OGH 8Ob509/94

OGH8Ob509/9425.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers und Gegners der gefährdeten Partei Gerhard H***** vertreten durch Dr.Max Urbanek, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die beklagte und gefährdete Partei Anna-Ida H***** vertreten durch Dr.Klaus P. Hofmann, Rechtsanwalt in Melk, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens über den einstweiligen Unterhalt, infolge Revisionsrekurses des Klägers und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 12. Jänner 1994, GZ R 119/93-65, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 28. Dezember 1992, GZ 1 C 13/91-58, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte und gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Oberste Gerichtshof vertrat in der in dieser Sache im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung vom 16.9.1993, 8 Ob 585/93, die Rechtsansicht, daß die Wiederaufnahme des Verfahrens über den einstweiligen Unterhalt grundsätzlich zulässig ist.

Ausgehend von dieser ihm überbundenen Rechtsansicht hob das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichts, mit dem dieses den Wiederaufnahmsantrag abgewiesen hatte, auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den Revisionsrekurs erklärte es für zulässig, weil ihm noch einige Verfahrensfragen klärungsbedürftig erschienen. Es faßte seine rechtlichen Erwägungen dahingehend zusammen, daß das Erstgericht die Wiedereinsetzung noch nicht "schlüssig" bewilligt habe, sowie, daß die nunmehr verfügbare persönliche Aussage der Auskunftsperson Ing.Sutter auch im Provisorialverfahren ein neues Beweismittel iS des analog anzuwendenden § 530 Abs 1 Z 7 ZPO darstelle. Die Begründung des Erstgerichts für die Abweisung des Wiederaufnahmsantrages sei nicht tragfähig, weil sie einerseits in der Aktenlage keine Deckung finde und andererseits eine dem Hauptverfahren vorbehaltene Würdigung dieses neuen Beweismittels in Verbindung mit den anderen Beweisergebnissen darstelle. Die Sache sei aber noch nicht spruchreif, weil noch zu prüfen sei, ob der Kläger ohne sein Verschulden bis zum 29.5.1991 (Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung im Rahmen des Provisorialverfahrens) nicht in der Lage gewesen sei, diese Auskunftsperson tatsächlich stellig zu machen. Hiebei sei an die prozessuale Diligenzpflicht des Klägers im Hinblick auf seine Kenntnis von der Dringlichkeit der Ermittlung des Aufenthaltes der Auskunftsperson, insbesondere auch unter Beachtung der Besonderheiten des Provisorialverfahrens, ein "doch sehr strenger Maßstab" anzulegen.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt die Abänderung des angefochtenen Beschlusses iS der Bewilligung der Wiederaufnahme des Provisorialverfahrens und begehrt die Entscheidung im Erneuerungsverfahren iS der Abweisung des Antrages auf einstweiligen Unterhalt, hilfsweise nur die Bewilligung der Wiederaufnahme; in eventu beantragt er, dem Rekursgericht eine Entscheidung in diesem Sinne aufzutragen.

Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

Es mag zwar zutreffen, daß die analoge Anwendung der §§ 530 ff ZPO auf Wiederaufnahmsverfahren über den einstweiligen Unterhalt noch Fragen des Verfahrensrechts aufwerfen kann, denen erhebliche Bedeutung iS des § 502 Abs 1 ZPO zukommt.

Solche macht der Kläger aber nicht geltend. Er bringt einerseits unter dem Titel "Vorprüfungsverfahren oder Verfahren über den Wiederaufnahmeantrag?" vor, daß an Hand der bisherigen Prozeßschritte des Erst- und des Rekursgerichtes nicht klar sei, in welchem Abschnitt sich das Verfahren nunmehr befinde (im Vorverfahren oder bereits im Erneuerungsverfahren?).

Hiezu genügt es darauf hinzuweisen, daß das Rekursgericht den Kläger über seinen diesbezüglichen Einwand gegen die erstgerichtliche Entscheidung bereits in der Rekursentscheidung darüber aufgeklärt hat (S 9), daß das Erstgericht ihm die Wiederaufnahme noch nicht "schlüssig" bewilligt hat, so daß sich das Verfahren noch im Stadium über die Bewilligung der Wiederaufnahme (analog § 541 Abs 1 ZPO) und noch nicht im Verfahren über die Hauptsache, nämlich die Frage der Berechtigung des einstweiligen Unterhalts (analog § 541 Abs 2 ZPO) befindet. Über das Vorprüfungsverfahren (analog § 538 ZPO) ist das Wiederaufnahmsverfahren jedoch bereits hinaus; das Rekursgericht fand auf Grund der ihm vom Obersten Gerichtshof überbundenen Rechtsansicht im zweiten Rechtsgang keinen Grund zur Zurückweisung des Wiederaufnahmsantrages, sondern trug dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung über diesen iS des § 541 Abs 1 ZPO auf.

