OGH 4Ob126/94

OGH4Ob126/9422.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr.Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Hansjörg Schweinester und Dr.Paul Delazer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 14. September 1994, GZ 2 R 232/94-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 26.Juli 1994, GZ 12 Cg 174/94g-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Rechsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Medieninhaberin der "T*****". Mit folgender

Aussendung versuchte sie Jahresabonnenten zu gewinnen:

Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit diesem Schreiben gegen das Gesetz, insbesondere gegen §§ 9 a und 1 UWG verstoßen habe, begehrt der Kläger zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr, bei Vertrieb der periodischen Druckschrift "T*****" einen Kaffeeautomaten oder einen Eier-Kochautomaten oder einen Electronic Toaster oder einen Stabmixer als unentgeltliche Zugabe bei der Bestellung eines Jahresabonnements der "T*****" anzubieten, in eventu anzukündigen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Das Jahresabonnement der "T*****" habe bis zum 30.6.1994 S 2.148 gekostet und koste seit 1.Juli 1994 S 2.208. Die wahlweise den Abonnenten angebotenen Artikel hätten einen Wert zwischen S 289 und S 448. Im Hinblick auf die Wertrelation zum Jahresabonnementpreis liege kein sittenwidriges Vorspannangebot vor. Es sei auch nicht einzusehen, weshalb eine unentgeltliche Zugabe, die keinen übertriebenen Anlockeffekt habe, wettbewerbswidrig sein solle. Die von der Beklagten angebotenen Zuwendungen seien geringwertige Kleinigkeiten. Zuwendungen für Abonnenten seien auch durchaus handelsüblich.

Das Erstgericht gab dem Sicherungshauptantrag statt. Es nahm die von der Beklagten behaupteten Abonnementpreise als bescheinigt an. Welchen Wert die vier angebotenen Gegenstände verkörperten, sei hingegen nicht feststellbar. Die Beklagte habe eindeutig den Tatbestand des § 9 a Abs 1 Z 1 zweiter Fall UWG erfüllt, da sie Verbrauchern unentgeltliche Zugaben angeboten habe. Ein Ausnahmetatbestand nach § 9 a Abs 2 UWG liege nicht vor.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Aktivlegitimation des Klägers sei gegeben. Die von der Beklagten behauptete Handelsüblichkeit im Sinne des § 9 a Abs 2 Z 1 UWG könne hier nicht bejaht werden. Ob ein Handelsbrauch besteht, sei nämlich eine Tatfrage. Die Beklagte habe diesen Ausnahmetatbestand aber in erster Instanz nicht geltend gemacht, geschweige denn bescheinigt. Da das Erstgericht unbedenklich festgestellt habe, daß die beanstandete Werbeaussendung der Beklagten an einen unbestimmten Personenkreis ergangen sei, könne es auf sich beruhen, an welche konkrete Zahl von Personen sie versandt wurde. Daß die von der Beklagten angebotenen Artikel nicht zum Leistungsgegenstand des Hauptgeschäftes gehörten, liege auf der Hand. Die Kombination von Zeitung und Haushaltsgeräten sei willkürlich, völlig artverschieden und schon ganz vordergründig ein Vorteil, der vom angesprochenen Publikum als selbständig und zusätzlich gegeben aufgefaßt werde. Die grundsätzliche Eignung, einen von § 9 a UWG verpönten Anlockeffekt auszulösen, sei daher zu bejahen. Trotzdem sei aber die Vorgangsweise der Beklagten nicht tatbildlich im Sinne dieser Gesetzesstelle. Der Oberste Gerichtshof habe in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, daß ein Vorspannangebot mit einem nur geringen Ersparungseffekt nicht sittenwidrig sei. Während nun in sämtlichen vom Obersten Gerichtshof behandelten Fällen der von der Werbeaktion angesprochene Abonnementkunde die jeweiligen Artikel (zu sogenannten "Sensationspreisen") kaufen konnte, würden sie hier sogar gratis abgegeben. Dennoch seien die vom Obersten Gerichtshof ausgesprochenen Rechtssätze auch auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Sei ein "Vorspannartikel" auch im "normalen" Handel billiger als die Hauptware, dann komme es vor allem auf die Wertrelation zwischen der Ersparnis bei der Nebenware und dem Preis der Hauptware an. Die Sittenwidrigkeit eines solchen Angebotes komme nur dann in Frage, wenn die Koppelung der Hauptware mit der preisgünstigen Nebenware geeignet ist, sachliche Erwägungen beim Konsumenten gänzlich auszuschließen. Könnten Verbraucher durch das Vorspannangebot veranlaßt werden, eine Hauptware an der sie kein Interesse haben, nur um die preisgünstige Nebenware zu erlangen, ohne jede Prüfung zu erwerben, dann stehe diese Maßnahme mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs nicht im Einklang. Werden nun - wie hier - die Nebenwaren gar unentgeltlich beigegeben, ist also der Preis der Vorspannware gleich null, so sei dieser Preisabstand mit dem üblichen Preis solcher Geräte insgesamt gleichzusetzen. Da als notorisch unterstellt werden könne, daß die von der Beklagten in erster Instanz für die einzelnen Geräte angeführten Preise den üblichen entsprechen, könne von ihnen ausgegangen werden. Im Verhältnis zum Jahresabonnementpreis bewege sich die prozentuelle Wertrelation daher zwischen ca 13 % und 20 %. Daß die beanstandete Werbeankündigung der Beklagten unter Zugrundelegung dieser Wertermittlung geeignet wäre, im Publikum ausschließlich sachfremde Motive für den Kaufentschluß zu wecken, vermöge das Rekursgericht nicht zu erkennen. Dazu komme, daß nach dem Inhalt der Werbeaussendung ja nur Kunden angesprochen wurden, denen schon in den vergangenen Wochen Gelegenheit gegeben war, die Zeitung der Beklagten kennenzulernen. Auch aus diesem Gesichtspunkt sei daher ein sittenwidriger Kaufanreiz zu verneinen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Kläger erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (§ 9 a Abs 1 Z 1 UWG). Dem Kläger und dem Erstgericht ist darin beizupflichten, daß die Beklagte dieser Bestimmung zuwidergehandelt hat:

