "C", weil - neben anderen, im Einzelnen aufgezählten Mängeln - das vorhandene Bad wegen der bloß bis in den Dachbodenraum, nicht aber über das Dach geführten Entlüftung nicht den Bauvorschriften entspreche.

Im Laufe des Verfahrens wurde durch eine Zeugin (AS 22) und den Antragsteller im Rahmen seiner Parteienaussage (AS 29) bekundet, daß sich in der Küche kein Heizkörper befindet.

Die Antragsgegner beantragten Abweisung des Antrages des Antragstellers. Die generalsanierte Wohnung sei in ordnungsgemäßem Zustand gewesen. Die Ersetzung der noch brauchbaren Fenster durch neue sei dem Antragsteller zugesagt worden, der Auftrag hiezu bereits vor Übergabe der Wohnung erteilt gewesen. Der Mangel der Badezimmerentlüftung sei nach seiner Entdeckung fachgemäß beseitigt worden. Die Baubehörde habe den Umbau bewilligt.

Das Fehlen von Türstaffeln sei nur darauf zurückzuführen, daß der Antragsteller vorher selbst Verfliesungsarbeiten durchführen wollte; Tischler und Anstreicher hätten mehrmals vergeblich versucht, mit dem Antragsteller Arbeitstermine zu vereinbaren.

Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die zu beurteilende Wohnung wurde vor Vermietung an den Antragsteller mit beträchtlichem Aufwand - über (den einzelnen Arbeiten näher zugeordnete) S 240.000 - umgebaut und renoviert. Bei Übergabe der Wohnung an den Antragsteller fehlten noch Türstaffel und Malerarbeiten, die erst nach der vom Antragsteller übernommenen Verlegung des Fliesenbodens in der Küche nachgeholt werden sollten. Um endlich diese Abschlußarbeiten vornehmen zu können, wurde schließlich auch der Fliesenboden auf Kosten der Vermieter verlegt.

Die neuen Fenster sind Holzfenster, bei welchen eine besondere Abdichtung nicht vorgesehen ist.

Die Antragsgegner beabsichtigen einen Dachbodenausbau. Die Baubewilligung für den Einbau des Badezimmers in die Wohnung des Antragstellers wurde deshalb erst nachträglich erwirkt. Als sich herausstellte, daß das Entlüftungsrohr aus dem Baderaum nicht über das Dach des Hauses geführt war, weil dies erst im Zuge des Dachbodenausbaues so geschehen sollte, wurde dieser Mangel behoben.

Der Antragsteller ließ in der Wohnung zusätzliche Steckdosen montieren und sah sich um den Gasanschluß bei den Wiener Stadtwerken um.

Die Lebensgefährtin des Antragstellers zog in die Wohnung zunächst nicht ein, weil darin damals kein Warmwasser zur Verfügung stand. Im Winter lebte sie bei ihrem Vater, weil sie wegen der nicht genug dichten Fenster befürchtete, ihr (am 2.April 1990 geborenes) Kind würde sich erkälten.

Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen folgendes aus:

Die Vereinbarung angemessenen Mietzinses sei nach § 16 Abs 1 Z 4 MRG zulässig gewesen, weil eine Wohnung der Ausstattungskategorie "A" in brauchbarem Zustand vermietet worden sei. Auf den Tatbestand des § 16 Abs 1 Z 5 MRG (Standardanhebung von "C" auf "A") müsse daher nicht zurückgegriffen werden. Es schade nicht, daß die Baubewilligung für das Bad und die Führung der Entlüftung über das Dach erst nachträglich erfolgten, weil die Beurteilung der Ausstattungskategorie hier nicht nach dem im Regelfall maßgebenden Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages zu erfolgen habe, sondern auf Grund des vom Vermieter herzustellenden und tatsächlich geschaffenen Zustandes.

Ob dem Antragsteller etwa wegen verzögerter Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Wohnung (einschließlich des Austausches der Außenfenster) ein Anspruch auf Zinsminderung nach § 1096 Abs 1 ABGB zustehen könnte, sei in dem außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG nicht zu prüfen.

