OGH 2Ob547/93

OGH2Ob547/9310.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heidi M*****, Pelztierzüchterin, ***** vertreten durch Dr.Harald Gerl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Rudolf K*****, Versicherungsvertreter, ***** vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 66.740 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 4.März 1993, GZ 5 R 23/93-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 27. Oktober 1992, GZ 4 C 2856/91f-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.348,80 (darin enthalten S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die in der Bundesrepubik Deutschland ansässige Klägerin sandte im April 1991 dem in Österreich wohnhaften Beklagten 249 Stück Chinchilla-Felle. Der Beklagte verkaufte diese am 6.4.1991 einem italienischen Pelzhändler und bezahlte der Klägerin einen Betrag von umgerechnet DM 2.400.

Die Klägerin begehrt den Zuspruch eines Betrages von S 66.740 mit der Begründung, dem Beklagten Felle durchwegs guter Qualität um einen Preis zwischen DM 35 bis DM 65 pro Fell verkauft zu haben.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage mit der Begründung, die Felle auf Rechnung der Klägerin weiterveräußert zu haben. Er habe keinen höheren Verkaufspreis als DM 2.400 erzielen können.

Das Erstgericht gab der Klage statt und ging von nachstehenden Feststellungen aus:

Der Beklagte bestellte im März 1991 bei einer Ausstellung in Fürstenstein bei der in der Bundesrepublik Deutschland eine Chinchilla-Zucht betreibenden Klägerin eine größere Menge Chinchilla-Felle, wobei zwischen den Streitteilen Felle mittlerer bis besserer Qualität mit einer Preisspanne von DM 35 bis DM 65 pro Stück vereinbart waren. Die Klägerin verpackte insgesamt 249 Felle, wovon 236 Felle durchschnittlicher (mittlerer) und 13 Felle schlechterer Qualität waren und übersandte sie Anfang April an den Beklagten. Am 6. April 1991 überbrachte der Beklagte die verpackten Felle einem italienischen Pelzhändler. Dort wurden die Pakete erstmals geöffnet. Der italienische Pelzhändler kaufte insgesamt 236 Felle. Der Beklagte übersandte der Klägerin eine Fellsammel-Liste, in der er 13 Ausschußfelle unter nummernmäßiger Anführung reklamierte, erhob aber sonst aus dem Geschäft keine weiteren Beanstandungen bei der Klägerin. Chinchilla-Felle mittlerer Qualität werden mit einem Preis bis zu 60 DM per Stück gehandelt.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß der Beklagte in Erfüllung des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Kaufvertrages den Restkaufpreis zu bezahlen habe. Für 236 Felle mittlerer Qualität sei gemäß § 273 ZPO ein Stückpreis von DM 50 angemessen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge.

Es erörterte, daß ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vorliege und ging davon aus, daß eine Rechtswahl im Sinne des § 35 IPRG nicht getroffen und auch die Anwendung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge für den internationalen Warenkauf (Wiener UN-Kaufrechtsübereinkommen) nicht ausgeschlossen worden sei. Da die Vertragspartner ihre Niederlassung in verschiedenen Vertragsstaaten hätten und der Vertragsgegenstand im Regelungsbereich dieses Übereinkommens liege, sei das Wiener UN-Kaufrechtsübereinkommen unmittelbar anzuwenden.

Der Beklagte habe im März 1991 bei der Klägerin eine größere Menge Chinchilla-Felle mittlerer bis besserer Qualität zu einer Preisspanne von DM 35 bis DM 65 bestellt. Damit habe er an die Klägerin einen Vorschlag zum Abschluß eines Vertrages gerichtet, der zufolge der getroffenen Vereinbarung über die Ware, die Menge und die Qualität bestimmt genug gewesen sei. Die Klägerin habe dieses Angebot angenommen, womit der Kaufvertrag zwischen den Parteien geschlossen worden sei.

