OGH 1Ob37/94

OGH1Ob37/9423.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef H*****, vertreten durch Dr.Gottfried Reif, Rechtsanwalt in Judenburg, wider die beklagte Partei Land S*****, vertreten durch Dr.Alfred Lind und Dr.Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 75.174,-- sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 29. Juni 1994, GZ 2 R 111/94-41, womit das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 13.April 1994, GZ 8 Cg 65/93g-34, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,40 USt.) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG P*****, zu welcher unter anderem das Wiesengrundstück ***** gehört. Dieses Wiesengrundstück grenzt direkt an die asphaltierte Landesstraße L *****.

Der Kläger brachte vor, die Oberflächenwässer des genannten Wiesengrundstückes seien seit Jahrzehnten über einen unter der L ***** führenden Kanal abgeleitet worden. Durch die mangelhafte Wartung dieser Landesstraße sowie durch deren geologische Veränderungen (Senkung) sei es auf dem Grundstück ***** zu einem Rückstau des Wassers gekommen. Die Landesstraße habe eine Dammwirkung erzeugt, was zu einer Versumpfung des Wiesengrundstücks und einem damit verbundenen Ernteverlust in den Jahren 1989 bis 1991 geführt habe. Insgesamt betrage der dem Kläger entstandene Schaden S 75.174,--. Den Ersatz dieses Betrags begehrt er von der beklagten Partei, wobei er seinen Anspruch auf alle erdenklichen Rechtsgrundlagen, insbesondere aber auch auf die Bestimmung des § 364a ABGB stützt.

Die beklagte Partei wendete ein, daß das Grundstück des Klägers starke unterirdische Wasserzüge aufweise und sumpfig sei. Die Straßenanlage sei weder mangelhaft gewartet worden, noch seien geologische Veränderungen infolge Senkung aufgetreten. Die Erhaltung und Reinigung der landwirtschaftlichen Drainagen, die den Wasserablauf gewährleisten sollten, obliege dem Kläger. Die L ***** habe nicht nachteilig auf das Grundstück des Klägers eingewirkt. Seinen allenfalls erlittenen Ernteausfall habe er selbst zu vertreten. Der für das Jahr 1989 geltend gemachte Anspruch sei verjährt. Der dem Wasserabfluß dienende Durchlaß sei durch auf der Landesstraße stattgefundene LKW-Transporte nicht beschädigt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß der Kläger für die Erhaltung des Durchlasses unter der Landesstraße selbst verantwortlich sei. Für Schäden, die auf mangelhafte Wartung des Durchlasses zurückzuführen seien, habe er selbst aufzukommen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf; den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Dem Kläger stünde das Recht zu, Wasser von seinem Grund unter der Landesstraße hindurch in den P*****bach abzuleiten. Dieses Recht sei als Dienstbarkeit gemäß § 497 ABGB zu werten. Da die beklagte Partei die dem Kläger als Servitutsberechtigtem obliegenden Pflichten zur Reinigung und Erhaltung des Durchlasses nicht übernommen habe, sei der Kläger tatsächlich für die Säuberung und Erhaltung dieses Durchlasses selbst verantwortlich. Das Erstgericht habe sich aber nicht mit den vom Kläger behaupteten geologischen Veränderungen der Straßenanlage auseinandergesetzt. Eine Landesstraße sei eine Anlage im Sinne des § 364a ABGB. Von ihr ausgehende, gemäß § 364 Abs.2 ABGB unzulässige Immissionen würden verschuldensunabhängig zum Schadenersatz verpflichten. Dem Kläger könnte, stellte sich seine Behauptung, geologische Veränderungen des Straßenkörpers hätten zum Zusammenbruch des Durchlasses und zum Rückstau der Abwässer auf seiner Wiese geführt, als richtig heraus, ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch zustehen. Zum Beweis seiner Behauptungen habe der Kläger die Zuziehung eines Sachverständigen aus dem Fache des Straßenbauwesens beantragt. Diesen Beweis habe das Erstgericht nicht aufgenommen. In diesem Umstand liege eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens. Das Erstgericht werde nach Aufnahme zumindest dieses Sachverständigenbeweises ergänzende Feststellungen darüber zu treffen haben, ob die vom Kläger behaupteten geologischen Veränderungen eingetreten sind, bejahendenfalls sei festzustellen, welche Auswirkungen sie gezeitigt hätten.

