OGH 14Os108/94

OGH14Os108/948.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. November 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. Rouschal und Dr. Adamovic als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hradil als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ljubomir J* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach §§ 15 StGB, 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ljubomir J* und Sinisa J*, die Berufung des Angeklagten Rasim D* sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Atilla S* gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 25. März 1994, GZ 38 Vr 3083/93‑62, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, des Generalanwaltes Dr. Bassler, des Angeklagten Atilla S* und der Verteidiger DDr. Esterbauer, Dr. Teply und Dr. Mühl, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Ljubomir J*, Sinisa J* und Rasim D*, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0140OS00108.9400000.1108.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

I. Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Ljubomir J* und Sinisa J* werden verworfen.

II. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch des Angeklagten Atilla S* aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

III. Den Berufungen der Angeklagten Ljubomir J*, Sinisa J* und Rasim D*, auch soweit sie als Beschwerden zu betrachten sind, wird nicht Folge gegeben.

IV. Diesen Angeklagten (J*, J* und D*) fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Ljubomir J*, Sinisa J* und Rasim D* (A) des Verbrechens nach § 15 StGB, § 12 Abs 1, Abs 3 Z 3 SGG (Suchtgiftgesetz), Rasim D* als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, Ljubomir J* und Sinisa J* überdies (B) des Verbrechens nach § 14 Abs 1 SGG schuldig erkannt.

Darnach haben sie

A./ den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, und zwar Heroin in einer Menge, die das 25‑fache der in § 12 Abs 1 SGG angeführten Menge überstieg, in Verkehr zu setzen versucht bzw dazu beigetragen, und zwar

I./ Ljubomir J* und Sinisa J* dadurch, daß sie am 26. November 1993 in Söllheim einem Unbekannten 490,10 Gramm Heroin übergeben wollten;

II./ Rasim D* dadurch, daß er einen Unbekannten als Käufer für die unter I./ angeführte Heroinmenge vermittelte, zur dort (I./) geschilderten Tathandlung beigetragen;

B./ Ljubomir J* und Sinisa J* Anfang November 1993 in Salzburg dadurch, daß sie vereinbarten, daß J* für (weitere) 716 Gramm Heroin, die sich im Besitz des J* befanden, Käufer suchen werde, die gemeinsame Ausführung der in § 12 SGG bezeichneten strafbaren Handlung verabredet.

Hingegen wurde der Angeklagte Atilla S* von der Anklage, er habe zum Versuch der Angeklagten Ljubomir J* und Sinisa J*, Suchtgift in Verkehr zu setzen (A/I), durch Vermitteln eines Käufers beigetragen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Ljubomir J* bekämpft die ihn betreffenden Schuldsprüche mit einer auf die Z 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; Sinisa J* wendet sich gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens nach § 14 Abs 1 SGG unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO. Rasim D* ließ den gegen ihn ergangenen Schuldspruch unangefochten.

Die Staatsanwaltschaft ficht den Freispruch des Angeklagten Atilla S* aus den Nichtigkeitsgründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO an.

Nach den Urteilsannahmen verfügte der Angeklagte J* im Oktober 1993 über 1 kg Heroin hervorragender Qualität, das er zu verkaufen trachtete. Anfang November 1993 vereinbarte er mit dem Angeklagten J*, daß dieser in seinem Bekanntenkreis Käufer für das Suchtgift suche. Zu diesem Zweck erkundigte sich J* in der Folge bei seinem Freund, dem Angeklagten Atilla S*, ob dieser Suchtgiftkäufer kenne, was S* verneinte. Tage später erzählte der Angeklagte Rasim D* seinem türkischen Landsmann S*, daß er zwei Personen kenne, die ein halbes Kilo Heroin kaufen wollten. Bei einer zufälligen Begegnung mit J* teilte S* am 25. November 1993 dem D* mit, daß J* "in Heroinsachen macht", worauf es zwischen den bis dahin einander nicht bekannten J* und D* zu einem Gespräch und der Vereinbarung der Übergabe eines halben Kilogramms Heroin am 26. November 1993 bei der Autobahnraststätte S* kam. Noch vor der geplanten Übergabe des Suchtgiftes an einen unbekannt gebliebenen Käufer, der dafür 600.000 S zu zahlen bereit war, wurden die Angeklagten J* und J* am 26. November 1993 gegen 22.00 Uhr festgenommen und 490,10 Gramm Heroin sichergestellt. Gegen 23.40 Uhr konnten auch Rasim D* und Atilla S*, der vom Ablauf des Suchtgiftgeschäftes gewußt hatte und mit D* in einem Lokal auf das Eintreffen des Angeklagten J* wartete, festgenommen werden. In der Folge wurden im Kellerabteil des Angeklagten Ljubomir J* weitere 716 Gramm Heroin sichergestellt.

Den Freispruch des Angeklagten Atilla S* begründete der Schöffensenat damit, daß der einzige Bezug zum gegenständlichen Suchtgiftgeschäft in seiner Äußerung gegenüber D*: "der (gemeint J*) macht in Heroinsachen", bestanden habe. Darin sei aber "mangels so wesentlicher aktiver Beteiligung" am Suchtgiftgeschäft kein Tatbeitrag im Sinne des § 12 dritter Fall StGB gelegen (US 16, 17).

 

Rechtliche Beurteilung

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Ljubomir J* und Sinisa J*

Soweit der Angeklagte J* in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter Hinweis auf einzelne Passagen aus der Verantwortung des Angeklagten J* ein Zusammentreten der Komplottanten in voller Tatbereitschaft negiert, stellt er nicht auf den Urteilsinhalt ab, wonach er mit J* vereinbarte, daß dieser einen Käufer für das in seinem Besitz befindliche Suchtgift von einem Kilogramm Heroin suchen werde (US 7), und daß er an dem Versuch, davon eine Teilmenge von 490,10 Gramm tatsächlich in Verkehr zu setzen, unmittelbar beteiligt war (US 9). Solcherart bringt er den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund, der ein Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und den daraus abgeleiteten Nachweis eines Rechtsfehlers des Erstgerichtes verlangt, nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

An sich zutreffend weisen die Angeklagten J* und J* in ihren Rechtsrügen darauf hin, daß die Strafbarkeit des Komplotts nach § 14 Abs 1 SGG entfällt, wenn die verabredete Tat in der Folge tatsächlich begangen, d.h. zumindest versucht worden ist. Sie übersehen allerdings, daß ihre Verabredung dahin ging, den gesamten Suchtgiftvorrat von einem Kilogramm Heroin in Verkehr zu setzen, es aber J* nur gelang, einen Käufer für (rund) ein halbes Kilogramm Heroin ausfindig zu machen. Demgemäß beschränkte sich der anschließende Versuch der Ausführung der im § 12 SGG bezeichneten strafbaren Handlung tatsächlich bloß auf eine Teilmenge von 490,10 Gramm Heroin, sodaß in Ansehung der übrigen ‑ durch Streckung vermehrten ‑ Menge von 716 Gramm Heroin das Komplott als Vorbereitungsdelikt für das geplante Inverkehrsetzen auch dieser Menge mangels einer insoweit gegebenen Identität der verabredeten mit der tatsächlich verübten Straftat durch letztere nicht vollständig verdrängt wurde (vgl Leukauf‑Steininger StGB3 RN 7, 8 zu § 277).

Dem Erstgericht ist sohin bei der Beurteilung des festgestellten Verhaltens als realkonkurrierende Verbrechen nach § 15 StGB, § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG in Ansehung einer Menge von 490,10 Gramm Heroin und nach § 14 Abs 1 SGG in Bezug auf die übrige Menge von 716 Gramm Heroin kein Rechtsirrtum unterlaufen.

Unbegründet sind auch die Mängel‑ und die Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) des Angeklagten J*, wonach er eine Verabredung bestreitet, auch die Restmenge von 716 Gramm Heroin in Verkehr zu setzen. Er übersieht nämlich, daß die Verabredung mit J* die in seinem Besitz befindliche Heroinmenge von einem Kilogramm, sohin den gesamten ‑ ca 340 Gramm reines Heroin enthaltenden - Suchtgiftvorrat betraf (US 10), sodaß davon ‑ nach dem gescheiterten Versuch, eine Teilmenge von 490,10 Gramm (= ca 210 Gramm reines Heroin) in Verkehr zu setzen ‑ auch die verbleibende Menge von ca 130 Gramm reinen Heroins umfaßt war. Daß diese zum Verkauf vorgesehene Suchtgiftmenge vom Beschwerdeführer auf 716 Gramm gestreckt wurde und damit insgesamt etwas mehr als ein Kilogramm, nämlich 1206,10 Gramm, zur Disposition standen, vermag daran nichts zu ändern, kommt es doch nur auf den darin enthaltenen psychoaktiven Wirkstoff, somit auf den Reingehalt an Heroin an.