Die vereinbarte Preisspanne von DM 35 bis DM 65 stehe einem wirksamen Vertragsabschluß nicht entgegen, weil nach Art 55 des Wiener UN-Kaufrechtsübereinkommens vermutet werde, daß dann, wenn ein Kaufvertrag gültig geschlossen worden sei, ohne daß er den Kaufpreis ausdrücklich oder stillschweigend festgesetzt oder dessen Festsetzung ermöglicht habe, vermutet werde, daß die Parteien sich stillschweigend auf den Kaufpreis bezogen haben, der bei Vertragsabschluß allgemein für derartige Waren, die in dem betreffenden Geschäftszweig unter vergleichbaren Umständen verkauft werden, berechnet werde. Die Vertragsparteien hätten sich auf den Preis bezogen, der für die dem Beklagten verkauften Felle allgemein berechnet werde. Der Käufer sei nach Maßgabe des Vertrages und des Übereinkommens verpflichtet, den Kaufpreis zu bezahlen. Dieser sei mangels anderer Bestimmung vom Käufer am Ort der Niederlassung des Verkäufers zu bezahlen, sobald ihm der Verkäufer die Ware zur Verfügung gestellt habe. Da feststehe, daß Chinchilla-Felle mittlerer Qualität mit einem Preis bis zu 60 DM pro Stück auf dem Markt gehandelt würden und der vom Erstgericht angenommene Kaufpreis von DM 50 pro Stück nicht bekämpft worden sei, sei dieser Kaufpreis - auch unter Anwendung des § 273 ZPO - der Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung des Kaufpreises zugrunde zu legen. Es sei nicht festgestellt worden, daß Felle minderer Qualität geliefert worden seien. Für den zahlungspflichtigen Beklagten liege eine echte Fremdwährungsschuld vor, weil ein Auslandserfüllungsort gegeben sei. Bei diesem könne der Gläubiger die Verurteilung in Schilling verlangen. Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Teilzahlung ergäbe sich nach dem für den Fälligkeitstag geltenden Devisenkurs eine Kaufpreisrestforderung von S 67.097,20 und der Beklagte könne sich durch den Zuspruch eines Betrages von lediglich S 65.800 nicht beschwert erachten.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung zum Wiener UN-Kaufrechtsübereinkommen noch nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, sie im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil tatsächlich Rechtsprechung zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980 nicht vorliegt.

Die Revision ist berechtigt.

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (in der Folge UNK) wurde am 11.4.1980 abgeschlossen. Es ist nach Art 99 Abs 1 am 1.1.1988 in Kraft getreten. Für Österreich ist das Übereinkommen gemäß Art 99 Abs 2 am 1.1.1989 in Kraft getreten. Das UNK wurde in BGBl 1988/96 kundgemacht. Die Bundesrepublik Deutschland ist dem Übereinkommen mit Wirkung vom 1.1.1991 beigetreten.

Grundvoraussetzung für die Anwendung des UNK ist das Vorliegen eines "internationalen" Kaufvertrages. Es muß sich um Kaufverträge über Waren zwischen Parteien handeln, die ihre Niederlassung in verschiedenen (Vertrags-)Staaten haben (vgl Karollus, UN-Kaufrecht, 20, 28). Der Begriff des "Kaufvertrages" wird zwar nicht ausdrücklich definiert, doch ist ein Vertrag gemeint, durch den die eine Partei (Verkäufer) zur Lieferung einer Ware, sowie zur Verschaffung des Eigentums an der Ware, und die andere Partei (Käufer) zur Zahlung des Kaufpreises und zur Annahme der Ware verpflichtet ist. Es handelt sich daher um eine Austauschbeziehung "Ware gegen Geld". Mit dem Begriff der "Ware" sind bewegliche Sachen gemeint (Karollus aaO 20f). Weitere Voraussetzung ist, daß die Vertragsparteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben. Unter "Niederlassung" wird jeder Ort, von dem aus in gewisser Selbständigkeit eine nach außen gerichtete Teilnahme am Wirtschaftsverkehr erfolgt, verstanden. Hat eine Partei keine Niederlassung, so etwa bei natürlichen Personen, ist nach Art 10 lit b UNK der gewöhnliche Aufenthaltsort maßgeblich.

