OGH 12Os107/94

OGH12Os107/9420.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Oktober 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hradil als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Bernhard Ernst H***** wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 15.April 1994, GZ 12 a Vr 1.137/93-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Weiss, des Angeklagten Bernhard Ernst H***** und des Verteidigers Dr.Breuer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5.April 1945 geborene Finanzbuchhalter Bernhard Ernst H***** des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB (II), des Vergehens der versuchten Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 1 StGB (III), des Vergehens (im Urteil unrichtig: Verbrechens) des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 erster Fall StGB (IV) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (V) schuldig erkannt.

Demnach hat er in Traiskirchen und an anderen Orten Niederösterreichs

(zu I und III) im Jahre 1986 oder 1987 mit seiner am 11.Februar 1975 geborenen, sohin damals unmündigen Tochter Martina H***** den außerehelichen Beischlaf unternommen und hiedurch versucht, mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf zu vollziehen;

(zu II und IV) seine beiden damals noch unmündigen Töchter wiederholt auf andere - im Urteil näher bezeichnete - Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, und zwar Martina H***** von 1981 bis 1987 (darunter ab 1984 durch Analverkehr) und Barbara H***** von 1983 bis 1990; schließlich

(zu V) von 1975 bis 1993 seine Gattin Brigitte H***** durch die wiederholten Äußerungen: "Ich bringe euch um" bzw "ich mache dich kalt", wobei er ihren Hals mit seinen Händen umfaßte und sie würgte, gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Die vom Angeklagten (nur) gegen die Schuldsprüche I, III und V aus § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) haften den Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite Begründungsmängel nicht an.

Unzutreffend ist bereits der Beschwerdevorwurf, das Erstgericht habe in Ansehung der Schuldsprüche I und III eine gesetzmäßige Begründung des tatbestandsmäßigen Vorsatzes überhaupt unterlassen und jedenfalls die Verantwortung des Angeklagten, wonach es nur unabsichtlich (allenfalls infolge seiner Korpulenz) zu einer Berührung der Geschlechtsteile gekommen sein könnte (S 226, 247), zur Gänze übergangen. Das Erstgericht hat vielmehr die Feststellung des (nur durch die Weigerung der Martina H***** vereitelten) Vorhabens des Angeklagten auf Durchführung eines Geschlechtsverkehrs auf die Angaben des nunmehr bereits erwachsenen Unzuchtsopfers (S 233, 234) gestützt und hiedurch die leugende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt erachtet (US 7, 8). Den Angaben dieser Zeugin über den Tatvorsatz des Beschwerdeführers kommt aber keineswegs bloß "subjektiver Vermutungscharakter" zu, hat die Zeugin doch auf Grund der von ihr geschilderten, sich keineswegs in einem bloßen "Ankommen" erschöpfenden, sondern von einer für den Vereinigungswunsch typischen Kraftentfaltung gekennzeichneten Handlung "eindeutig gemerkt, daß der Angeklagte in ihre Scheide eindringen wollte" (S 233). Der Umstand, daß der Zeugin eine nähere Bestimmung des mit knapp nach Einsetzen ihrer Regel im Alter von elf Jahren umschriebenen Tatzeitpunktes (S 234) nicht möglich war, bedurfte mangels Entscheidungswesentlichkeit keiner Erörterung.

Aus der Gesamtheit der von der Zeugin Martina H***** im Vorverfahren deponierten (in der Hauptverhandlung aufrecht erhaltenen) Angaben, betreffend ihre entschiedene Reaktion auf das (von den sonstigen Unzuchtshandlungen abweichende) Tatverhalten ihres Vaters (S 39, 154 und 232) konnte das Erstgericht auch die - der Annahme des Strafaufhebungsgrundes des freiwilligen Rücktrittes vom Versuch der Blutschande (§ 16 StGB) entgegenstehende - Feststellung, wonach der Angeklagte die Weigerung seiner Tochter für endgültig gehalten und sein Vorhaben wegen Aussichtslosigkeit aufgegeben habe (US 5, 6), ableiten, ohne mit den Denkgesetzen oder der Lebenserfahrung in Widerspruch zu geraten. Liegt es doch nahe, daß ihm bei einer derartigen heftigen Abwehrhaltung der seine sonstigen Unzuchtshandlungen (insbesondere Analverkehr) duldenden Tochter eine Vollendung des beabsichtigten Geschlechtsverkehrs nach dem ursprünglichen Tatplan, nämlich ohne Gewaltanwendung, nicht mehr möglich erschien.

