OGH 12Os144/94

OGH12Os144/9417.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. E. Adamovic als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hradil als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ernst T* wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. April 1994, GZ 7 d Vr 6.669/93‑25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten Ernst T* und des Verteidigers Dr. Houska, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0120OS00144.9400000.1117.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO hat der Angeklagte die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27. Juni 1924 geborene Ernst T* des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1./), des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2./) und des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (3./) schuldig erkannt und nach §§ 28 Abs 1, 206 Abs 1 StGB zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, von der ihm gemäß § 43 a Abs 4 StGB ein Teil von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Darnach hat er in der Zeit von etwa Frühjahr 1992 bis Frühjahr 1993 in Wien

1./ mit seinen unmündigen Töchtern Elisabeth T*, geboren am 2. April 1983 und Constanze T*, geboren am 24. August 1984, den außerehelichen Beischlaf unternommen,

2./ die unmündige Elisabeth T* durch Einführen eines Fingers in ihre Scheide und Vornahme eines Mundverkehrs an ihr auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht und

3./ durch die unter 1./ und 2./ angeführten Handlungen seine beiden minderjährigen Kinder zur Unzucht mißbraucht.

Die vom Angeklagten nur gegen die Schuldsprüche 1./ und 3./ sowie den Strafausspruch aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

In den gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 206 Abs 1 StGB (1.) erhobenen Rechtsrügen, die auf Freispruch (Z 9 lit a) oder auf Unterstellung (auch) dieser Taten nur unter den Tatbestand des § 207 Abs 1 StGB (Z 10) abzielen, geht der Beschwerdeführer nicht vom gesamten insoweit maßgeblichen Urteilssachverhalt, sondern lediglich von jenen Feststellungen des Erstgerichtes aus, denenzufolge er bei diesen Taten sein Glied durch Auf‑ und Abbewegungen jeweils solange an der Scheide der Mädchen rieb, bis er zum Samenerguß gelangte (US 6 zweiter und dritter Absatz), was ‑ isoliert betrachtet - für eine Unterstellung der Tat unter § 206 Abs 1 StGB nicht hinreichen würde, weil unternommener Beischlaf im Sinne dieser Gesetzesstelle zwar nicht erst bei (unter Umständen wegen des unmündigen Alters des Opfers gar nicht möglicher) Vereinigung der Geschlechtsteile, sondern erst dann vorliegt, wenn der Täter hiezu angesetzt, den Geschlechtsakt also durch Berührung der Geschlechtsteile versucht hat (vgl - jeweils zu § 206 StGB mit Judikaturzitaten ‑ Leukauf‑Steininger Komm3 RN 3 sowie Pallin im WK 4.Lieferung Rz 3 und Ergänzungsheft 4 a, Rz 3 a). Aus dem (mit dem Urteilstenor eine Einheit bildenden) Urteilssachverhalt, insbes der Feststellung über die Unternehmung des Beischlafes mit den beiden unmündigen Kindern durch den Angeklagten (US 6 vorletzter Absatz), ergibt sich jedoch im Zusammenhang mit den darauf bezüglichen rechtlichen Erwägungen (US 12 ganz unten und 13) und den Ausführungen des Erstgerichtes über die Glaubwürdigkeit der Aussagen der beiden unmündigen Opfer (US 7 ganz unten) mit hinreichender Eindeutigkeit, daß das Erstgericht ‑ diesen Zeugenaussagen folgend (vgl Elisabeth T* S 163 Ende des zweiten Absatzes, 164 zweiter und dritter Absatz, 165 ganz unten, 166 dritter Absatz; Constanze T* S 168 unten, 169 Ende des ersten Absatzes) ‑ ohnehin jeweils von einem Versuch (und damit auch vom Vorsatz) des Angeklagten ausging, mit seinem Geschlechtsteil in die Scheide der mißbrauchten Mädchen einzudringen. Von einer Selbstzweck gebliebenen ‑ wenn auch intensiven ‑ bloßen Berührung der Geschlechtsteile (die mangels eines weitergehenden Vorsatzes nur dem ersten Fall des § 207 Abs 1 StGB zu unterstellen gewesen wäre) kann nach diesen ‑ in einer gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge nicht zu übergehenden ‑ Feststellungen des Schöffengerichtes nicht die Rede sein.