Fest steht nun, daß die Streitteile ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in zwei Vertragsstaaten des UNK haben und dieses daher bereits noch Art 1 Abs 1 lit a anzuwenden ist, weil eine zulässige Rechtswahl nicht erfolgte, und die Anwendung des Übereinkommens auch nicht ausgeschlossen wurde. Es wurde auch während des zeitlichen Geltungsbereiches dieses Übereinkommens ein Kaufvertrag über Felle, also über bewegliche Sachen geschlossen.

Das Berufungsgericht ist hier zu Recht von der Anwendbarkeit des UNK ausgegangen.

Zutreffend ist auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Beklagte durch die Bestellung einer größeren Menge Chinchilla-Felle an die Klägerin ein Anbot zum Abschluß eines Kaufvertrages gerichtet hat.

Nach Art 14 UNK stellt der an eine oder mehrere bestimmte Personen gerichtete Vorschlag zum Abschluß eines Vertrages dann ein Angebot dar, wenn er bestimmt genug ist und den Willen des Anbieters zum Ausdruck bringt, im Falle der Annahme gebunden zu sein. Ein Vorschlag ist dann bestimmt genug, wenn er die Ware bezeichnet und ausdrücklich oder stillschweigend die Menge und den Preis festsetzt oder deren Festsetzung ermöglicht.

Der Vorschlag muß daher seinem Inhalt nach ausreichend bestimmt sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Vorschlag die Ware bezeichnet und die Menge der zu liefernden Ware sowie den Preis ausdrücklich oder stillschweigend festsetzt bzw deren Festsetzung ermöglicht. Diesem Erfordernis ist dann entsprochen, wenn die essentialia negotii im Anbot ausdrücklich festgelegt werden, doch erlaubt Abs 1 Satz 2 dieser Bestimmung auch eine "stillschweigende Festsetzung". Damit sind Anhaltspunkte gemeint, die eine Auslegung ermöglichen, die zu einem bestimmten Preis, einer bestimmten Ware oder (und) ihrer Menge führt (Schlechtriem in Caemmerer/Schlechtriem Kommentar Art 14 Rz 4). Bei der Beurteilung der Annahmefähigkeit des Offertes genügt es aber auch, wenn der erforderliche Mindestinhalt von einer "vernünftigen Person der gleichen Art" wie der Empfänger "unter gleichen Umständen" ausreichend konkret aufgefaßt werden kann (Art 8 Abs 2). Nach Abs 3 des Art 8 UNK sind alle erheblichen Umstände zu berücksichtigen, um den Willen einer Partei oder die Auffassung festzustellen, die eine vernünftige Person gehabt hätte. Dabei sind insbesondere die Verhandlungen zwischen den Parteien, die zwischen ihnen entstandenen Gepflogenheiten, die Bräuche und das spätere Verhalten der Parteien zu beachten. Zusammenfassend ist daher eine stillschweigende Festlegung und eine bloß die Festsetzung ermöglichende Vereinbarung sowohl zur Umschreibung von Warenmenge als auch des Preises zulässig (Karollus aaO 61; Caemmerer/Schlechtriem aaO und Art 55 Rz 7; Piltz Internationales Kaufrecht § 3 Rz 25).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Rechtsmeinung des Revisionswerbers, bei der "Bestellung einer größeren Menge von Chinchilla-Fellen" mangle es an der erforderlichen Bestimmtheit der Menge der zu liefernden Waren nicht gefolgt werden.

