OGH 1Ob608/94

OGH1Ob608/9423.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Dkfm.Johann F*****, 2) Maria F*****, beide vertreten durch Dr.Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1) Josef P*****, und 2) Rosemarie W*****, beide vertreten durch Dr.Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgerichts vom 6.Juli 1994, GZ 21 R 527/94-18, womit die Berufung der beklagten Parteien ON 7 gegen das Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 24.August 1993, GZ 15 C 1577/93x-3, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht erließ über Antrag der Kläger gegen die der 1. Tagesatzung vom 24.August 1993 ferngebliebenen Beklagten das dem Klagebegehren auf Räumung einer näher bezeichneten Wohnung stattgebende Versäumungsurteil vom 24.August 1993 ON 3, das den Beklagten nach der Aktenlage am 31.August 1993 nach zwei Zustellversuchen unter der Anschrift Salzburg, ***** durch Hinterlegung beim Postamt 5020 Salzburg zugestellt wurde. In den zur Herstellung der Urteilsausfertigungen von den Klägern vorgelegten Rubriken scheinen als Anschriften der Beklagten andere Salzburger Anschriften auf. Offenbar deshalb wurden auch die Kuverts für die Zustellung des Versäumungsurteils mit diesen Anschriften adressiert. Gegen dieses Urteil stellten die nun rechtsfreundlich vertretenen Beklagten mit Schriftsatz vom 24.September 1994 ON 4 Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der 1. Tagsatzung, Aufhebung des Versäumungsurteils wegen fehlerhafter Ladung an frühere Anschriften der Beklagten und auf Anberaumung einer neuerlichen 1.Tagsatzung sowie in eventu auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist sowie Widerspruch und Berufung gegen das Versäumungsurteil. Der Erstrichter wies mit (rechtskräftigem) Beschluß vom 28.Oktober 1993 ON 6 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der 1. Tagsatzung ab.

Die Beklagten erhoben am 29.Oktober 1993 - neben einem neuerlichen Widerspruch - die neuerliche Berufung ON 7, in der sie vortragen, daß ihnen persönlich das Versäumungsurteil am 14.Oktober 1993 gesetzwidrig und daher unwirksam zugestellt worden sei, weil dem Gericht bereits mit Schriftsatz vom 24.September 1993 (ON 4) die anwaltliche Vertretung der Beklagten mitgeteilt worden sei. Am 20. Oktober 1993 habe der Beklagtenvertreter von den Beklagten das Versäumungsurteil postalisch übermittelt bekommen. Das Erstgericht hat mit (zwischenzeitig rechtskräftigem) Beschluß vom 26.April 1994 ON 13 den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zum Widerspruch gegen das Versäumungsurteil im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, daß eine in Ansehung der Anschrift der Beklagten unrichtige Urteilsausfertigung durch eine richtige amtswegig ersetzt und an der richtigen Anschrift (der Beklagten) zugestellt worden sei.

Das Berufungsgericht wies die Berufung ON 7 als unzulässig zurück, weil den Beklagten nur die Überreichung eines Rechtsmittelschriftsatzes gestattet sei, auch wenn dieser erste Schriftsatz noch vor Zustellung der Entscheidung überreicht worden sei. Gleichgültig, ob die Zustellung des Versäumungsurteils an die Beklagten unter ihrer richtigen Anschrift Salzburg, ***** durch Hinterlegung am 1.September 1993 beim Postamt 5020 dem Gesetz entsprochen habe oder nicht, hätten sie jedenfalls ihr Rechtsmittelrecht bereits durch den Schriftsatz ON 4 verbraucht.

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO), aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu einer Verbesserung des verfehlten Rechtsmittelantrags, der Oberste Gerichtshof möge nach Aufhebung des angefochtenen Beschlusses über die Berufung der Beklagten ON 7 selbst entscheiden, besteht kein Anlaß, weil die Beklagten auch einen formell richtigen Eventualantrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses gestellt haben.

Im Rechtsmittel wird von den Beklagten der in der Rechtsprechung entwickelte und von einem Teil der Lehre gebilligte Grundsatz, daß jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift - oder Rechtsmittelgegenschrift - gestattet ist ("Einmaligkeit des Rechtsmittels"), nicht in Frage gestellt (vgl dazu Kodek in Rechberger, Rz 12 vor § 461 ZPO). Dieser Grundsatz bezweckt in erster Linie die Vermeidung von Unklarheiten über den Umfang, das Ziel und die Begründung der Anfechtung, die für das Rechtsmittelverfahren unerträglich wären. Er gilt auch dann, wenn der erste Berufungsschriftsatz noch vor der Zustellung der Entscheidung überreicht (JBl 1961, 326; SZ 28/34 ua) und - zulässigerweise (SZ 38/93) - für den Fall der Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags gestellt wurde. Schon vor der Zustellung kann wirksam Berufung erhoben werden, sofern nur das Gericht selbst schon an seine Entscheidung infolge Verkündigung oder Abgabe der schriftlichen Abfassung an die Geschäftsstelle gemäß § 416 Abs 2 ZPO gebunden ist (JBl 1961, 326; SZ 21/2; Kodek aaO Rz 3 zu § 464 ZPO). Es ist daher hier bedeutungslos, wann den Beklagten die Urteilsausfertigungen zukamen und daß der Erstrichter eine Neuzustellung an den Beklagtenvertreter in Aussicht nahm (ON 5).

Nur im Umfang der erweiterten Verbesserungsmöglichkeiten (§ 84 Abs 3 ZPO idF der ZVN 1983) wurde der früher allgemein geltende Grundsatz von der sogenannten Einmaligkeit des Rechtsmittels nicht aufrecht erhalten. Hier liegt aber mit der eventualiter erhobenen Berufung der Beklagten ON 4 ein formal einwandfreies zur meritorischen Behandlung geeignetes und daher nicht verbesserungsbedürftiges Rechtsmittel gegen das Versäumungsurteil ON 3 vor. Wenn im Fall der Berichtigung des Urteils nach § 419 ZPO für eine Partei eine zweifelhafte Lage herbeigeführt wurde, so kann sie ihre bereits gegen das unberichtigte Urteil erhobene Berufung durch einen weiteren Berufungsschriftsatz ergänzen; beide Schriftsätze sind dann als eine Einheit aufzufassen (SZ 54/103 = RZ 1982/28; SZ 37/146; zuletzt 8 Ob 1004/93). Ein solcher Fall einer Urteilsberichtigung und einer daraus abzuleitenden Unklarheit über den Umfang des richterlichen Entscheidungswillens liegt aber hier bei einer neuerlichen Zustellung keinesfalls vor. Dem Rekurs ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 40, 50 ZPO.

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