Spruch:
Im Verfahren zum AZ 9 U 989/93 des Bezirksgerichtes Donaustadt wurde das Gesetz verletzt
1. durch Unterlassung der Einsicht in den Vorstrafakt AZ 7 b E Vr 10222/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in der Bestimmung des § 494 a Abs 3 StPO;
2. durch die mit Strafverfügung vom 29.November 1993 (ON 3) erfolgte Entscheidung nach § 494 a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO in den Bestimmungen des § 53 Abs 2 (iVm Abs 1) StGB und § 494 a Abs 1, 4 (iVm Abs 5 und 6) StPO sowie in dem sich aus dem XX.Hauptstück der StPO und aus Art 4 Z 1 des 7.Zusatzprot. zur MRK ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.
Die genannte Entscheidung wird aufgehoben.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem rechtskräftigen Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9.September 1993, GZ 7 b E Vr 10222/89-14, wurde die über Helmut G***** in diesem Verfahren mit Urteil vom 22.Jänner 1990 (ON 9) wegen §§ 127, 129 Z 2 StGB verhängte Freiheitsstrafe von drei Monaten, die unter Bestimmung einer (am 22.Jänner 1993 abgelaufenen) Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehen worden war, endgültig nachgesehen. Erst am 29.November 1993 erging im Verfahren AZ 9 U 989/93 des Bezirksgerichtes Donaustadt eine Strafverfügung, mit welcher über Helmut G***** wegen des Vergehens nach § 89 StGB (Tatzeit 10.September 1993) eine Geldstrafe verhängt wurde. In ihr entschied das Bezirksgericht auch, daß vom Widerruf der vorerwähnten bedingten Strafnachsicht abgesehen, die Probezeit jedoch auf fünf Jahre verlängert werde.
Zutreffend weist die Generalprokuratur in der gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes darauf hin, daß das Vorgehen des Bezirksgerichtes Donaustadt mit dem Gesetz in mehrfacher Hinsicht nicht in Einklang steht.
Die durch das Bezirksgericht Donaustadt in der Strafverfügung vorgenommene Probezeitverlängerung erfolgte ohne vorherige - gerade angesichts der naheliegenden Möglichkeit bereits erfolgter endgültiger Nachsicht der Vorstrafe gebotene und auch nicht durch bloße Beischaffung einer Urteilsabschrift ersetzbare - Einsicht in den Vorakt und verstieß angesichts der dort bereits rechtskräftig angeordneten endgültigen Strafnachsicht gegen den sich aus dem XX.Hauptstück der StPO und aus Art 4 Z 1 des 7.Zusatzprot. zur MRK ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft. Sie war aber überdies deshalb gesetzwidrig, weil die zum Anlaß für die Probezeitverlängerung genommene strafbare Handlung erst nach dem Ablauf der ursprünglichen Probezeit lag. Davon abgesehen wäre auch die sechsmonatige Frist des § 56 StGB für die Verlängerungsentscheidung nicht gewahrt gewesen.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war über die Feststellung der Gesetzesverletzung hinaus zur Beseitigung des dem Verurteilten entstandenen Nachteiles die Aufhebung des Verlängerungsbeschlusses (§ 292 letzter Satz StPO) geboten. Das Strafregisteramt wird davon durch das Bezirksgericht Donaustadt zu verständen sein.
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