OGH 6Ob28/94

OGH6Ob28/9427.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Firmenbuchsache der unter FN ***** eingetragenen S*****gesellschaft mbH mit dem Sitz in G*****, über die Anmeldung der Abberufung eines Geschäftsführers und der Neubestellung eines anderen Geschäftsführers infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Gesellschaft und ihres neu bestellten Geschäftsführers Bernhard L*****, beide vertreten durch Dr.Ulrich O.Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, gegen den zum Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 30.Juni 1994, GZ 27 Fr 2323/94-4, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 18.August 1994, AZ 1 R 163/94(= 27 Fr 3983/94m), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben. Folgende Firmenbucheintragungen werden bei dem unter ***** geführten Rechtsträger S*****gesellschaft mbH bewilligt:

1. daß Bernhard L***** seit 7.November 1991 Geschäftsführer ist und selbständig vertritt,

2. daß die Funktion des Geschäftsführers Anton S***** erloschen ist.

Text

Begründung

Eine pensionierte Amtsärztin ist seit 1983 Alleingesellschafterin der 1975 gegründeten Gesellschaft mbH. Am 28.Oktober 1991 wurde über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet und ein Rechtsanwalt zum Masseverwalter bestellt.

Am 7.November 1991 faßte die Alleingesellschafterin den Gesellschafterbeschluß, den einzigen noch in seiner Funktion befindlichen Geschäftsführer abzuberufen und an seiner Statt ihren Sohn zum Geschäftsführer zu bestellen.

Ende April 1994 begehrte dieser die Eintragung des Gsechäftsführerwechsels im Firmenbuch. Der Gesellschaftskonkurs ist weiterhin ahängig. Der Sohn der Alleingesellschafterin verbüßt eine mehrjährige Haftstrafe.

Das Firmenbuchgericht wies das Eintragungsbegehren mit der Begründung ab, dem zum neuen Geschäftsführer bestellten Sohn der Alleingesellschafterin mangle es infolge seiner mehrjährigen Haft an der nach § 15 Abs 1 GmbHG erforderlichen Handlungsfähigkeit. Seine Bestellung zum Geschäftsführer ziele auf eine Beeinträchtigung des Strafvollzuges ab und sei deshalb als Umgehungsgeschäft nichtig.

Das Rekursgericht bestätigte diese abweisliche Entscheidung. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt. Weiters sprach das Rekursgericht aus, daß eine Revisionsrekursvoraussetzung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG nicht vorliege.

Das Rekursgericht teilte die erstgerichtliche Ansicht, daß dem Sohn der Alleingesellschafterin wegen der mit der Verbüßung der Strafhaft verbundenen Behinderungen die erforderliche Handlungsfähigkeit abginge; vor allem aber hätte seine nach Eröffnung des Gesellschaftskonkurses erfolgte Geschäftsführerbestellung als eine über den gewöhlichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Maßnahme einer Zustimmung des Masseverwalters bedurft. Der anmeldende Geschäftsführer habe dem erstinstanzlichen Verbesserungsauftrag, eine Erklärung der Konkursorgane zum beschlossenen Geschäftsführerwechsel vorzulegen, nicht entsprochen. Die Geschäftsführerbestellung berühre die Interessen der Gesellschaftsgläubiger und sei mangels nachgewiesener Billigung durch das zuständige Konkursorgan jedermann gegenüber unwirksam.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Frage, wieweit ein Wechsel des Geschäftsführers einer in Konkurs verfallenen Gesellschaft mbH Einfluß auf das Konkursvermögen zu üben in der Lage wäre und deshalb einer Zustimmung des Masseverwalters bedürfe, keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt und die Auslegung des Begriffes Handlungsfähigkeit im § 15 Abs 1 GmbHG durch die Vorinstanzen mit den gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar erscheint.

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Gemäß § 15 Abs 1 Satz 2 GmbHG können zu Geschäftsführern nur physische, handlungsfähige Personen bestellt werden. Die Handlungsfähigkeit einer natürlichen Person bestimmt sich nach bürgerlichem Recht (vgl Koppensteiner KommzGmbHG § 15 Rz 15; Wünsch KommzGmbHG § 15 Rz 15; Reich-Rohrwig GmbH-Recht, 94; Auer Rechtsgrundlagen für GmbH-Geschäftsführer2, 8.1; Gellis/Feil KommzGmbHG § 15 Anm 5). Die Eigenberechtigung eines Häftlings wird aber auch durch längere Haft in keiner Weise beschränkt.

Strafgerichtliche Verurteilung wegen bestimmter Delikte schließt (im Gegensatz zu § 6 Abs 2 dGmbHG) die Eignung zum Geschäftsführer nicht aus.

Die Zweckmäßigkeit der Bestellung einer auf längere Zeit inhaftierten Person zum Geschäftsführer und die Aufrechterhaltung seiner Organstellung liegt ausschließlich im Ermessen der zur Geschäftsführerbestellung berufenen Gesellschaftsorgane.

Das gilt auch für den Fall des Gesellschaftskonkurses. Die Geschäftsführerbestellung als solche ist für das konkursverfangene Gesellschaftsvermögen grundsätzlich ohne Einfluß. Die Geschäftsführerbestellung stellt einen rein organisatorischen Gesellschaftsvorgang dar, auf den ausschließlich die gesetzlich und allenfalls satzungsgemäß hiezu Berufenen Einfluß nehmen können, nicht aber im Falle des Gesellschaftskonkurses der Masseverwalter oder ein konkursgerichtliches Organ, weil eben die Bestellung oder Abberufung eines Geschäftsführers auf die Verwaltung des konkursverfangenen Gesellschaftsvermögens und die Verfügung hierüber ohne jeden Einfluß bleibt. Die zur Geschäftsführerbestellung oder -abberufung in einer Gesellschaft, über deren Vermögen das Ausgleichsverfahren eröffnet wurde, ergangene Entscheidung NZ 1970,29 hob ausdrücklich die Unterschiede zwischen dem Ausgleichs- und dem Konkursverfahren hervor, vernachlässigte aber im übrigen die entscheidende Prüfung der Auswirkungen einer Geschäftsführerbestellung oder -abberufung auf das Vermögen einer in ein Insolvenzverfahren verstrickten Gesellschaft.

Daß durch die Betrauung eines Strafhäftlings mit der Funktion eines Geschäftsführers einer Gesellschaft mbH der Strafvollzug nicht beeinträchtigt werden könne, sondern sich vielmehr die Ausübung der organschaftlichen Funktion durch einen Häftling sich den Gegebenheiten des Strafvollzuges unterzuordnen habe, bedarf keiner weiteren Begründung.

Die Bestellung des Sohnes der Alleingesellschafterin zum Geschäftsführer und die gleichzeitige Abberufung des bis dahin einzigen in seiner Funktion verbliebenen Geschäftsführers ist als reine Organisationsmaßnahme ungeachtet des anhängigen Gesellschaftskonkurses voll wirksam.

In Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen war deshalb dem Eintragungsbegehren voll stattzugeben.

Der Vollzug der hiemit bewilligten Eintragungen obliegt gemäß § 20 Abs 1 FBG dem Gericht erster Instanz.

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