OGH 4Ob130/94

OGH4Ob130/948.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** T***** GesellschaftmbH, *****, 2. M*****-H***** GesellschaftmbH, *****, 3. M*****E***** GesellschaftmbH, *****, alle vertreten durch Dr.Harald Schmidt I, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. C***** GesellschaftmbH, *****, 2. Y***** GesellschaftmbH, *****, vertreten durch Fiebinger & Polak, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000,--), infolge Revisionsrekurses der Klägerinnen und der Erstbeklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. August 1994, GZ 1 R 180/94-6, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 13. Juni 1994, GZ 24 Cg 306/94-2, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

I. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Erstbeklagten wird gemäß § 78 EO, § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

II. Dem Revisionsrekurs der Klägerinnen wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie insgesamt wie folgt zu lauten haben:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruches der Klägerinnen auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird den Beklagten bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Klage verboten, im geschäftlichen Verkehr mit Elektrogeräten, insbesondere Fernsehern und Videorecordern, zu Zwecken des Wettbewerbes die befristete Überlassung derartiger Geräte zur Nutzung bloß unter Angabe des dafür zu entrichtenden Entgeltes blickfangartig hervorgehoben unter dem Anschein eines besonders günstigen Angebotes anzukündigen, wenn dabei in Wahrheit noch zusätzliche Geldleistungen in vielfacher Höhe, wenn auch nur vorübergehend, gefordert, aber in der Form verschwiegen werden, daß sie nicht in gleich auffälliger Form wie die Ankündigung über die Miete der Geräte bekanntgegeben werden, insbesondere eine 'WM-VERLEIH-AKTION Live dabei um öS 600,-' anzukündigen, wenn dafür zusätzlich noch eine Kaution in 10- bis 25facher Höhe zu entrichten ist."

Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagten haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerinnen und die Erstbeklagte betreiben den Einzelhandel mit Elektrogeräten; die zweitbeklagte Werbeagentur hat ein Werbefaltblatt für die Erstbeklagte gestaltet.

Dieses Werbefaltblatt war der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 9.6.1994 beigelegt. Auf seiner Titelseite und auf den beiden folgenden Seiten war eine

"WM-VERLEIH-AKTION

Live dabei um öS 600,--"

blickfangartig angekündigt. Auf Seite 3 des Werbefaltblattes waren die Bedingungen der Aktion angegeben:

"Unsere Kunden suchen sich einen Fernseher oder Videorecorder aus. Die Aktion gilt für alle Geräte aus dem C*****Sortiment*. Vom 9. bis 13.6. in allen C***** Märkten. Der Kaufpreis wird als Kaution für das Gerät hinterlegt. Dann kann man den Ferseher oder Videorecorder einfach mit nach Hause nehmen.

Beim Zurückbringen des Gerätes (zwischen dem 18. und 23.7.) erhält man den Kaufpreis abzüglich öS 600,- Miete bar rückerstattet.

Wer das Gerät nach der WM-Aktion doch lieber kaufen will, bekommt 10 % Testhonorar auf den hinterlegten Kaufpreis. Bar auf die Hand. Und bezahlt nur die halbe Miete. Ermäßigter Kauf nur zwischen dem 18. und 23.7.94.

*ausgenommen: Geräte der Firma Telefunken und Großbildfernseher über 72cm Bildschirmdurchmesser."

Die Klägerinnen begehren zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr mit Elektrogeräten, insbesondere Fernsehern und Videorecordern, zu Zwecken des Wettbewerbes die befristete Überlassung derartiger Geräte zur Nutzung bloß unter Angabe des dafür zu entrichtenden Entgeltes blickfangartig hervorgehoben unter dem Anschein eines besonders günstigen Angebotes anzukündigen, wenn dabei in Wahrheit noch zusätzliche Geldleistungen in vielfacher Höhe, auch nur vorübergehend, gefordert aber verschwiegen werden; insbesondere eine "WM-VERLEIH-AKTION Live dabei um öS 600,-" anzukündigen, wenn dafür zusätzlich noch eine Kaution in 10- bis 25facher Höhe zu entrichten ist.

