OGH 9ObA614/93

OGH9ObA614/9316.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Eva-Maria Sand und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Österreichischer Raiffeisenverband, Hollandstraße 2, 1020 Wien, vertreten durch die Geschäftsführer Dr.Herbert Kleiß und Dr.Erwin Fischer, ebendort, wider den Antragsgegner Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten, Deutschmeisterplatz 2, 1013 Wien, vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 2 ASGG den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag, es werde festgestellt, daß es zulässig sei, die Beitragsleistung des Arbeitgebers an eine Pensionskasse in der Weise zu definieren, daß sich der Arbeitgeber zur Finanzierung der Versorgungsleistung für die Arbeitnehmer verpflichte, Beiträge in der Höhe von x % des Bezuges an die Pensionskasse zu entrichten, soweit und solange sich der Arbeitnehmer zur Zahlung von eigenen Beiträgen verpflichte, daß sich jedoch dann, wenn der Arbeitnehmer einen niedrigeren Beitragssatz als x % wähle, der Arbeitgeberbeitrag auf das Ausmaß der Arbeitnehmerbeiträge reduziere, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die antragstellende Partei begehrt die aus dem Spruch ersichtliche

Feststellung und brachte hiezu vor:

Zahlreiche dem Österreichischen Raiffeisenverband angehörende Arbeitgeber planten eine Umstellung ihrer Systeme der betrieblichen Altersversorgung, wobei es konkret um ein Pensionskassensystem gehe, das bedingte Beitragsleistungen des Arbeitgebers für neueintretende Arbeitnehmer vorsehe. Zumindest drei vom Antragsteller vertretene Arbeitgeber planten dies bzw hätten mit der Installierung eines derartigen Systems bereits begonnen. In einer in diesem Sinne bereits bedingt abgeschlossenen Betriebsvereinbarung sei eine Regelung vorgesehen, die dem Inhalt der begehrten Feststellung entspreche.

Wenn auch eine ausdrückliche Behauptung dahin nicht aufgestellt wird, ergibt sich doch aus dem Vorbringen des Antragstellers, daß die Zulässigkeit einer solchen Regelung zwischen den Kollektivvertragsparteien strittig geworden sei. Der Antragsteller vertritt unter Hinweis auf die Rechtsansicht prominenter Vertreter der Lehre den Standpunkt, daß die Bestimmung zulässig sei; die gegenteilig, im Schrifttum vertretene Ansicht überzeuge nicht. Die Regelung verstoße nicht gegen zwingende Bestimmungen des BPG und auch der Gleichbehandlungsgrundsatz stehe dem nicht entgegen.

Das besondere rechtliche Interesse an dem Feststellungsantrag bestehe darin, daß für den Fall der Stattgebung beabsichtigt sei, eine oder auch mehrere Betriebsvereinbarungen mit dieser wesentlichen Bestimmung abzuschließen. Die Verhandlungen mit den Betriebsräten seien so weit gediehen, daß sogleich nach Abschluß des Feststellungsverfahrens die entsprechenden Betriebsvereinbarungen in Kraft gesetzt werden könnten; dabei sei eine rückwirkende Beitragsentrichtung ab 1.1.1994 vorgesehen.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Antrages. Er erachtete den Antrag grundsätzlich für zulässig, weil nicht eine abstrakte Rechtsansicht zu erörtern sei, sondern die Arbeitnehmeransprüche das Planungsstadium bereits überschritten hätten. Die Arbeitgeberseite habe in einem Fall bereits ein verbindliches Anbot abgegeben, das nur mit der Bedingung verbunden sei, daß eine positive Begutachtung durch den Obersten Gerichtshof erfolge; im Bereich der vertragsschließenden Betriebsräte würden zur Frage des Vertragsinhaltes unterschiedliche Rechtsansichten vertreten. In der Sache beantragte der Antragsgegner die Abweisung des Antrages. Die vorgesehene Regelung verstoße sowohl gegen zwingende Bestimmungen des BPG wie auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag ist unzulässig.