Das Rekursgericht bestätigte den Sachbeschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Auszugehen sei davon, daß nach Beanstandung der mangelhaften Entlüftung eine Behebung durch den Vermieter erfolgte. Die Tatsache, daß die vorhandene Entlüftung zunächst nicht ins Freie (sondern in den Dachbodenraum) geführt wurde, sei lediglich als Funktionsstörung des an sich vorhandenen Ausstattungsmerkmales zu qualifizieren, die vom Vermieter behoben worden sei. Aus der in WoBl 1993, 59/45 veröffentlichten Entscheidung des OGH lasse sich entgegen dem Standpunkt des Antragstellers nicht generell ableiten, daß ein den baubehördlichen Aufträgen widersprechender Zustand des Badezimmers - in welchem Punkt auch immer - dazu führe, daß der zeitgemäße Standard der Badegelegenheit zu verneinen sei. In der genannten Entscheidung sei nämlich ein Mangel zu beurteilen gewesen, dessen Vorhandensein den für das Vorliegen eines zeitgemäßen Standards erforderlichen Feuchtigkeitsschutz (wegen Fehlens der vorgeschriebenen Isolierung) ausgeschlossen habe (zB MietSlg 41.265). Hingegen bedeute die zunächst bloß in den Dachboden geführte Entlüftung keine über eine bloße Funktionsstörung hinausgehende Beeinträchtigung bei der Benützung des Badezimmers.

Bezüglich der erst nachträglichen Ausführung von Türstaffeln und Malerarbeiten werden auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes verwiesen. Von mangelnder Brauchbarkeit der Wohnung könne daher keine Rede sein.

Das Fehlen einer Wärmequelle in der Küche habe vom Erstgericht trotz des vom Antragsteller in seinem Rekurs geltend gemachten Untersuchungsgrundsatzes vom Erstgericht weder berücksichtigt werden müssen noch berücksichtigt werden dürfen, weil der Antragsteller diebezüglich keine Behauptungen aufgestellt habe. Eine Verletzung der Anleitungspflicht durch das Erstgericht - im Hinblick auf entsprechende Aussagen von Zeugen und des Antragstellers - habe jedoch der Antragsteller nicht geltend gemacht.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen sei. Die Frage, ob eine zum Zeitpunkt der Anmietung im Baderaum vorhandene Entlüftung, die allerdings entgegen den Vorschriften der Bauordnung nicht ins Freie führe, eine bloße Funktionsstörung darstelle, gehe in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus.

Gegen den Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß seinem Begehren stattgegeben werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegner beantragten in der ihnen freigestellten Beantwortung des Revisionsrekureses, diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne seines Aufhebungsantrages auch berechtigt.

a) Zur Zulässigkeit:

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht bei der Beurteilung, in welchem Umfang das Gericht wegen des im außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG herrschenden, allerdings beschränkten Untersuchungsgrundsatzes im Zuge des Verfahrens aktenkundig werdende, für die Entscheidung maßgebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen hat, die Rechtslage verkannte.

Ferner stellt die Frage, ob die Entlüftung des Baderaumes zwar nicht ins Freie, wie es die Bauordnung vorschreibt, aber doch aus dem Baderaum unmittelbar hinaus in andere, nicht mitvermietete Räume (hier: den Dachboden) als bloße Funktionsstörung zu behandeln ist, eine erhebliche Rechtsfrage dar, weil gerade die Art der Entlüftung des Baderaumes bei der Sanierung von Wohnungen in Altbauten wegen der verschiedenen Art der Entlüftung zu Auseinandersetzungen über den zeitgemäßen Standard der Badegelegenheit führen kann.

b) Zum Aufhebungsbeschluß:

Das Verfahren nach § 37 MRG ist ein außerstreitiges, in dem daher der Untersuchungsgrundsatz gilt. Dieser Grundsatz fordert vom Richter, den strittigen und für die Entscheidung wesentlichen Sachverhalt von Amts wegen zu erheben und festzustellen, ohne an Parteienanträge gebunden zu sein. Eine natürliche Grenze findet diese Verpflichtung, sobald Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärungsbedürftigkeit fehlen (Würth in Korinek/Krejci, HdBzMRG, 521). Nur wenn eine Partei das Vorliegen einer ihr günstigen Tatsache überhaupt nicht geltend macht, kann das Gericht davon ausgehen, daß der Sachverhalt in dieser Richtung nicht weiter erforscht werden muß (Würth, aaO, 522 f). Die Geltendmachung der für eine Partei günstigen Tatsache kann formlos (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 27 zu § 37 MRG) geschehen, also - wie in dem hier zu beurteilenden Verfahren geschehen - auch im Rahmen einer Parteienaussage. Das Verfahren außer Streitsachen kennt nämlich nicht die strenge Unterscheidung zwischen Parteienvorbringen und Beweisaussage einer Partei im Hinblick auf den maßgebenden Verfahrensstoff, wie sie dem Zivilprozeß eigen ist.