Unzutreffend ist auch der zum Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (V) in der Mängelrüge erhobene Vorwurf, das Schöffengericht übergehe die sinngemäße Verantwortung des Angeklagten, wonach es sich bei seinen wörtlichen Drohungen nur um durch das Verhalten seiner Gattin ausgelöste milieubedingte Unmutsäußerungen gehandelt habe, und unterlasse überhaupt jegliche Begründung zur subjektiven Tatseite. Denn die Tatrichter brachten durchaus schlüssig zum Ausdruck, daß sie die konstatierte Absicht des Beschwerdeführers, seine Frau in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 3 und 7), aus seinem "über die Umstände und Begleiterscheinungen alltäglicher ehelicher Zwistigkeiten" hinausgehenden, verbale und körperliche Attacken umfassenden Gesamtverhalten ableiten, wobei Erörterungen über die angebliche "Wortübung" der Ehegatten im Zuge von Streitigkeiten ohne Verstoß gegen die Begründungspflicht (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) unterbleiben konnten.

Der Tatsachenrüge (Z 5 a) genügt es zu erwidern, daß sich nach Prüfung der Akten anhand des Beschwerdevorbringens für den Obersten Gerichtshof keine Bedenken - geschweige denn solche erheblichen Gewichtes - gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen I und III zugrunde gelegten Feststellungen ergaben.

Mit der Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet der Angeklagte zunächst einen Rechtsirrtum in Ansehung des Schuldspruches I, weil Zweck des Beischlafes die angestrebte "Lustlösung" sei, welche erst bei (hier nicht gegebener) Vereinigung der Geschlechtsteile (coniunctio membrorum) oder anderen in unmittelbarer Berührung der Geschlechtsteile vorgenommenen Handlungen, die geeignet sind, dem Täter die Vorstellung des Beischlafvollzuges zu vermitteln, stattfinden könne.

Mit diesem Vorbringen übersieht der Angeklagte, daß das Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB im Unternehmen des außerehelichen Beischlafes besteht. Dieser Begriff wurde dem früheren StG (§ 127) entnommen. Nach Lehre und Rechtsprechung ist darunter nicht die Vollziehung des Beischlafes - das ist der Beginn der coniunctio membrorum - zu verstehen, sondern ein dem vorgelagerter Akt, nämlich das Ansetzen des Täters zur Vollziehung des Geschlechtsverkehrs, wobei die beiden Geschlechtsteile zu diesem Zweck miteinander in Berührung gebracht werden und der Täter sohin die Vollziehung des Beischlafes unmittelbar versucht. Die Berührung der Geschlechtsteile darf allerdings nicht Selbstzweck sein, vielmehr ist der Beischlaf nur dann unternommen, wenn der Vorsatz des Täters darüber hinaus dessen Vollziehung miteinschloß. Das Verbrechen des Beischlafes mit Unmündigen ist daher die spezielle Form eines Versuchsdeliktes (Unternehmensdelikt), zu dessen erweitertem Tatbestand die Vollziehung des Beischlafes gehört, das aber bereits in diesem Versuchsstadium (im Hinblick auf die physiologischen Schwierigkeiten eines Geschlechtsverkehrs mit Kindern), nämlich mit der Berührung der beiden Geschlechtsteile vollendet ist (mwN Pallin im WK, Rz 3 zu § 206). Das Tatbild des Versuchsdeliktes nach § 206 Abs 1 StGB ist sohin bereits erfüllt, wenn es - wie hier - zu einer Berührung der beiden Geschlechtsteile bei auf Beischlaf gerichtetem Vorsatz des Täters gekommen ist (in diesem Sinn für viele 12 Os 42/89, 12 Os 14/91).