Rechtliche Beurteilung

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Frage der Haftung für Auswirkungen aus geologischen Veränderungen eines Straßenkörpers noch keine Judikatur vorliege.

Der gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs der beklagten Partei ist unzulässig.

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes (§ 526 Abs.2 ZPO) liegen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rekurses nicht vor.

Die beklagte Partei meint, das Erstgericht habe sich mit dem Vorbringen des Klägers, daß die Versumpfung des klägerischen Wiesengrundstückes aufgrund von geologischen Veränderungen der L ***** (einer Senkung der Straße), wobei die Straße eine Dammwirkung erzeugt habe, herbeigeführt worden sei, ohnehin beschäftigt. Sie vertritt die Ansicht, durch die unbekämpft gebliebene Feststellung, daß der Verlauf der Landesstraße seit Jahrzehnten gleich gewesen sei, habe das Erstgericht zum Ausdruck gebracht, geologische Veränderungen hätten nicht stattgefunden. Diese Schlußfolgerung läßt sich aber aus der zitierten Feststellung keinesfalls ziehen, denn der Verlauf einer Straße ändert sich selbst dann nicht, wenn etwa das Straßenniveau beträchtlich abgesenkt wird. Das Erstgericht hat sich mit dem erwähnten Vorbringen des Klägers über die geologischen Veränderungen der Landesstraße nicht befaßt, und dementsprechend auch nicht den vom Kläger beantragten Beweis der Zuziehung eines Sachverständigen aus dem Fach des Straßenbauwesens abgeführt. Auch aus der Aussage des Klägers, der Überschwemmungsschaden sei nur dadurch entstanden, daß die Abwässer nicht unterhalb der Straße hätten durchfließen können, läßt sich nicht der Schluß ziehen, geologische Veränderungen hätten schon nach dessen Aussage nicht stattgefunden, weil solche Veränderungen durchaus die Ursache für die vom Kläger beschriebene Unmöglichkeit des Durchflusses gewesen sein könnten.

Die von der beklagten Partei aufgeworfenen Fragen sind jedenfalls keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung.

Auch die Behauptung der beklagten Partei, geologische Veränderungen aus einem behördlich genehmigten Straßenbau rechtfertigten keinen Anspruch gemäß § 364 ABGB, zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 502 Abs.1 und § 519 Abs. 2 ZPO auf. In ständiger Rechtsprechung vertritt der Oberste Gerichtshof die Auffassung, daß die Vorschriften nach den §§ 364 ff ABGB auch im Verhältnis eines beeinträchtigten Privatgrundstückes zu einer öffentlichen Straße anzuwenden sind und der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch (§ 364a ABGB) insbesondere dann, wenn der Eingriff in das Eigentumsrecht des Nachbarn von einer behördlich genehmigten Anlage ausgeht, verschuldensunabhängig ist. Es komme nur darauf an, ob die vom Grundstück der beklagten Partei ausgehenden Einwirkungen die Nutzung des Grundstückes des Klägers beeinträchtigten (SZ 61/7; JBl 1987, 381; SZ 59/5; ImmZ 1986, 174; SZ 57/134; SZ 54/137; 1 Ob 29/89 uva). Im vorliegenden Fall ist dessen Grundstück allenfalls durch eine (behördlich genehmigte) öffentliche Straße beeinträchtigt. Welche Veränderungen im Bereich der Straße die Beeinträchtigung herbeigeführt haben, ist für die Beantwortung der Frage, ob eine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, nicht relevant.

Der Rekurs ist zurückzuweisen.

Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der Kosten seiner Rekursbeantwortung, weil er darin auf die Unzulässigkeit des Rekurses der beklagten Partei hingewiesen hat (§§ 41, 50 ZPO).

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