OGH 7Ob636/94

OGH7Ob636/9423.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz F*****, 2. Helga F*****, beide vertreten durch Dr.Dieter Böhmdorfer ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ludwig L*****, vertreten durch Dr.Clemens Schnelzer, Rechtsanwalt in Zwettl, wegen Unterlassung (Streitwert S 300.000,--), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 13.April 1994, GZ 17 R 42/94-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 23.November 1993, GZ 4 Cg 80/92-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise nicht Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung, soweit sie das Hauptbegehren - die beklagte Partei sei schuldig es zu unterlassen, auf der Liegenschaft E***** eine Diskothek zu betreiben, - abweist, als Teilurteil bestätigt.

Ansonsten wird der Revision Folge gegeben und die Berufungsentscheidung, soweit sie auch das Eventualbegehren - die beklagte Partei sei schuldig es zu unterlassen, auf der Liegenschaft E***** eine Diskothek zu betreiben, soweit eine Lärmemission von 22 db überschritten wird, - abweist, aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, nach Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung zu fällen.

Die Berufungs- und Revisionskosten bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger erwarben das Grundstück E***** Nr.14 aufgrund eines Übergabsvertrages vom 29.11.1976 je zur Hälfte. Sie haben ab 1977 anstelle des alten Wohnhauses ein neues errichtet, das an jenes des Beklagten auf der Nachbarliegenschaft E***** Nr.15 angebaut wurde. Zur Zeit der Übergabe betrieb der Beklagte auf seiner Liegenschaft ein konzessioniertes Gasthaus (Kirchenwirt) mit einer kleinen Bar und einer nicht leistungsfähigen Diskothek, von der aber keine Lärmbelästigung ausging. 1980 wurde vom Beklagten eine "große" Musikanlage eingebaut und ein neuer Diskothekensaal dazugebaut. Für diesen Betrieb erhielt der Beklagte letztlich (zufolge des Bescheides des Wirtschafts- und Bautenministeriums vom 12.6.1992) keine gewerbebehördliche Genehmigung, weil die Lärmauswirkungen eine Gesundheitsgefährdung für Nachbarn nach sich ziehen würden; er betrieb die Diskothek aber dennoch von 1980 bis 14.9.1992. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Stromzufuhr für die Diskothek gewerbebehördlich durch Plombierung des Zählerkastens gesperrt und seither der Betrieb nicht mehr aufgenommen. Die vier Türen zwischen Gastlokal und Diskothekensaal sind nunmehr vermauert, der Diskothekensaal kann nur mehr durch eine Tür vom Hof her betreten werden. Im vorliegenden Verfahren konnte die von der Diskothek ausgehende Lärmbelästigung mangels Stromzufuhr nicht gemessen werden.

Mit ihrer am 3.4.1992 eingebrachten Klage begehren die Kläger, dem Beklagten den Betrieb einer Diskothek zu verbieten. In der Verhandlung vom 3.6.1992 stellten sie das Eventualbegehren, daß der Beklagte schuldig sei, beim Betrieb seiner Diskothek eine 22 dB überschreitende Lärmemission im Haus der Kläger zu unterlassen (AS 113). Sie brachten vor, daß der von der vom Beklagten ohne behördliche Genehmigung betriebenen Diskothek ausgehende Lärm das ortsübliche Ausmaß bei weitem überschreite und daß von dort unzumutbare Belästigungen ausgingen, die auf die Dauer gesundheitsschädlich seien.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, seine Diskothek bereits seit 1970 zu betreiben. Dabei werde das ortsübliche Maß an Geräuschbelästigung nicht überschritten. Seinem Gast- und Schankgewerbebetrieb sei die erforderliche Genehmigung erteilt worden; er habe alle gewerbebehördlichen Auflagen erfüllt. Die Kläger hätten erst nach Errichtung des Diskothekenbetriebes ihr Wohnhaus angebaut. Mit Schriftsatz vom 29.9.1992 (ON 12) gab der Beklagte die Schließung seiner Diskothek und die Einstellung seines Betriebes bekannt.

