OGH 6Ob603/94

OGH6Ob603/9424.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Walter W*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Dipl.Ing. R*****, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr.Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, wegen S 546.416,24 samt Anhang (Revisionsstreitwert S 375.649,01), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20.April 1994, GZ 2 R 51/94-50, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 22.Dezember 1993, GZ 3 Cg 303/93w-44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.785,-- (darin S 2.797,50 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma Dipl.Ing.R***** Baugesellschaft mbH zuletzt S 546.416,24 samt Anhang als Restforderung aus drei im Auftrag der beklagten Partei durchgeführten Bauvorhaben.

Die beklagte Partei wandte ein, von der Klagsforderung seien Mängelbehebungskosten und Qualitätsabzüge vorzunehmen. Für eines der Bauvorhaben sei ein Fertigstellungstermin 31.10.1985 und ein Pönale von S 2.000,-- für jeden Tag der Terminüberschreitung sowie der Ersatz von dadurch entstehenden Mehrkosten für Bauaufsicht und Kosten, die dem Auftraggeber durch die Verzögerung in der Fertigstellung erwachsen, vereinbart worden. Über die Baufirma, die am 18.10.1985 ihre Arbeiten, die erst bis zum Rohbau gediehen seien, eingestellt habe, sei nach Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens am 25.11.1985 der Anschlußkonkurs eröffnet worden. Die durch andere Baufirmen zügig vorangetriebene Fertigstellung des Bauvorhabens sei am 16.5.1986 erfolgt, sodaß von der Klagsforderung für 228 Kalendertage die Pönaleforderung der beklagten Partei von S 456.000,-- abzuziehen sei. Damit ergebe sich aber bereits eine Überzahlung der beklagten Partei.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei S 375.649,01 samt 4 % Zinsen seit 22.12.1989 zu zahlen und wies ein Mehrbegehren von S 170.767,23 samt Anhang ab. Es traf folgende für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:

Aus zwei von der späteren Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Bauvorhaben ist nach Berücksichtigung der Zahlungen der beklagten Partei und von Abzügen für Mängelbehebungskosten noch eine Forderung von insgesamt S 366.239,81 offen.

Im Bauauftrag vom 27.3.1985 für das dritte Bauvorhaben wurde als Termin für die Fertigstellung sämtlicher Lieferungen und Leistungen der 31.10.1985 vereinbart. Für den Fall der Terminüberschreitung wurden ein Pönale von S 2.000,-- pro Kalendertag sowie die Zahlung der Mehrkosten für Bauaufsicht und Kosten, die dem Auftraggeber durch die Verzögerung in der Fertigstellung erwachsen, festgelegt. Die Baufirma nahm die Arbeiten zeitgerecht in Angriff. Sie hätte den Fertigstellungstermin 31.10.1985 nicht einhalten können, weil die auf der Baustelle eingesetzten Arbeitskräfte nicht über die entsprechende Qualifikation verfügten, zunächst veraltete Schalungssysteme eingesetzt wurden und Organisation und Einteilung nicht funktionierten. Am 18.10.1985 stellte die Baufirma die Arbeiten auf der Baustelle zur Gänze ein. Zu diesem Zeitpunkt war erst etwa die "Rohbauphase" erreicht. Nach den Behauptungen der klagenden Partei wurde an diesem Tag das Ausgleichsverfahren eröffnet. Am 2.11.1985 legte die Baufirma die Schlußrechnung über die bis zur Arbeitseinstellung erbrachten Leistungen, am 25.11.1985 wurde der Anschlußkonkurs eröffnet. Die beklagte Partei mußte die Fertigstellung und Mängelbehebungsarbeiten an andere Firmen vergeben; das Bauvorhaben konnte erst am 16.5.1986 endgültig abgeschlossen werden. Nach dem Fertigstellungsgrad zum Zeitpunkt der Schlußrechnung unter Abzug für Ausführungsmängel und geleistete Zahlungen ergibt sich eine Restforderung der klagenden Partei von S 55.009,20. Unter Berücksichtigung der durch die Umorganisation und Neuausschreibung nach Einstellung der Bauarbeiten durch die Gemeinschuldnerin der beklagten Partei entstandenen Mehrkosten von S 45.600,-- ergibt sich eine Restforderung der klagenden Partei aus diesem Bauvorhaben von S 9.409,20.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die berechtigte Forderung der klagenden Partei aus allen drei Bauvorhaben errechne sich nach den Feststellungen mit dem zugesprochenen Betrag von S 375.649,01 samt Anhang. Die tatsächlichen Mehrkosten der beklagten Partei seien bereits berücksichtigt, die behauptete Pönaleforderung von S 456.000,-- stehe der beklagten Partei nicht zu: Die Baufirma hätte den vereinbarten Fertigstellungstermin 31.10.1985 zwar selbst dann nicht einhalten können, wenn es nicht zu einer vorzeitigen Arbeitseinstellung wegen ihrer Zahlungsunfähigkeit gekommen wäre. Zum Zeitpunkt der Verwirkung der Vertragsstrafe am 31.10.1985 habe sich die Baufirma aber schon im Konkurs befunden, sodaß das Pönale von der beklagten Partei als Gläubiger nicht gefordert werden könne. Trete der Masseverwalter von einem noch nicht erfüllten zweiseitigen Vertrag zurück, sei die Vertragsstrafe Konkurs-(Ausgleichs-)Forderung. Durch die am 25.11.1985 erfolgte Eröffnung des Anschlußkonkurses sei der Anspruch auf die Vertragsstrafe überhaupt erloschen, zumal die Gemeinschuldnerin die Arbeiten auf der Baustelle schon vor Konkurseröffnung endgültig eingestellt und danach nicht mehr weitergeführt habe. Eine Kompensation der Vertragsstrafe mit der Forderung des Masseverwalters sei daher weder möglich noch zulässig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge.