Die blickfangartige Ankündigung einer "WM-VERLEIH-AKTION" sei zur Irreführung geeignet, weil sie den wesentlichen Umstand verschweige, daß der volle Kaufpreis als Kaution zu erlegen ist. in Wahrheit gehe es darum, Fernsehgeräte zu verkaufen. Das scheinbar günstige Mietangebot sei ein sittenwidriges Lockmittel.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab, ohne die Beklagten gehört zu haben.

Eine Irreführung sei ausgeschlossen, wenn der wahre Sachverhalt unter allen Umständen vor Abschluß des Rechtsgeschäftes hervorkommen müsse. Die irreführende Ankündigung könne in einem solchen Fall nichts zum Entschluß beitragen, das Rechtsgeschäft abzuschließen. Soweit die blickfangartige Ankündigung jemanden veranlasse, sich mit dem Angebot näher zu befassen, werde dieser durch die Erläuterungen auf Seite 3 des Prospektes aufgeklärt. Ein Abschluß des Rechtsgeschäftes ohne Kenntnis der näheren Bedingungen komme gar nicht in Frage.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes insoweit, als der Sicherungsantrag gegen die Zweitbeklagte abgewiesen wurde; der Erstbeklagten verbot es, im geschäftlichen Verkehr mit Elektrogeräten, insbesondere Fernsehern und Videorecordern, zu Zwecken des Wettbewerbes die befristete Überlassung derartiger Geräte zur Nutzung bloß unter Angabe des dafür zu entrichtenden Entgeltes blickfangartig hervorgehoben unter dem Anschein eines besonders günstigen Angebotes anzukündigen, wenn dabei in Wahrheit noch zusätzliche Geldleistungen in vielfacher Höhe, wenn auch nur vorübergehend, gefordert, aber in der Form verschwiegen werden, daß sie nicht in gleich auffälliger Form wie die Ankündigung über die Miete der Geräte bekanntgegeben werden; insbesondere eine "WM-VERLEIH-AKTION Live dabei um öS 600,-" anzukündigen, wenn dafür zusätzlich noch eine Kaution in 10- bis 25facher Höhe zu entrichten ist. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000,-- S übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Durch Lockvogelwerbung wolle der Werbende Kunden zum Betreten seines Geschäftslokales veranlassen und dort zum Kauf anderer Waren überreden. Blickfangwerbung dürfe auch für sich allein genommen nicht irreführend sein. Die Ankündigung auf Seite 1 des Prospektes sei zur Irreführung geeignet, weil die Kaution nicht erwähnt werde. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des angesprochenen Publikums werde, ohne die näheren Bedingungen gelesen zu haben, das Geschäftslokal der Erstbeklagten aufsuchen und sich mit deren übrigem Angebot näher auseinandersetzen. Auf die spätere Aufklärung über die Einzelheiten des "Lockangebotes" komme es nicht an. Im Spruch der einstweiligen Verfügung sei klarzustellen gewesen, in welcher Form die näheren Details verschwiegen werden.

Zwischen den Klägerinnen und der Zweitbeklagten bestehe kein Wettbewerbsverhältnis. Die Wettbewerbsabsicht sei daher nicht zu vermuten; vielmehr hätten die Klägerinnen behaupten und beweisen müssen, daß die Zweitbeklagte in der Absicht gehandelt habe, fremden Wettbewerb zu fördern. Die Klägerinnen hätten nicht einmal behauptet, daß die Zweitbeklagte den Wettbewerb der Erstbeklagten bei der "Gestaltung und Schaltung" der Werbeankündigung bewußt habe fördern wollen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den stattgebenden Teil der Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Erstbeklagten ist unzulässig; jener der Klägerinnen gegen den abweisenden Teil ist zulässig und berechtigt.