Die Kläger haben, vom Erstgericht dazu aufgefordert, erklärt, daß diese Erklärung noch nicht geeignet sei, die bestehende Wiederholungsgefahr zu beseitigen, vielmehr müsse der Beklagte das Klagebegehren entweder anerkennen oder einen umfassenden Unterlassungsvergleich anbieten. Der Beklagte sei in der Folgeverhandlung gemäß § 182 ZPO aufzufordern, bekanntzugeben, ob seine Erklärung vom 29.9.1992 in diesem Sinne aufzufassen sei (ON 21).

Der Beklagte brachte dazu in der Folgeverhandlung nur vor, daß der Diskothekenbetrieb gesperrt sei und eine Wiedereröffnung erst nach behördlicher Genehmigung erfolgen werde.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Der Beklagte sei trotz seiner Ankündigung im Schriftsatz ON 12, daß kein Diskothekenbetrieb mehr stattfinden werde, dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmünd, den Diskothekenbetrieb einzustellen, nicht nachgekommen, sodaß es zu einer behördlichen Sperre gekommen sei. Allein daraus sei die Wiederholungsgefahr abzuleiten. Eine Erfüllung des Klagebegehrens vor Schluß der Verhandlung werde daher nicht angenommen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung in eine kostenpflichtige Abweisung des Haupt- und Eventualbegehrens ab. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand als mit S 50.000,-- übersteigend, erklärte die Revision aber nicht für zulässig. Rechtlich folgerte das Berufungsgericht ohne Eingehen auf die Mängel- und Beweisrüge aufgrund unbestrittener Feststellungen, daß das Klagebegehren zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung nicht mehr berechtigt gewesen sei, weil keine Wiederholungsgefahr mehr bestehe. Wenn sich der Beklagte offengehalten habe, eine gewerberechtliche Betriebsbewilligung für seine Diskothek in Zukunft zu erlangen, könne ihm dies nicht verwehrt werden. Tatsächlich habe er mit der Vermauerung von vier Türen Maßnahmen getroffen, die den Betrieb einer Diskothek unmöglich machten, deutlichere Maßnahmen könnten aber nicht mehr gesetzt werden. Die Rechtsordnung kenne keinen vorbeugenden Unterlassungsanspruch, der die Kläger berechtige, gegen das Begehren des Beklagten, eine gewerberechtliche Bewilligung für seine Diskothek anzustreben, ein Sicherungsmittel zu schaffen. Unbeachtlich sei, daß der Anspruch der Kläger im Zeitpunkt der Klagseinbringung gerechtfertigt gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von den Klägern erhobene Revision ist teilweise berechtigt.

Bei Prüfung der Gefahr einer Wiederholung einer Immission im Sinne des § 364 ABGB fordert die Rechtsprechung, daß dabei nicht engherzig vorgegangen werden darf. Wiederholungsgefahr liegt schon im Fortbestehen eines Zustandes, der keine Sicherungen gegen weitere Rechtsverletzungen bietet. Wiederholungsgefahr ist auch anzunehmen, wenn der unterlassungspflichtige Beklagte sein Unrecht nicht einsieht (vgl. SZ 50/99; SZ 55/30; SZ 61/133). Wenn es auch zutrifft, daß der Frage, ob nach den besonderen Umständen des Einzelfalles Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, im allgemeinen keine "erhebliche Bedeutung" im Sinn des § 502 Abs.1 ZPO zukommt, ist doch die Annahme des Berufungsgerichtes, der Beklagte habe selbst die Wiederinbetriebnahme seiner Diskothek unmöglich gemacht, unhaltbar. Eine Stromzufuhr kann jederzeit von einer anderen nicht plombierten Stromquelle her erfolgen, die Vermauerung der Türen kann vom Beklagten jederzeit ohne besonderen Aufwand wieder beseitigt werden, es besteht nach wie vor der Diskothekensaal samt Anlage. Der Beklagte will nach wie vor eine Betriebsbewilligung für seine Diskothek, er bietet den Klägern keine Maßnahmen gegen die Lärmemission an, sondern will entsprechende Auflagen der Behörde überlassen. § 74 GewO und die damit verwandten Bestimmungen garantieren zwar ebenfalls Schutz gegen von Gewerbebetrieben ausgehenden Lärmbelästigungen; diesen Bestimmungen liegen zum Teil jedoch andere Kriterien als jene nach § 364 ABGB zugrunde (vgl. 7 Ob 576/94). Allerdings erweist sich das Hauptbegehren der Kläger aus folgenden Gründen als unberechtigt:

Vom Nachbarn kann nur die Unterlassung unzulässiger Eingriffe, es können aber keine bestimmten Vorkehrungen zur Verhinderung allfälliger Emissionen begehrt werden; es muß diesem überlassen bleiben, auf welche Art er die Emissionen verhindert (SZ 50/99; 52/55; JBl 1988, 594 uva; Klang in Klang II2 173; derselbe ausführlich in Randa FS 116 ff; W.Jelinek, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen 40 ff; Spielbüchler in Rummel, ABGB I2 Rz 17 zu § 364).

Der Eigentümer eines Grundstücks kann nach § 364 Abs 2 ABGB vom Nachbargrund ausgehende "unmittelbare Zuleitungen" unter allen Umständen, sonstige Einwirkungen, die beispielsweise aufgezählt sind, wie zB Geräusche und Erschütterungen, nur dann untersagen, wenn sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Damit steht das Hauptbegehren der Kläger auf Betriebseinstellung in einem unlösbaren Widerspruch (vgl. SZ 50/99; 1 Ob 658/82; vgl. auch SZ 61/278).

Bei Unterlassungsklagen ist ein bestimmtes (aber nicht zu eng gefaßtes, weil sonst zu leicht umgehbares) Gebot notwendig, welche Handlungen wann und wo zu unterlassen sind; es ist aber nicht am begehrten Spruch zu haften, sondern das Gericht hat unter Berücksichtigung der in der Klage angeführten Tatsachen zu beurteilen, ob ein minus oder nur ein (unzulässiges) aliud zugesprochen werden könnte (vgl SZ 55/177 ua).

Das besonders im Eigentums- und Besitzschutz übliche Unterlassungsbegehren ist kein Handlungsverbot, sondern ein "Erfolgsverbot" (dazu ausführlich W.Jelinek aaO 35 ff); bei Erfolgseintritt wird aus ihm nach § 355 EO vollstreckt, um den Verpflichteten zu einem - der Art nach ihm zu überlassenden - Handeln zu zwingen, das bewirken soll, daß er das verbotene Eindringen hindert; gegen ihn wird aber auch mit Beugestrafen vorgegangen. Der Beklagte hat also auf eine ihm zu überlassende Art zu "vermeiden" oder zu "verhindern", daß nach § 364 Abs 2 ABGB unzulässige Einwirkungen auf das Grundstück der Kläger gelangen (W.Jelinek aaO 40 ff; so auch Klang in Klang II2 169 und SZ 20/184).

Ein Verbot an den Lärmverursacher, einen bestimmten Geräuschpegel (gemessen nach dB) nicht zu überschreiten, wird von der österreichischen Rechtsprechung anerkannt (vgl. SZ 50/99 sowie 8 Ob 635/92). Bei einem solchen Verbot ist es dem Beklagten überlassen, wie er sich an die Beschränkung hält. Allerdings fehlen im vorliegenden Fall Feststellungen über den ortsüblichen Geräuschpegel, eine Beurteilung, ob die in der Vergangenheit liegenden Lärmbelästigungen diesen ortsüblichen Geräuschpegel überschritten haben und ob die Benützung des Hauses der Kläger als Wohnhaus dadurch wesentlich beeinträchtigt worden ist. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, über diese relevanten Umstände ergänzende Feststellungen zu treffen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 392 Abs.2 und 52 ZPO.

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