Die klagende Partei, die jedenfalls vor Eröffnung des Anschlußkonkurses Gläubigerin aus der Pönalevereinbarung geworden sei, habe diese Forderung erstmals mit Schriftsatz während des Verfahrens geltend gemacht und damit einseitig und außergerichtlich aufgerechnet, sie habe aber keine prozessuale Aufrechnungserklärung abgegeben. Mangels Erhebung einer solchen Aufrechnungseinrede als Prozeßeinwendung habe das Erstgericht - entgegen den unrichtigen Ausführungen in der Berufung - zu Recht nur in einem eingliedrigen Urteilsspruch über das Klagebegehren entschieden. Im Berufungsverfahren sei nur das Streitgegenstand, was der Rechtsmittelwerber begehre; das Rechtsmittelgericht sei an die Rechtsmittelanträge und -gründe gebunden. Der Rechtsmittelantrag begrenze den Umfang der Überprüfung und bestimme die gewünschte Entscheidung. Auf die in den Rechtsmittelausführungen und im Rechtsmittelantrag als Neuerung erhobene prozessuale Aufrechnungseinrede könne ungeachtet ihrer allfälligen materiellen Berechtigung nicht eingegangen werden. Damit sei aber trotz des in erster Instanz erhobenen Schuldtilgungseinwandes dieser im Berufungsverfahren nicht mehr zu überprüfen und das Urteil des Erstgerichtes zu bestätigen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, "zumal die von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung soweit überblickbar noch nicht geäußerte Rechtsansicht vertretbar wäre, daß im Insolvenzverfahren eine Unterscheidung zwischen Aufrechnungseinrede und Schuldtilgungseinwand obsolet sei".

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Strittig ist nur mehr die von der beklagten Partei behauptete Pönaleforderung gegen die Gemeinschuldnerin.