I. Zum Revisionsrekurs der Erstbeklagten:

Der der Entscheidung ecolex 1990, 764 - Würfelzucker zugrundeliegende Fall ist dem vorliegenden Fall nicht gleich. Hier geht es um zur Irreführung geeignete Blickfangwerbung, nimmt der unbefangene Durchschnittsbetrachter doch an, er müsse nur S 600,-- aufwenden, um mit Hilfe eines Fernsehgerätes bei der Fußball-WM "live dabei" zu sein. Darüber, daß der Kaufpreis als Kaution zu erlegen ist, wird erst im Text im Prospektinnern aufgeklärt; der Auffälligkeitswert dieser Angaben bleibt hinter denen des Blickfanges weit zurück. In der E ecolex 1990, 764 - Würfelzucker war hingegen die Frage zu entscheiden, ob zwischen gleich auffällig gestalteten Werbeaussagen Zusammenhänge im Sinne eines wettbewerbswidrigen "Systemvergleiches" bestehen. Das blickfangartig als besonders günstig herausgestellte Mietangebot ist geeignet, bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck zu erwecken, daß außer der Miete keine weiteren Aufwendungen erforderlich sind. Die durch die Unvollständigkeit der Blickfangwerbung bewirkte Täuschung ist demnach geeignet, den Entschluß der angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, zugunsten dieses Angebots zu beeinflussen (ÖBl 1991, 242 - Pfandverkauf von Orientteppichen). Letztlich will die Erstbeklagte wie ihre Ankündigung eines "Testhonorars von 10 %" bei einem Kauf des gemieteten Gerätes zeigt, mit der WM-Verleih-Aktion ihren Absatz an Fernsehgeräten steigern. Daß sie zu diesem Zweck mit einem günstigen Mietangebot wirbt, ist ein für die rechtliche Beurteilung unwesentliches Element. Da sich die angefochtene Entscheidung an die zur Blickfangwerbung ausgesprochenen Grundsätze hält, liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor.

II. Zum Revisionsrekurs der Klägerinnen:

Zwischen den Klägerinnen als Betreiberinnen von Einzelhandelsgeschäften für Elektrogeräte und der Zweitbeklagten als Werbeagentur besteht kein Wettbewerbsverhältnis. Die hier allein in Frage kommende Absicht, fremden Wettbewerb zu fördern, wird nicht vermutet: In der Regel muß der Kläger behaupten und beweisen (bescheinigen), daß der Beklagte in der Absicht gehandelt hat, zugunsten des einen und zum Nachteil des anderen Mitbewerbers in den Wettbewerb einzugreifen, falls nicht eine typisch darauf gerichtete Handlung vorliegt (MR 1994, 35 - VÖZ-Rabatt mwN). Die Gestaltung einer Werbeankündigung ist aber eine in diesem Sinn typische Handlung, liegt doch ihr einziger Zweck darin, den Wettbewerb des Auftraggebers zu fördern. Wird daher eine Werbeagentur wegen einer von ihr gestalteten wettbewerbswidrigen Ankündigung in Anspruch genommen, so wird die Wettbewerbsabsicht (=die Absicht, fremden Wettbewerb zu fördern) vermutet.

Ob die Gestaltung der wettbewerbswidrigen Ankündigung der Werbeagentur als Mittäterin (so WBl 1994, 279 Götz-Zitat mwN) oder als Gehilfin anzulasten ist, spielt keine Rolle, muß ihr die Wettbewerbswidrigkeit ihres Tuns doch jedenfalls bewußt sein, so daß auch die Voraussetzungen für die Gehilfenhaftung gegeben sind. Gehilfe ist, wer wettbewerbswidriges Verhalten eines anderen bewußt fördert; er haftet für den Wettbewerbsverstoß gleich dem Störer (s Hohenecker/Friedl, Wettbewerbsrecht 94; MR 1991, 162 - Zeitungsvertrieb; MR 1994, 127 - Echo der Frau mwN). Die Zweitbeklagte ist daher in jedem Fall ebenso wie die Erstbeklagte zur Unterlassung verpflichtet.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerinnen beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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