Im Gegensatz dazu setzt die Vollendung des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB auf der äußeren Tatseite die Vollziehung des Beischlafes, das heißt die Vereinigung der Geschlechtsteile von Täter und Opfer voraus (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 211 RN 3). Für die Verwirklichung des Deliktsversuches beim Vergehen nach § 211 Abs 1 StGB genügt in subjektiver Hinsicht demgemäß der (über die bloße Berührung der Geschlechtsteile hinausgehende) - wenigstens bedingte - Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) des Täters, den Geschlechtsverkehr mit dem Tatopfer - hier: seiner Tochter - zu vollziehen (SSt 48/8).

Ausgehend von der Feststellung, wonach das (nur durch die Weigerung des Tatopfers frustrierte) Vorhaben des Täters auf Durchführung eines Geschlechtsverkehrs gerichtet war (US 5, 6), hat das Erstgericht zu Recht infolge Berührung der Geschlechtsorgane des Täters und des Opfers vollendetes Verbrechen des Beischlafes nach § 206 Abs 1 StGB in Tateinheit (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 206 RN 14) mit dem Versuch des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (Schuldsprüche I und III) angenommen.

Soweit der Angeklagte erneut unter Hinweis auf seine leugnende Verantwortung eine bloß unabsichtliche Berührung behauptet und in bezug auf die rechtliche Beurteilung seines Verhaltens laut dem Schuldspruch III unrichtigerweise das Fehlen der Feststellung eines auf Vollendung des Beischlafes gerichteten Vorsatzes behauptet, weicht die Beschwerde von den anderslautenden Konstatierungen ab und bringt demgemäß den geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrund nicht gesetzgemäß zur Darstellung.

Die zum Teil nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte, zum Teil unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28 Abs 1, 206 Abs 1 StGB drei Jahre Freiheitsstrafe, wovon es einen Strafteil von zwei Jahren gemäß § 43 a Abs 4 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Dabei wertete es die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art und den langen Deliktszeitraum als erschwerend, als mildernd hingegen das Teilgeständnis, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und daß es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Der dagegen gerichteten Berufung des Angeklagten, mit welcher die Herabsetzung der Freiheitsstrafe (unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB) und deren gänzliche bedingte Nachsicht, in eventu die Verminderung des unbedingt zu vollziehenden Strafteiles angestrebt wird, ist zur Gänze unberechtigt.

Der Berufung zuwider ist die Abstandnahme von weiteren "Fehlhandlungen" nach Lage des Falles nicht mildernd, weil die Unzuchshandlungen dem ursprünglichen Tatplan entsprechend mit Eintritt der Geschlechtsreife der Opfer eingestellt wurden. Auch das vom Angeklagten solcherart mitgeprägte "negative Ehemilieu" läßt seine Verfehlungen in keinem günstigeren Licht erscheinen. Von einem längeren Wohlverhalten seit den Straftaten kann mit Rücksicht auf die bis 1993 begangenen gefährlichen Drohungen gleichfalls nicht die Rede sein.

Das Schöffengericht hat somit die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig festgestellt. Es hat dieselben aber auch zutreffend gewichtet.

Im Hinblick auf die Verübung der Unzuchtshandlungen über einen langen Zeitraum und den nachhaltigen negativen Einfluß auf die seelische Entwicklung seiner Töchter ist bei dem zur Anwendung gelangenden Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe für eine Ermäßigung der vom Erstgericht ausgesprochenen Unrechtsfolge kein Raum.

Die dargelegten Argumente sprechen auch gegen die Annahme, die ohnedies angenommene hohe Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens könnte auch bei Verringerung des unbedingten Strafteiles gewahrt bleiben.

Der Berufung war daher gleichfalls der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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