OGH 6Ob655/94

OGH6Ob655/9410.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth von P*****, vertreten durch Dr.Anton Heinrich, Rechtsanwalt in Judenburg, wider die wider die beklagte Partei Z***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Entfernung von dienstbarkeitsbehindernden Anlagen (Streitwert 75.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den zum Urteilsberichtigungsbeschluß des Bezirksgerichtes Judenburg vom 12. April 1994, GZ 2 C 3568/91-29, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes Leoben vom 15.September 1994, AZ R 537/94(ON 36) den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben und der erstinstanzliche Urteilsberichtigungsbeschluß wieder hergestellt.

Die im Berichtigungsverfahren aufgelaufenen Rechtsmittelkosten hat jede Partei jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin hatte als Wegedienstbarkeitsberechtigte gegen die Eigentümerin des dienenden Grundes das Begehren auf Beseitigung einer als Beeinträchtigung der Dienstbarkeitsausübung angesehenen Einrichtung eines Schrankens mit Ampellichtanlage gefordert. Nach den Klagsausführungen handelte es sich um eine auf der Höhe der neuen Portierloge der beklagten Partei angebrachte Wegsperre. Die Beklagte hatte zugestanden, an der Einmündung des Servitutsweges in ihr Werksgelände die von der Klägerin bemängelte Anlage errichtet zu haben; sie machte lediglich geltend, daß sich die Klägerin wegen überwiegender Interessen der Beklagten diese Anlage bei der Dienstbarkeitsausübung gefallen lassen müsse.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung erster Instanz hatte ein Ortsaugenschein stattgefunden, in dessen Verlauf die von der Klägerin bemängelte Schranken- und Ampelanlage nicht nur in Gegenwart beider Streitteile beschrieben, sondern auch in Sofortlichtbildern fotografisch festgehalten worden war. An der Art der Ausführung sowie der Funktion der von der Klägerin als Behinderung ihrer Dienstbarkeitsausübung bemängelten Anlage bestand während des gesamten Verfahrens ebensowenig der geringste Zweifel wie über die örtliche Lage dieser Anlage in der Natur.

Die Klägerin hatte in ihrem Urteilsbegehren die örtliche Lage der von ihr beanstandeten Anlage zweifach umschrieben, einerseits durch Angabe einer Grundstücksnummer und andererseits durch Beziehung auf eine in der Natur bestehende Baulichkeit.

Diesen Klagsangaben folgend erkannte das Prozeßgericht erster Instanz die Beklagte schuldig,

"den Schranken über das Grundstück 421/5 Weg ***** auf Höhe des Portierhauses bei der Westeinfahrt zum Fabriksgelände der beklagten Partei in P***** sowie die dort befindliche Rotlichtanzeige einer Verkehrsampel zu entfernen".

In den Entscheidungsgründen bezog sich das Prozeßgericht erster Instanz ausdrücklich auf "die in den Lichtbildern Beilage ./1 bis Beilage ./4 festgehaltene Einfahrt zum Werksgelände der beklagten Partei".

Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Dieses erwuchs in Rechtskraft.

Die Klägerin begehrte die Berichtigung des Urteilsspruches, weil sich herausgestellt habe, daß sich die titelmäßig zu entfernende Anlage auf Höhe des Portierhauses bei der Westeinfahrt zum Fabriksgelände der Beklagten nicht auf einem zum Grundstück 421/5 Weg gehörenden Teil der Erdoberfläche, sondern auf dem Nachbargrundstück 594 Weg befände.

Das Prozeßgericht erster Instanz entsprach dem von der Klägerin gestellten Urteilsberichtigungsantrag in der Weise, daß es im Spruch seines Urteiles die Wortfolge "über das Grundstück 421/5 Weg KG P*****" durch die Wortfolge "wie dieser durch die vier im Gerichtsakt erliegenden und am 25.Juni 1992 aufgenommenen Sofortbilder wiedergegeben wird" ersetzte.

Das Rekursgericht wies in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den Urteilsberichtigungsantrag ab. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt. Weiters sprach es aus, daß eine Revisionsrekurszulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nach der Verfahrenslage nicht aus dem Grunde des § 419 Abs 2 ZPO unzulässig (SpR 215). Eine Zulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO ist gegeben, weil zur Berichtigungsfähigkeit einer offenkundig unrichtigen Beschreibung des durch sonstige Merkmale eindeutig bestimmten Gegenstandes, auf den sich die urteilsmäßig zu erbringende Leistung bezieht, eine höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt.