Dabei ist vor allem das spätere Verhalten des Beklagten zu berücksichtigen, der die übersandten Felle bis auf einen geringen Teil weiterverkaufte, ohne Vorbehalte über die Menge der übersandten Waren zu machen. Es muß daher auf Grund des späteren Verhaltens der Parteien davon ausgegangen werden, daß auch die Bestellung einer "größeren Menge von Fellen" als hinreichend bestimmt anzusehen ist.

Nach den bereits oben dargelegten Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die in Art 14 UNK geforderte Bestimmtheit des vereinbarten Preises ebenfalls zu bejahen. Diesem Erfordernis wird schon dann entsprochen, wenn sich die Parteien auch ohne nähere Bezeichnung der für die Preisbestimmung maßgeblichen Faktoren stillschweigend auf einen zumindest bestimmbaren Preis bezogen haben. Darunter ist die Festlegung von Anhaltspunkten zu verstehen, die die Ermittlung eines bestimmten Preises ermöglichen (Caemmerer/Schlechtriem Art 14, Rz 4; Piltz § 3 Rz 23, 25). Die Parteien haben durch die Vereinbarung eines Preisrahmens zwischen DM 35 und DM 65 für Felle mittlerer bis besserer Qualität ausreichende Anhaltspunkte festgelegt, aus denen je nach Qualität der gelieferten Felle ein bestimmter Preis entnommen werden kann. Diese Preisvereinbarung ist als ausreichend bestimmt im Sinne des Art 14 UNK anzusehen. Der Vertrag ist daher mit zumindest bestimmbarer Menge und bestimmbaren Preisen zustande gekommen. Bei diesem Sachverhalt kann daher die Frage dahingestellt bleiben, ob bei Abschluß eines Vertrages ohne ausdrückliche oder stillschweigende Festsetzung eines Kaufpreises eine Preisbestimmung durch die Fiktion der Vereinbarung der allgemein gültigen Verkäuferpreise zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses möglich ist (Art 55 UNK).

Schließlich kann auch der Rechtsauffassung der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht als Erfüllungsort den Ort der Niederlassung des Verkäufers, also der Klägerin, angenommen, nicht gefolgt werden.

Nach Art 57 UNK richtet sich der Zahlungsort vielmehr nach der Parteienvereinbarung. In Ermangelung einer solchen enthält Art 57 Abs 1 eine dispositive Regelung zur Bestimmung des Zahlungsortes. Danach ist nach Art 57 Abs 1 lit a UNK Zahlungsort der Ort der Niederlassung des Verkäufers. Ist aber die Zahlung gegen Übergabe der Ware oder von Dokumenten zu leisten, so ist Zahlungsort der Ort der Übergabe. Letztere Bestimmung knüpft an das in Art 58 niedergelegte Zug-um-Zug-Prinzip an und ist nur dann sinnvoll anzuwenden, wenn bei Einschaltung von Mittelspersonen (Lagerhalter, Frachtführer) die Zahlung an diese Mittelsperson erfolgen soll. Andernfalls ist an den Verkäufer zu zahlen. In diesem Fall hat der Käufer den Kaufpreis nach Zurverfügungstellung der Ware am Ort der Niederlassung des Verkäufers zu bezahlen (Karollus aaO 167, Hager in Caemmerer/Schlechtriem Art 57 Rz 3, 13).

Da im vorliegenden Fall dem Beklagten die Ware mit der Post zur Verfügung gestellt wurde und eine zum Inkasso berechtigte Mittelsperson nicht vorliegt, bleibt Zahlungsort der Ort der Niederlassung des Verkäufers, also der Klägerin.

Die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht ist frei von Rechtsirrtum.

Soweit die Revision die Unterlassung der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Marktpreis von Chinchilla-Fellen mittlerer Qualität als Verfahrensmangel rügt, legt sie einen im Berufungsverfahren nicht geltend gemachten Verfahrensmangel dar, der im Revisionsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden kann (EFSlg 57.817).

Der Revision war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

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