OGH 10ObS243/94

OGH10ObS243/9425.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Günther Schön (AG) und Rudolf Randus (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj.D***** K*****, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter Dipl.Ing.Dr.Wolfgang K***** vertreten durch Dr.Christoph Koller, Rechtsanwalt in Seekirchen a.W., wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Juli 1994, GZ 13 Rs 63/94-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 28. September 1993, GZ 19 Cgs 183/92-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es hierauf zu verweisen (§ 48 ASGG).

Unbestritten ist, daß die Schulsportwoche, an der die Klägerin teilnahm, gemäß § 175 Abs 5 Z 1 ASVG grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Nach den Feststellungen hat sich der streitgegenständliche Unfall jedoch ereignet, als die fünfzehnjährige Klägerin, nachdem sie eine verpflichtende Schulveranstaltung (Abschlußabend) unerlaubt verlassen hatte, um sich mit einem Freund zu treffen und dabei eine Straße überquerte. Soweit die Revision unterstellt, der Klägerin wäre es bei entsprechender Rückfrage von den Lehrkräften gestattet worden, die Veranstaltung zu verlassen, geht sie nicht von den Feststellungen aus. Die Vorinstanzen legten ihren Entscheidungen zu Grunde, daß die Schüler an dem Abschlußabend teilzunehmen hatten, der in einem Kaffeehaus stattfand, es von den Lehrkräften jedoch toleriert wurde, daß sie das Lokal selbst verließen und sich im unmittelbaren Bereich des Lokales aufhielten. Die Klägerin hat jedoch diesen Bereich verlassen, um die Zeit mit einem Freund zu verbringen.

Der geschützte Lebensbereich wird in der Unfallversicherung nach Tätigkeiten bestimmt. Unfälle, die beim Vollzug (dh gelegentlich) bestimmter Handlungen geschehen sind - unter der Voraussetzung, daß auch die Kausalitätsprüfung zu einem positiven Ergebnis führt - der Leistungspflicht der Unfallversicherung unterworfen (Firlei, DRdA 1984, 98 ff [99]). Gemäß § 175 Abs 5 Z 1 ASVG gelten in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit i als Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich bei der Teilnahme an Schulveranstaltungen ereignen. Dabei erstreckt sich der Schutz jedoch nicht auf die gesamte Zeit der Schulveranstaltung, sondern nur auf Tätigkeiten, die mit dieser Veranstaltung in zeitlichem, örtlichen und ursächlichen Zusammenhang stehen. Geschützt soll nach den Grundintentionen des Gesetzes jede Tätigkeit sein, die sich als Ausübung der Rolle des Schülers oder Studenten darstellt (SSV-NF 5/13 = ZAS 1992/6 mwN). Entfernt sich der Schüler aus "eigenwirtschaftlichen" Gründen von der Schulveranstaltung, so wird damit der innere Zusammenhang zu dieser gelöst. Tätigkeiten, die er in dieser Zeit vornimmt, sind nicht vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfaßt. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob die Tätigkeit, die die Klägerin im "eigenwirtschaftlichen" Bereich entfaltete, mit größeren Gefahren verbunden war, als die Veranstaltung selbst. Es ist hier nicht eine Risikoerhöhung, die zum Ausschluß des Versicherungsschutzes führt, sondern der Umstand, daß sich die Klägerin aus privaten Motiven von der Gruppe entfernte. Daß sich die Schüler bei der Abschlußveranstaltung im Bereich des Lokales frei bewegen konnten (Terrasse, Wiese vor dem Haus), steht dem nicht entgegen, steht doch fest, daß die Klägerin diesen Bereich verlassen hat, um sich zu einem anderen Hotel zu begeben.

Die Frage, ob auch eine an sich dem privaten Bereich zuzuzählende Tätigkeit deshalb vom Versicherungsschutz umfaßt ist, weil sie im Rahmen einer Schulveranstaltung erfolgte, stellt sich nur dann, wenn sie im Rahmen der Schulveranstaltung selbst entfaltet wird. Ein solcher Sachverhalt lag der Entscheidung SSV-NF 5/13 zu Grunde. Hat sich der Versicherte jedoch aus dem versicherten Bereich gelöst und eine private Tätigkeit verrichtet, so fällt der Versicherungsschutz weg, auch wenn allenfalls diese Tätigkeit bedingt durch die ungewohnte Umgebung, in der die Veranstaltung stattfindet, mit größeren Gefahren verbunden ist, als dies der Fall wäre, würde sie im gewohnten Milieu verrichtet.

Wohl entspricht es der Lehre, daß etwa bei Wegunfällen von Schülern geringeren Alters bei Umwegen, Unterbrechungen und eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten nicht jener strenge Maßstab anzuwenden ist, wie bei Erwachsenen und Jugendlichen; sie neigten verstärkt zur Unvorsichtigkeit und könnten die Folgen ihres Handelns oft nicht ausreichend einschätzen (so Firlei aaO, 115). Im vorliegenden Fall war die Klägerin aber zum Zeitpunkt des Ereignisses bereits 15 Jahre alt. Die oben dargestellten Grundsätze, die von der Lehre nur für Schüler geringen Alters vertreten werden, können auf die Klägerin schon deshalb keine Anwendung finden, weil sie sich bereits in einem Alter befand, in dem andere Personen bereits im Erwerbsleben stehen, sodaß sich ein Eingehen auf diese Problematik erübrigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen würden, wurden weder geltend gemacht, noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus dem Akt.

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