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Nach der Aktenlage bestand weder für die Parteien noch auch für das Prozeßgericht erster Instanz bis zur Urteilsfällung der geringste Zweifel daran, welche Schranken- und Ampelanlage auf der Höhe des an der ortsnahen Einfahrt zum Werk der Beklagten befindlichen Portierhauses in der Natur Gegenstand des klageweise erhobenen Beseitigungsbegehrens ist. Die Anlage wurde im Zuge des Ortsaugenscheines besichtigt, beschrieben und in Lichtbildern festgehalten. Nach den Entscheidungsgründen steht außer jedem Zweifel, daß das Prozeßgericht erster Instanz mit seinem Urteil die Beklagte zur Entfernung dieser beschriebenen und fotografierten Anlage verpflichten wollte.

Dem Klagebegehren der Klägerin folgend beschränkte sich das Gericht aber nicht auf die für sich zur Bestimmung der örtlichen Lage der zu entfernenden Anlage durchaus zureichenden örtlichen Beziehung zu dem in der Natur bestehenden Portierhaus bei der Westeinfahrt zum Fabriksgelände der Beklagten, sondern fügte auch noch eine weitere Ortsangabe durch Anführung der Nummer jenes Grundstückes hinzu, auf dem nach der Darstellung in der Katastralmappe die zu beseitigende Anlage liegen soll. Diese Angabe ist nach dem nunmehr auch von der Klägerin eingenommenen Standpunkt unrichtig.

Die in der Klage - irrigerweise - behauptete grundstücksmäßige Lage der zu beseitigenden Anlage stand während des gesamten Rechtsstreites nie zur Erörterung, wurde allseits als richtig unterstellt und war für die Individualisierung des Klagebegehrens deshalb völlig belanglos, weil weder die Parteien noch das Gericht nach der Aktenlage jemals auch nur die Möglichkeit erwogen hatten, eine andere als die im Zuge des Ortsaugenscheins besichtigte, beschriebene und in Lichtbildern festgehaltene Anlage könnte Gegenstand des Beseitigungsbegehrens sein. Dies allein ist entscheidend. Für das Berichtigungsbegehren ist es belanglos, welche Prozeßeinwendungen die Beklagte etwa erhoben hätte, hätte sie gewußt, daß die in der Natur besichtigte Anlage nicht auf dem in der Klage angegebenen Grundstück, sondern auf dem Nachbargrundstück errichtet wurde, und welches Gegenvorbringen der Klägerin offengestanden wäre.

Die Unrichtigkeit der Grundstücksangabe zur örtlichen Bestimmung des nach der Natur eindeutig beschriebenen Leistungsgegenstandes ist deshalb offenkundig, weil das Gericht die Beklagte nicht zur Beseitigung eines auf einem bestimmten Grundstück befindlichen Hindernisses verurteilen wollte, sondern zur Beseitigung der im Zuge des Ortsaugenscheines in der Natur besichtigten und nach wahrnehmbaren Kennzeichen objektiv eindeutig bezeichneten Anlage.

Der dem Klagebegehren folgende Urteilsspruch war in widersprüchlicher Weise überbestimmt, wobei objektiv außer jedem Zweifel steht, daß die Vorstellung und der Entscheidungswille des Gerichtes bei seiner Urteilsfällung durch die Lagemerkmale in der Natur und nicht durch die ungeprüft übernommene Ortsbezeichnung nach einer Grundstücksnummer bestimmt waren.

Daß die irrtümliche Lagebezeichnung im Urteilsspruch auf einer unrichtigen Lagebezeichnung im Klagebegehren zurückgeht, ändert nichts daran, daß dem Gericht ein - bei Einsichtnahme in die Katastralmappe und Übertragung deren Daten in die Natur objektiv erkennbar gewesener - Irrtum bei der Formulierung seines Entscheidungswillens unterlief, der nach dem Akteninhalt als offenbare Fehlbezeichnung zu erkennen ist.

In Stattgebung des Revisionsrekurses der Klägerin war daher der erstinstanzliche Urteilsberichtigungsbeschluß wieder herzustellen.

Das Urteilsberichtigungsverfahren ist kostenersatzrechtlich ein selbständiger Zwischen- oder Anhangsstreit. Die Beklagte ist letztendlich mit ihrem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Berichtigungsbeschluß erfolglos geblieben. Ihr gebührt daher nach dem Grundsatz der §§ 40 und 50 ZPO kein Kostenersatz. Die Klägerin aber hat durch ihre unrichtige Klagsbehauptung über die Lage der von ihr bemängelten Anlage das Berichtigungsverfahren ausgelöst; ihr gebührt deshalb aus dem Gedanken des § 48 Abs 1 ZPO für ihren Revisionsrekurs ebenfalls kein Kostenersatz.

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