Zugabe ist nach ständiger Rechtsprechung ein zusätzlicher Vorteil, der neben der Hauptware (Hauptleistung) ohne besondere Berechnung angekündigt wird, um den Absatz der Hauptware oder die Verwertung der Hauptleistung zu fördern (ÖBl 1993, 24 - Welt des Wohnens uva). Dieser Vorteil muß mit der Hauptware (-leistung) in einem solchen Zusammenhang stehen, daß er objektiv geeignet ist, den Kunden in seinem Entschluß zum Erwerb der Hauptware (-leistung) zu beeinflussen, also Werbe- oder Lockmittel sein (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 122; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 1405 Rz 2 zu § 1 dZugVO; ÖBl 1993, 24 - Welt des Wohnens mwN). Wesentliche Voraussetzung für eine Zugabe im Sinn des § 9 a UWG ist, daß die gekoppelten Waren im Verhältnis von Hauptsache und (unentgeltlicher) Zugabe stehen. Das trifft vor allem dann nicht zu, wenn etwa für Gesamtsachen oder Gegenstände, die nach der Verkehrsauffassung eine Einheit bilden und regelmäßig zusammen verkauft werden, ein einheitliches Entgelt berechnet wird (Hohenecker/Friedl aaO 126; Baumbach/Hefermehl aaO 1406 Rz 3 b; ÖBl 1985, 108 - Fußball-EM-Aktion; ecolex 1994, 627 - Kostenlose Filmentwicklung). Ein zugabenrechtlicher Tatbestand liegt auch dann nicht vor, wenn zwei Hauptwaren oder -leistungen zu einem Gesamtpreis zusammen angeboten werden. § 9 a UWG verbietet Koppelungsgeschäfte nicht generell, sondern erfaßt sie nur dann, wenn sie der Verschleierung von Zugaben dienen (Baumbach/Hefermehl aaO; ÖBl 1985, 108 - Fußball-EM-Aktion ua). Ob eine Werbeankündigung als das Angebot einer Wareneinheit, mehrerer Hauptwaren oder einer Haupt- und Nebenware aufzufassen ist, richtet sich nach der Verkehrsanschauung (Baumbach/Hefermehl aaO 1428 f Rz 53; ÖBl 1985, 108 - Fußball-EM-Aktion ua). Ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer unzulässigen (weil eine Zugabe verschleiernden) Koppelung ist das gemeinsame Anbieten artverschiedener, willkürlich zusammengefaßter Gegenstände zu einem Gesamtpreis (Hohenecker/Friedl aaO; Baumbach/Hefermehl aaO 1429 Rz 54; ÖBl 1985, 108 - Fußball-EM-Aktion). Für das Vorliegen einer Zugabenankündigung spricht, wenn für die Hauptware ein handelsüblicher Preis besteht und der Gesamtpreis für die gekoppelte Haupt- und Nebenware nur unwesentlich höher liegt oder gar dem Hauptpreis der Hauptware gleichkommt (Baumach/Hefermehl aaO 1430 Rz 54).

Die beanstandete Werbeankündigung der Beklagten konnte vom Publikum nur dahin verstanden werden, daß das Jahresabonnement der Tageszeitung zu dem allgemein gültigen Preis angeboten und dem Besteller zusätzlich eines der zur Wahl stehenden Haushaltsgeräte unentgeltlich zugewendet wird.

Die Beklagte hat bestimmten, namentlich angeschriebenen Personen - die schon vorher ihre Zeitung bezogen hatten - somit zweifelsfrei eine Zugabe angeboten. "Anbieten" ist das in Aussichtstellen der Zugabe gegenüber individuell bestimmten Personen (SZ 48/49 = ÖBl 1975, 118 - Gratismontage von Skibindungen; SZ 63/109 = ÖBl 1991, 113 - Goldfassl ua).

Daß die unentgeltlich angebotenen Haushaltsartikel geeignet waren, einen Anreiz zur Bestellung des Jahresabonnement zu schaffen, liegt auf der Hand. Von einer Geringwertigkeit der Gegenstände im Sinne des § 9 a Abs 2 Z 4 UWG kann angesichts des von der Beklagten selbst angegebenen Wertes der Geräte von mehreren hundert Schilling keine Rede sein. Auch einen anderen Ausnahmetatbestand hat die - dafür behauptungs- und beweis(bescheinigungs)pflichtige Beklagte (ÖBl 1979, 139 - Brillenetuis uva) - nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher Tatbestand ist auch nicht zu erkennen. Daß Haushaltsgeräte ein handelsübliches Zugehör (§ 9 a Abs 2 Z 1 UWG) zu Zeitungsabonnements seien, hat die Beklagte nicht einmal konkret behauptet.

Die Beklagte hat somit ganz klar gegen § 9 a Abs 1 Z 1 UWG verstoßen.

Den Rechtsausführungen des Rekursgerichtes liegt ein grundlegendes Mißverständnis zugrunde. Nur dort, wo ein Unternehmer nicht gegen das Zugabenverbot verstößt, weil die Nebenware weder unentgeltlich noch zu einem Scheinpreis abgegeben wird, stellt sich nämlich die Frage, ob er dennoch wettbewerbswidrig handelt, weil er mit einem besonders günstigen (Gesamt-)preis einen übertriebenen Anlockeffekt erzeugt (dazu ausführlich MR 1993, 117 - Badezimmerradio). Die von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu entwickelten Grundsätze können aber nicht dahin verstanden werden, daß - entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut - auch kein Verstoß gegen § 9 a Abs 1 Z 1 UWG vorläge, wenn der Wert der unentgeltlich gegebenen Nebenware nicht einen gewissen Prozentsatz der Hauptware erreiche.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1, § 52 ZPO.

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