Nach dem Gesagten wären daher schon auf Grund der diesbezüglich vorliegenden Aussagen von Zeugen und des Antragstellers das Erstgericht und das Rekursgericht verpflichtet gewesen, das Fehlen der Beheizbarkeit der Küche als wesentliches Tatbestandsmerkmal für eine die Ausstattungskategorie "C" übersteigende Ausstattungskategorie der vom Antragsteller gemieteten Wohnung in den Bereich der Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung einzubeziehen. Schon diese Unterlassung hat die Aufhebung der Sachbeschlüsse der Vorinstanzen zur Folge.

Rechtlich ist noch Folgendes auszuführen:

Der OGH billigt die Ansicht des Rekursgerichtes, daß die zunächst der Bauordnung nicht entsprechende, aber doch vorhandene und funktionierende Entlüftung des Baderaumes nur unmittelbar aus diesem und aus der Wohnung hinaus nicht bedeutet, daß die Badegelegenheit nicht dem zeitgemäßen Standard entspreche. Ein solcher - nach Anzeige überdies behobener - Mangel unterscheidet sich nämlich wesentlich von dem der Entscheidung WoBl 1993, 59/45 zugrundeliegenden Mangel, bestehend im Fehlen einer von der Bauordnung vorgeschriebenen Feuchtigkeitsisolierung des Baderaumes. Der letztgenannte Mangel betrifft die Qualität des Baderaumes als solchen, erfordert doch dieser Mangel bei Benützung des Bades immer erhöhte Vorsicht im Umgang mit Wasser, um eine Durchfeuchtung des Mauerwerkes und damit die Entstehung eines ersten Schadens des Hauses hintanzuhalten. Hingegen bedeutet das Vorhandensein einer Entlüftung in den Dachboden für die Benützung des Baderaumes überhaupt keine Einschränkung. Der Benützer ist in einem solchen Fall nicht schlechter gestellt, als wenn eine bauordnungsgemäß errichtete Entlüftung zwar vorhanden, aber (zB infolge Nichtfunktionierens eines notwendigen Ventilators oder Verstopfung durch Tiereinflug etc) gerade nicht funktionsfähig wäre. Da bei einer bloßen Funktionsunfähigkeit die kategoriebestimmende Eigenschaft nicht verloren ginge, ist dies - zur Vermeidung eines Wertungswiderspruches - auch nicht der Fall, wenn wegen der festgestellten, bloß vorübergehend beabsichtigten bauordnungswidrigen Entlüftung des Baderaumes in den Dachboden eine Beeinträchtigung der Benützung des Baderaumes überhaupt nicht gegeben ist. Eine Gleichbehandlung dieses Sachverhaltes mit einer bloßen Funktionsstörung ist daher angezeigt.

Zur Vermeidung einer allfälligen Mangelhaftigkeit des nunmehr durchzuführenden weiteren Verfahrens wird mit den Parteien auch zu erörtern sein, auf welchen Ausnahmetatbestand von den an sich für die Mietzinsbildung maßgebenden Vorschriften des § 16 Abs 2 MRG die Antragsgegner die Zulässigkeit der Vereinbarung angemessenen Mietzinses im Sinne des § 16 Abs 1 MRG stützen, deuten doch Beweisergebnisse nicht nur auf den bisher von den Vorinstanzen behandelten Ausnahmetatbestand des § 16 Abs 1 Z 4 MRG hin, sondern auch auf § 16 Abs 1 Z 5 und 6 MRG. Es obliegt jedoch dem Vermieter, der sich auf Ausnahmetatbestände des § 16 Abs 1 MRG beruft, deren Vorliegen konkret zu behaupten und zu beweisen (MietSlg 40.320/5 mwN).

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