Dem Berufungsgericht ist insoweit zuzustimmen, als zwischen einem Schuldtilgungseinwand als einseitiger außergerichtlicher Aufrechnungserklärung, die auch während eines anhängigen Verfahrens abgegeben werden kann und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1438 ABGB wie eine Zahlung in Höhe des aufgerechneten Betrages wirkt, und einer prozessualen Aufrechnungseinrede, mit welcher die Feststellung im Prozeß begehrt wird, daß die Gegenforderung in der eingewendeten Höhe (höchstens bis zur Höhe der Klagsforderung) zu Recht bestehe, zu unterscheiden ist und daß die im Schriftsatz der beklagten Partei vom 4.2.1992 geltend gemachte Pönaleforderung als "außerprozessuale" Aufrechnungserklärung anzusehen ist. Es war daher auch richtig, daß das Erstgericht die Frage, ob eine Kompensation mit der geltend gemachten Klagsforderung eingetreten ist, nur als Vorfrage gelöst hat. Aus der Tatsache allein, daß die beklagte Partei in ihrer Berufung im Rahmen der Rechtsrüge ausführte, das Erstgericht hätte der Aufrechnung der beklagten Partei folgen und in Form eines dreigliedrigen Urteilsspruches die Klagsforderung zur Gänze abweisen müssen, weil die Pönaleforderung die Klagsforderung übersteige, war das Berufungsgericht, da die Rechtsrüge ordnungsgemäß ausgeführt war und im Berufungsantrag jedenfalls auch die gänzliche kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens beantragt wurde, im Rahmen der allseitigen rechtlichen Überprüfung nicht davon entbunden, die Rechtsfrage zu lösen, ob die Pönaleforderung der beklagten Partei berechtigt und damit wegen der erfolgten Aufrechnungserklärung zum Zeitpunkt der Aufrechnungslage Schuldtilgung eingetreten ist.

Das Urteil des Berufungsgerichtes erweist sich aber im Ergebnis als richtig: Beide Streitteile gingen nach dem finanziellen Zusammenbruch der späteren Gemeinschuldnerin und der deshalb erfolgten Einstellung der Bauarbeiten am 18.10.1985, welcher der Ausgleichsantrag und kurz darauf der Anschlußkonkurs folgten, von einer Vertragsauflösung aus, wenn diese auch von der Baufirma verschuldet und eine rechtzeitige Fertigstellung bis 31.10.1985 jedenfalls nicht mehr möglich gewesen wäre. Die beklagte Partei hat anläßlich der bereits am 2.11.1985 von der Baufirma über die bis dahin erbrachten unvollständigen Bauarbeiten gelegte Schlußrechnung keineswegs auf der Weiterführung der Arbeiten bestanden, sondern vielmehr die Schlußrechnung nur inhaltlich bemängelt und ihrerseits die Neuausschreibung für die noch offenen Arbeiten veranlaßt und andere Unternehmer beauftragt. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, daß eine einvernehmliche Auflösung des bestandenen Vertrages erfolgte. Da diese Auflösung von der Gemeinschuldnerin verschuldet war, stehen der beklagten Partei grundsätzlich Schadenersatzansprüche zu, welche sie durch das Begehren von Qualitätsabzügen, Mängelbehebungskosten, Mehrkosten an Verwaltungsaufwand durch Neuausschreibung, Abrechnung und Bauaufsicht auch ziffernmäßig geltend gemacht hat und die zum einen durch Berücksichtigung bei der Berechnung der restlichen berechtigten Schlußrechnungssumme und zum weiteren Teil durch Berücksichtigung eines weiteren Betrages von S 45.600,-- für berechtigte Mehraufwendungen von der Klagsforderung in Abzug gebracht wurden.

Das Pönale von S 2.000,-- für jeden Tag, um den der vereinbarte Fertigstellungstermin 31.10.1985 überschritten werde, war neben den genannten gesondert berücksichtigten Mehrkosten nur als Verzugsfolge vereinbart und sollte ebensolange dauern wie der Verzug. Durch die - wenn auch von der späteren Gemeinschuldnerin verschuldete - einvernehmliche Vertragsauflösung kommt aber ein Verzug bei der Vertragserfüllung schon begrifflich nicht mehr in Betracht. Ist der Vertrag beendet, kann es auch keinen Verzug mehr in der Vertragserfüllung geben; gerade auf diese hat die beklagte Partei ja durch anderweitige Vergabe der Fertigstellung verzichtet. Mangels einer berechtigten Forderung der beklagten Partei in diesem Umfang und daher mangels bestehender Aufrechnungslage erübrigt es sich aber, darauf einzugehen, welche Auswirkungen die Konkurseröffnung auf eine bereits aufrechenbare Forderung hat.

Der Revision war daher im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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