Die beide Schuldsprüche des Angeklagten J* betreffende Verfahrensrüge (Z 4) aber versagt deshalb, weil der Zeuge Senad Z* infolge seines (trotz gerichtlicher Erhebungen) unbekannten Aufenthaltes zur Hauptverhandlung nicht geladen werden konnte, die Verlesung der Protokolle über dessen Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 29. November 1993 und dem Untersuchungsrichter vom 30. November 1993 (ON 13) in der Hauptverhandlung gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO sohin ‑ ungeachtet des Widerspruchs des Beschwerdeführers (S 377/I) ‑ zu Recht erfolgte. Ein allfälliger Verstoß des Untersuchungsrichters gegen die Bestimmung des § 162 a Abs 1 StPO ist aber ‑ was der Beschwerdeführer außer acht läßt ‑ nicht mit Nichtigkeit bedroht, sodaß die Verlesung der Angaben des Zeugen Z* auch keine Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 2 StPO bewirken könnte.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Ljubomir J* und Sinisa J* waren daher zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Berechtigung kommt hingegen der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch des Angeklagten Atilla S* zu. Nach den Urteilsannahmen lieferte nämlich der Angeklagte S* am 25.November 1993 dem Angeklagten Rasim D* durch die Äußerung, daß J* "in Heroinsachen macht", den entscheidenden, die Tat ‑ wie sie zwischen D* und J* sogleich nach dem Hinweis vereinbart und am 26.November 1993 auch versucht worden ist ‑ auslösenden Hinweis. Schon damit hätte er aber ‑ wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend aufzeigt ‑ eine für den Tatablauf kausale Handlung gesetzt und solcherart jedenfalls objektiv zur Ausführung der strafbaren Handlung beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), zumal sich die Tat, wie sie sich in der Folge tatsächlich zugetragen hat, ohne diesen Hinweis des Angeklagten S* nicht so ereignet hätte. Da für die Annahme eines Tatbeitrages im Sinne des § 12 dritter Fall StGB schon die geringste Hilfe genügt, welche die Tat fördert und bis zur Vollendung wirksam bleibt (Leukauf‑Steininger StGB3 RN 47 zu § 12), bedurfte es nicht mehr eines Eingehens auf das übrige Beschwerdevorbringen der Staatsanwaltschaft, wonach eine Reihe von Verfahrensergebnissen unerörtert geblieben sei (Z 5), aus denen noch weitere Beitragshandlungen des Angeklagten Atilla S* abgeleitet werden könnten.

Entgegen der Auffassung der Generalprokuratur sieht sich der Oberste Gerichtshof allerdings nicht in der Lage, sofort in der Sache selbst zu erkennen, denn das Erstgericht hat die wiedergegebenen entscheidenden Feststellungen nicht nur undeutlich begründet, indem es sich darauf berief, daß die "leugnende" Verantwortung des Viertangeklagten (S*) von den beiden geständigen J* und D* "bestätigt" werde (US 15 unten); es hat auch ‑ ersichtlich von seiner unrichtigen Rechtsauffassung ausgehend, daß ein strafbarer Tatbeitrag schon objektiv nicht gegeben sei ‑ es unterlassen, in subjektiver Hinsicht eindeutige Feststellungen zu treffen und diese entsprechend zu begründen. Die Anordnung eines zweiten Rechtsganges über den gegen Atilla S* erhobenen Anklagevorwurf war daher nicht zu vermeiden (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Zu den Berufungen:

Das Schöffengericht verhängte nach § 12 Abs 3 SGG - bei Ljubomir J* und Sinisa J* unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB - über den Erstangeklagten J* dreieinhalb Jahre, über den Zweitangeklagten J* drei Jahre und über den Drittangeklagten D* zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe. Weiters sah es bei J* vom Widerruf einer, bei D* vom Widerruf zweier bedingter Strafnachsichten unter gleichzeitiger Verlängerung der Probezeiten auf fünf Jahre ab (§ 494 a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO).

Bei der Strafzumessung wertete es bei allen Berufungswerbern die überaus große, weit über die Qualifikationserfordernisse nach § 12 Abs 3 Z 3 SGG hinausgehende Suchtgiftmenge, beim Erst‑ und Zweitangeklagten das Zusammentreffen zweier Verbrechen als erschwerend, mildernd hingegen berücksichtigte es beim Angeklagten J* die gerichtliche Unbescholtenheit, bei den Angeklagten J* und D* das umfassende, reumütige und der Wahrheitsfindung dienende Geständnis, bei allen Genannten, daß es beim Versuch des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG geblieben und das Suchtgift sichergestellt worden ist, beim Angeklagten D* weiters sein Alter unter 21 Jahren.

Die Berufungen, mit welchen jeweils die Herabsetzung und (beim Erst‑ und Drittangeklagten zumindest) teilweise bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe angestrebt wird, sind nicht berechtigt.

Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig sowie vollständig festgestellt und auch zutreffend gewichtet.

Angesichts des Strafrahmens von einem bis zu 15 Jahren, der Menge des verfahrensgegenständlichen Heroins, eines besonders gefährlichen Suchtgifts, und der Delinquenz aus Gewinnstreben besteht bei keinem der Angeklagten Anlaß zur Strafmilderung.

Der bedingten Nachsicht von Teilen der jeweiligen Strafe steht ‑ abgesehen von generalpräventiven Erwägungen ‑ bei Ljubomir J* schon die Höhe der Sanktion (§ 43 a Abs 4 StGB), bei den übrigen Berufungswerbern die wegen der Wirkungslosigkeit von Vorverurteilungen ersichtlich fehlende hohe Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens entgegen.

Da sich aus den Akten keine Umstände ergeben, welche die Verlängerung der Probezeiten als unangemessen erscheinen ließen, war den Berufungen ‑ auch soweit sie als Beschwerden zu betrachten waren (§ 498 Abs 3 StPO) -, gleichfalls der Erfolg zu versagen.

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten J*, J* und D* ist in § 390 a StPO begründet.

 

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