Zwar prozeßordnungsgemäß ausgeführt, aber inhaltlich nicht berechtigt sind die auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten, der Sache nach aber (Z 10 leg cit) die vermeintlich mangelnde rechtliche Begründung der zusätzlichen Unterstellung der Urteilstaten 1./ und 2./ unter § 212 Abs 1 StGB - sohin den Schuldspruch 3./ betreffenden ‑ Rügen, wonach es jeweils an der Feststellung mißbräuchlicher Ausnützung des Autoritätsverhältnisses durch den Angeklagten fehle. Wie sich ‑ ungeachtet der in der Überschrift zu § 212 StGB verwendeten Deliktsbezeichnung ‑ aus der Fassung des ersten Absatzes dieser Gesetzesstelle ("Wer sein minderjähriges Kind, Wahlkind, Stiefkind oder Mündel und wer unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht mißbraucht ...") ergibt, ist die Ausnützung des Autoritätsverhältnisses beim sexuellen Mißbrauch (oder bei der Verleitung) durch einen Eltern‑, Wahleltern‑ oder Stiefelternteil oder durch den Vormund kein Tatbestandserfordernis; diesfalls wird ‑ anders als beim übrigen für die Täterschaft nach § 212 StGB in Betracht kommenden Personenkreis ‑ der Mißbrauch des Autoritätsverhältnisses als typisch vorausgesetzt (vgl zu dieser Gesetzesstelle Leukauf‑Steininger aaO RN 18 sowie Pallin in WK Rz 5). Die Unternehmung des Beischlafes und die Vornahme anderer sexueller Handlungen durch den Angeklagten an seinen minderjährigen Töchtern wurde daher zutreffend als Vergehen nach dem ersten Fall des § 212 Abs 1 StGB beurteilt, ohne daß es hiefür zusätzlicher Feststellungen über die Ausnützung eines Autoritätsverhältnisses bedurft hätte.

Mit der Behauptung, das Erstgericht habe bei der Strafbemessung den ‑ ohnehin unter den Milderungsgründen angeführten ‑ bisher ordentlichen Wandel (und die sich vermeintlich hieraus ergebende günstige Sozialprognose) des Angeklagten nicht ausreichend berücksichtigt und aus diesem Grunde eine überhöhte und überdies nur zum Teil bedingt nachgesehene Strafe verhängt, bringt der Beschwerdeführer keinen der in § 281 Abs 1 Z 11 StPO angeführten Gründe für die Nichtigkeit eines Strafausspruches (Überschreitung der Strafbefugnis, offenbar unrichtige Beurteilung von Strafzumessungstatsachen oder nicht vertretbarer Verstoß gegen Strafzumessungsvorschriften) zur gesetzmäßigen Darstellung; inhaltlich zählt dieses Vorbringen daher zur mit der Nichtigkeitsbeschwerde verbundenen Strafberufung und ist bei Erledigung dieses Rechtsmittels zu erörtern.

Die demnach nur zum Teil gesetzmäßig ausgeführte, insoweit aber inhaltlich nicht begründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war mithin zu verwerfen.

Das Schöffengericht wertete bei Ausmessung der Unrechtsfolge die Tatwiederholung, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die Delinquenz gegen zwei Personen als erschwerend, als mildernd hingegen ‑ trotz einer geringfügigen, nicht einschlägigen Vorstrafe ‑ den ordentlichen Lebenswandel.

Der Berufung des Angeklagten, mit welcher er die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren gänzliche bedingte Nachsicht anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe vollständig festgestellt und ‑ dem Berufungsstandpunkt zuwider ‑ auch zutreffend gewürdigt.

Bei einer nach § 206 Abs 1 StGB maßgebenden Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe entspricht die in erster Instanz ausgesprochene Sanktion nicht nur dem gravierenden Unrechts‑ und Schuldgehalt der zu schwerer psychischer Beeinträchtigung der Opfer führenden Tat, sondern trägt auch den im konkreten Fall im Vordergrund stehenden Erfordernissen der Generalprävention gebührend Rechnung.

Damit bestand kein begründeter Anlaß, die Strafe in irgendeiner Richtung zu korrigieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

 

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