Richtig ist zwar, daß nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung, die mangels abweichender Beurteilungskriterien auf den vorliegenden Wiederaufnahmsantrag betreffend den einstweiligen Unterhalt anzuwenden ist, nicht im Vorprüfungsverfahren darüber abzusprechen ist, ob der Wiederaufnahmskläger ohne sein Verschulden außerstande war, das behauptete Beweismittel im Vorprozeß zu verwenden (SZ 51/165, EvBl 1992/27 uva; zuletzt 6 Ob 593/92). Daraus zieht aber der Kläger fälschlich den Schluß, daß die Prüfung dieser Frage dem Erneuerungsverfahren vorbehalten sei und daher das Rekursgericht zumindest die Wiederaufnahme des Verfahrens hätte bewilligen müssen. Hier übersieht der Kläger offensichtlich, daß zwischen dem Vorprüfungsverfahren iS des § 538 ZPO, dem Wiederaufnahmsverfahren (iudicium rescindens iS des § 541 Abs 1 ZPO) und dem wiederaufgenommenen Verfahren (iudicium rescissorium oder Erneuerungsverfahren iS des § 541 Abs 2 ZPO) zu unterscheiden ist (Fasching, Lb2 RZ 2084 ff).

Im Vorprüfungsverfahren hat das Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben wurde. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse oder ist die Klage wegen eines der in § 230 Abs 2 ZPO angeführten Gründe unzulässig, so ist sie als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet durch Beschluß zurückzuweisen. Hieraus hat die Rechtsprechung den Schluß gezogen, daß in der Regel, nämlich dann, wenn die Beantwortung der Frage, ob der Wiederaufnahmskläger ohne sein Verschulden nicht imstande war, die neuen Tatsachen und Beweismittel im Vorprozeß geltend zu machen (§ 530 Abs 2 ZPO), von strittigen Tatsachen abhängt, diese noch nicht im Vorprüfungsverfahren zu klären ist; eine Zurückweisung der Klage aus diesem Grund ist nur möglich, wenn sich das Verschulden des Klägers bereits aus seinen Tatsachenbehauptungen in der Klage ergibt (JBl 1979, 268 ua). Da aber die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen dieser Umstände nach § 530 Abs 2 ZPO nur dann zulässig ist, wenn diese neuen Tatsachen oder Beweismittel ohne Verschulden der Partei nicht vor Schluß der mündlichen Verhandlung geltend gemacht werden konnten, ergibt sich schon aus dem Aufbau des Gesetzes eindeutig, daß die Prüfung der Verschuldensfrage Gegenstand der nach mündlicher Verhandlung zu fällenden Entscheidung über die Wiederaufnahme (Fasching, Komm IV 520) und nicht des Erneuerungsverfahrens ist.

Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs des mangelnden Verschuldens weicht die rekursgerichtliche Rechtsprechung nicht von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung ab. Das Rekursgericht führt nicht aus - wie der Kläger ihm zu unterstellen versucht -, daß als Ausgleich für die grundsätzliche Zulässigkeit der Wiederaufnahme im Provisorialverfahren eine besonders strenge Prüfung vorzunehmen sei, sondern lediglich, das an die prozessuale Diligenzpflicht des Klägers wegen der ihm bekannten Dringlichkeit der Ermittlung des Aufenthaltes der von ihm geführten Auskunftsperson im Provisorialverfahren "doch ein sehr strenger Maßstab" anzulegen ist.

Damit befindet sich die Entscheidung in Übereinstimmung mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, nach der die Voraussetzung für die Bewilligung der Wiederaufnahme, daß der zu beseitigende Nachteil ohne Verschulden der Partei entstanden sei, streng zu beurteilen sei, weil der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ja lediglich auf Billigkeit beruhe (EvBl 1958/27; JBl 1976, 439 uva). Eine Wiederaufnahme ist ausgeschlossen, wenn die Partei die Beweismittel bei sorgfältiger Prozeßvorbereitung und Anwendung der während des Verfahrens nötigen Aufmerksamkeit hätte früher auffinden können. Ein Verschulden liegt insbesondere vor, wenn die Partei nichts unternommen hat, um während des Verfahrens den Aufenthalt eines Zeugen zu ermitteln (MGA ZPO14 § 503/105, 112 mwN; Fasching, Komm IV 518f). Daß wegen der Beschränkung auf parate Bescheinigungsmittel im Provisorialverfahren und der vordringlichen Führung und Entscheidung derartiger Verfahren auch besondere Sorgfalt und Mühe bei der Stelligmachung der zu vernehmenden Personen anzuwenden ist, versteht sich von selbst.

Nicht plausibel machen kann der Kläger, wieso ihn nur während der Dauer der Äußerungsfrist im Provisorialverfahren und nicht bis zu der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung zwecks Vernehmung der Parteien im Rahmen des Provisorialverfahrens eine solche Diligenzpflicht treffen sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt wäre die Vernehmung der Auskunftsperson noch möglich und daher die Anstrengungen zur Ermittlung des Aufenthaltes dieser Person fortzusetzen gewesen.

Hieraus folgt, daß der Rechtsmittelwerber keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt hat, sondern lediglich seit langem gelöste Fragen des Wiederaufnahmsrechts aufwirft, die auch bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens über den einstweiligen Unterhalt anzuwenden sind, sodaß der Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen ist. Da, wie ausgeführt, eine meritorische Entscheidung des Rekursgerichtes noch nicht möglich ist, hat es bei der Aufhebung und Rückverweisung zwecks Prüfung der Frage zu bleiben, ob der Kläger tatsächlich ohne sein Verschulden bis 29.5.1991 nicht in der Lage war, die genannte Auskunftsperson stellig zu machen. Die diesbezüglichen Revisionsrekursausführungen wird der Kläger daher im fortgesetzten Verfahren zu wiederholen und unter Beweis zu stellen haben.

Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit dieses Revisionsrekurses nicht hingewiesen und daher nichts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung beigetragen hat, muß sie die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst tragen.

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