Gemäß § 54 Abs 2 ASGG können kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Rahmen ihres Wirkungsbereiches gegen eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer bzw der Arbeitgeber beim Obersten Gerichtshof einen Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen anbringen, die einen von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalt betreffen. Der Antrag muß eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG zum Gegenstand haben, die für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung ist.

Daß sowohl der Antragsteller wie auch der Antragsgegner grundsätzlich zur Beteiligung an einem Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG legitimiert sind, ist nicht zweifelhaft.

Der Gesetzgeber wollte mit den besonderen Feststellungsverfahren zwei - mineinander eng verknüpfte Wirkungen erzielen: die Schutzwirkung für die Arbeitnehmer, die es - abgesichert durch eine besondere Verjährungshemmung - vorziehen den Ausgang des Feststellungsverfahrens abzuwarten, bevor sie selbst die Klage einbringen und eine streitvermindernde Wirkung der Testverfahren auf die Ansprüche der Betroffenen, die von der entschiedenen Streitfrage abhängen (Gamerith DRdA 1988, 303 ff [304]). Der Feststellungsantrag muß eine Rechtsfrage des materiellen Rechtes auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 oder 2 zum Gegenstand haben. Die Lösung der Rechtsfrage besteht in der Anwendung der generellen abstrakten Rechtsnorm auf den in (in tatsächlicher Hinsicht geklärten) Einzelfall, also in der Transformierung der Rechtsnorm in die Rechtsfolge des konkreten Falles (Kuderna, ASGG Anm 14 zu § 54 mwN). Im Verfahren nach § 54 ASGG erfolgt diese Beurteilung aufgrund des vom Antragsteller behaupteten Sachverhaltes.

Gegenstand des Verfahrens ist hier der Antrag auf Feststellung, daß eine bestimmte Regelung der Beitragsleistung zur Altersversorgung in einer Betriebsvereinbarung zulässigerweise getroffen werden kann, wobei aufgrund der Behauptungen feststeht, daß eine entsprechende Betriebsvereinbarung bisher nicht abgeschlossen wurde. Eine der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegende Rechtsnorm des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 ASGG besteht daher nicht. Die abstrakten Normen des BPG wirken für sich auf die Arbeitsverträge unmittelbar nicht ein. Es bedarf vielmehr einer einseitigen Zusage des Arbeitgebers, einer Einzelvereinbarung oder einer Norm der kollektiven Rechtsgestaltung (§ 2 BPG) um Ansprüche nach diesem Gesetz zu begründen. Diese Zusagen, Einzelvereinbarungen oder kollektivrechtlichen Normen unterliegen sodann der Kontrolle hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den zwingenden Bestimmungen des BPG. Eine der Überprüfung des Obersten Gerichtshofes unterliegende Norm des materiellen Rechts läge erst vor, wenn die Betriebsvereinbarung abgeschlossen und in Wirksamkeit getreten wäre. Erst ab diesem Zeitpunkt wäre das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Norm bestimmt, erst dann würde durch die fragliche Bestimmung in das Arbeitsrechtsverhältnis eingegriffen.

Aber auch eine Rechtsfrage des materiellen Rechts gemäß § 54 Abs 2 ASGG liegt nicht vor. Das ArbVG enthält keine Bestimmung, derzufolge der Inhalt einer abzuschließenden Betriebsvereinbarung der gerichtlichen Kontrolle unterläge.

Aufgabe des Obersten Gerichtshofes im Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG ist es, aufgrund eines behaupteten Sachverhaltes Rechtsfragen des materiellen Rechts zu lösen. Gegenstand dieses Verfahrens kann es aber nicht sein, erst für die Zukunft in Aussicht genommene Gestaltungen im Sinne einer Kautelarjurisprudenz zu prüfen und den Parteien damit im Sinne eines Gutachtens Richtlinien für die Ausformung der Regelung ihrer Rechtsbeziehungen zu geben.

Da eine Rechtsfrage des materiellen Rechtes im Sinne des § 50 ASGG nicht geltend gemacht wird, war der Antrag zurückzuweisen.

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