OGH 7Ob601/94

OGH7Ob601/9423.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Veronika H*****, vertreten durch Dr.Joachim Hörlsberger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Land Salzburg, ***** vertreten durch Univ.Doz.Dr.Friedrich Harrer und Dr.Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 100.000,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 30.Juni 1994, GZ 21 R 143/94-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 5.Jänner 1994, GZ 14 C 2221/91-26, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die damals 42jährige Klägerin nahm am 4.12.1989 als stationär aufgenommene Patientin der Landesnervenklinik Salzburg am täglichen, von einer Psychotherapeutin geleiteten Morgensport teil, der den Patienten unter anderem als Therapie zur Gewöhnung an ein normales Alltagsleben angeboten wurde. Hiebei erlitt die Klägerin beim Hüpfen am Stand von einem Bein auf das andere einen Riß der - nicht vorgeschädigten - Achillessehne. Sie begehrte von der beklagten Partei als Träger der Krankenanstalt ein Schmerzengeld von S 100.000,-- und behauptete, die für den Morgensport Verantwortlichen hätten die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen zur gefahrlosen Durchführung desselben - wie vorheriges Aufwärmen, Beheizen des Turnraumes und Verwendung entsprechender Unterlagen am Boden - unterlassen. Die beklagte Partei bestritt diese Vorwürfe und beantragte Klagsabweisung.

Das Erstgericht erkannte der Klägerin ein Schmerzengeld von S 90.000,-- s.A. zu und wies das Mehrbegehren von S 10.000,-- sA ab. Die beklagte Partei habe nicht bewiesen, daß sie bzw. ihre Leute kein Verschulden an der Erfüllung ihrer vertragsgemäßen Verbindlichkeit treffe, den Morgensport gefährdungsfrei abzuhalten, zumal davon auszugehen sei, daß ein "Laufen vom Fleck" eine geringere Belastung und damit eine geringere Gefährdung der Achillessehne dargestellt hätte.

Das Gericht zweiter Instanz änderte das Urteil im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung ab. Die beklagte Partei schulde zwar im Rahmen des mit der Klägerin geschlossenen Behandlungsvertrages die Anwendung ärztlicher Kunstkenntnisse und hafte auch für Sorgfaltsverletzungen in jenem Bereich der Heilbehandlung, der nicht von einem Arzt, sondern - wie hier - von einer Psychotherapeutin geleitet werde. Der Umstand, daß es eine die Sehnen weniger belastende sportliche Übung, etwa durch Laufen nicht am Stand, gegeben hätte, begründe aber noch keine Sorgfaltsverletzung.

Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Rechtsprechung auf dem Gebiet der Arzthaftung noch nicht gefestigt sei, wobei es sich auf die Entscheidung RZ 1994/22 berief.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedoch unzulässig, weil entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs.1 ZPO zu klären ist.

Die Problematik der ärztlichen Aufklärungspflicht, die in der in RZ 1994/22 veröffentlichten und hier zur Begründung der Zulässigkeit der Revision herangezogenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz abgehandelt wurde, stellt sich im vorliegenden Fall nicht.

Die Untergerichte haben zutreffend erkannt, daß der unter anderem aus Therapiegründen durchgeführte, den Patienten mit Nachdruck angeratene Morgensport vom Vertragsverhältnis des Krankenhausträgers und des Patienten mitumfaßt ist, sodaß die beklagte Partei auch zur Durchführung des Morgensportes auf eine die körperliche Unversehrtheit der Klägerin wahrende Weise vertraglich verpflichtet war. Es entspricht auch der einhelligen Rechtsprechung, daß in einem solchen Fall die beklagte Partei als Krankenhausträger und Vertragspartner des Patienten zu beweisen hat, daß ihre Erfüllungsgehilfen, wozu auch die als Vorturnerin und Leiterin der morgendlichen Turnveranstaltung eingesetzte Psychotherapeutin gehört, kein Verschulden an der Verletzung der Klägerin trifft (vgl. die Zusammenstellung der umfangreichen Rechtsprechung zur Haftung des Trägers der Krankenanstalt und zur Betreuungspflicht bei Reischauer in Rummel2 II, Rz 24, 27, 28 zu § 1299 ABGB). Da die Umstände, wie es zu dieser Verletzung kam, ohnehin aufgeklärt wurden, liegt ein Beweislastproblem nicht vor. Ob die Art der Leitung einer Turnstunde und die Aufforderung zur Durchführung einer bestimmten Turnübung, die zu einer Verletzung eines Teilnehmers führt, einen Verschuldensvorwurf gegen den Leiter der Turnveranstaltung rechtfertigt, hängt von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Eine krasse Fehlbeurteilung kann in der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, daß der Leiterin des Morgenturnens und auch dem sonstigen Personal der Landesnervenklinik Salzburg kein Verschulden an dem bei einer Turnübung einfachster Art eingetretenen Sehnenriß der Klägerin unter den hier gegebenen Umständen vorzuwerfen ist, nicht erblickt werden.

Die Revision war daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs.1 ZPO zurückzuweisen.

Da die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen hat, hat ihr die Klägerin die Kosten der Revisionsbeantwortung gemäß den §§ 41 und 50 ZPO zu ersetzen.

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