OGH 6Ob1647/94

OGH6Ob1647/9420.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adelheid S*****, vertreten durch Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Monika S*****, wegen Wiederaufnahme des zu 4 C 1801/90 des Bezirksgerichtes Mödling anhängig gewesenen Kündigungsstreites, infolge außerordentlichen Rekurses der Wiederaufnahmsklägerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 7.Juni 1994, AZ 41 R 463/94 (ON 6), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Rekurs der Wiederaufnahmsklägerin wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Wohnungsvermieterin begehrt die Wiederaufnahme eines Rechtsstreites, in dem ihre auf § 30 Abs 2 Z 3 MRG gegründete Aufkündigung für rechtsunwirksam erklärt worden war, wobei sie den genannten Kündigungsgrund dahin ausgeführt hatte, daß der mit der Mieterin in der aufgekündigten Wohnung lebende Ehemann der Mieterin am 15.März 1991 ein Fahrrad gegen die Vermieterin geworfen und diese dadurch schwer verletzt habe, was vom Prozeßgericht aber nicht als erwiesen erachtet worden war.

Nach dem Vorbringen der Wiederaufnahmswerberin sei das die Kündigung für rechtsunwirksam erklärende erstinstanzliche Urteil vom 21. Dezember 1992 mit dem Berufungsurteil vom 1.September 1993 bestätigt worden.

Nunmehr sei aber der Ehemann der Mieterin mit einem Strafurteil vom 7. April 1993 wegen des in der Kündigung dargestellten Vorfalles vom 15. März 1991 des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt worden; der Berufung des Angeklagten sei in diesem Punkt des Schuldspruches nicht Folge gegeben worden. Eine Ausfertigung dieses Berufungsurteiles sei der Wiederaufnahmsklägerin (die sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hatte) zuhanden ihres Vertreters am 28. Januar 1994 zugestellt worden.

Als Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO macht die Wiederaufnahmsklägerin das in Rechtskraft erwachsene Straferkenntnis geltend. Mit ihren Rechtsmittelausführungen stellte sie dazu klar, daß ihr im Zuge des Strafverfahrens keine neuen Tatsachen und auch keine neuen (unmittelbaren) Beweismittel bekannt geworden wären, sondern daß sie im Straferkenntnis als solchem und in der diesem Urteil zugrundgelegten Beweiswürdigung durch das Strafgericht, wie sie in den strafgerichtlichen Entscheidungen erster und zweiter Instanz niedergelegt worden sei, den Wiederaufnahmsgrund erblicke.

Das Prozeßgericht erster Instanz hat die Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren mit der Begründung zurückgewiesen, daß das Wiederaufnahmsbegehren auf keinen tauglichen Anfechtungsgrund gestützt werde.

Das Rekursgericht hat die Klagszurückweisung mit der Begründung bestätigt, daß die - mit der Verkündung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in Gang gesetzte - vierwöchige Klagsfrist des § 534 ZPO zur Zeit der Klagserhebung längst abgelaufen gewesen wäre.

Das Rekursgericht unterließ einen Bewertungsausspruch. Es sprach aber aus, daß eine Revisionsrekursvoraussetzung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Wiederaufnahmsklägerin erhebt einen außerordentlichen Revisionsrekurs.

Dieser ist nicht etwa in analoger Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne weitere Voraussetzungen zulässig: eine Analogie scheiterte nämlich schon daran, daß das Rekursgericht nicht erstmals die Klagszurückweisung aussprach, sondern eine erstinstanzliche Klagszurückweisung - wenn auch aus einem anderen, aber doch iS des § 538 Abs 1 ZPO gleichwertigen Grund - bestätigte.

Eine derartige Verfahrenslage ist der Beurteilung nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unterworfen. Das bedeutet, daß der in Ansehung bestätigender Rekursentscheidungen angeordnete absolute Rechtsmittelausschluß kraft der Ausnahmebestimmung nicht gilt.

Nun richtet sich zwar die Rechtsmittelzulässigkeit im Wiederaufnahmsverfahren nach den für das wiederaufzunehmende Verfahren geltenden Regelungen. Die Revisionszulässigkeit wäre daher zufolge der Bestimmung des § 502 Abs 3 Z 2 ZPO von einem die Revisionsgrenze übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstandes unabhängig. § 502 Abs 3 ist aber nach ständiger Rechtsprechung im Rekursverfahren nicht anwendbar. Danach hinge also die Revisionsrekurszulässigkeit von einem dem Gericht zweiter Instanz vorbehaltenen Bewertungsausspruch gemäß § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 1 ZPO ab.

Eine Ergänzung der angefochtenen Entscheidung durch den Bewertungsausspruch ist aber dann entbehrlich, wenn der Oberste Gerichtshof befindet, daß es an einer Rechtsmittelzulässigkeitsvoraussetzung iS des § 528 Abs 1 ZPO gebricht, denn der Abgang einer positiven Zulässigkeitsvoraussetzung nach dem Abs 1 und das Vorliegen einer negativen Voraussetzung im Sinne des Abs 2 des § 528 ZPO sind für die Beurteilung der Rechtsmittelzulässigkeit durch den Obersten Gerichtshof gleichwertig.

Eine Revisionsrekursvoraussetzung iS des § 528 Abs 1 ZPO liegt aber nicht vor. Es entspricht der Auslegung des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO, daß dieser Anfechtungsgrund nicht dadurch erfüllt werde, daß ein anderes Gericht, und sei es auch ein Strafgericht, die schon im wiederaufzunehmenden Verfahren bekannt gewesenen Beweise einer abweichenden Würdigung unterzieht.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte