Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 25.7.1988 wies die Beklagte den am 8.6.1988 gestellten Antrag der Klägerin auf Berufsunfähigkeitspension mangels Berufsunfähigkeit ab.
Das auf diese Leistung im gesetzlichen Ausmaß ab 1.7.1986 (1988 ?) gerichtete Klagebegehren stützt sich im wesentlichen darauf, daß die am 30.10.1939 geborene Klägerin von 1959 bis 1982 als Diplomkrankenschwester in Innsbruck tätig gewesen sei. Obwohl sie diese Tätigkeit schon seit einer gynäkologischen Operation im Jahre 1979 eigentlich nicht mehr hätte ausüben können, habe sie sie erst aufgegeben, als sie 1982 einen steirischen Bauunternehmer geheiratet habe. Da sie in der Steiermark keine gleichwertige Stelle gefunden habe, sei sie bis zur Schließung des Betriebes ihres Ehegatten im August 1985 dort als hauptsächlich mit Telefondienst beschäftigte Büroangestellte tätig gewesen. Maschinschreiben habe sie nie gelernt, ihre in der Hauptschule erworbenen Stenographiekenntnisse mangels praktischer Verwertung verlernt. Sie sei nicht mehr in der Lage, im Rahmen der Berufsgruppe ihres erlernten Berufes einer geregelten Tätigkeit nachzugehen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, daß die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit als Diplomkinderschwester oder eine ähnliche Beschäftigung weiterhin ausüben könne.
Im ersten Rechtsgang erkannte das Erstgericht das Klagebegehren ab 1.7.1988 als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil jedoch infolge Berufung der Beklagten auf und verwies die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, daß das Verweisungsfeld durch die Angestelltentätigkeit als Diplomkrankenschwester und nicht durch die letzte Tätigkeit im Bauunternehmen des Ehegatten bestimmt werde, bei der es sich um keine Angestelltentätigkeit gehandelt habe. Eine Diplomkrankenschwester könne zwar nicht auf Sanitätshilfsdienste, wohl aber auf die Berufe einer Werks- und Gemeindeschwester, einer Schwester in Ambulatorien, medizinisch-diagnostischen Laboratorien und in Diät- und Rekonvaleszentenheimen, aber auch einer Ordinationsschwester bei freiberuflichen Ärzten verwiesen werden. Es seien daher ergänzende Feststellungen darüber erforderlich, ob es im Bundesgebiet eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen für Diplomkrankenschwestern gebe, bei denen das Heben und Tragen von auch nur mittelschweren Lasten wegen der Anwesenheit oder raschen Herbeirufbarkeit von Mitarbeitern zu den verschwindenden Ausnahmefällen gehört oder überhaupt nicht vorkommt. Daß für solche Tätigkeiten teilweise Maschinschreibkenntnisse erworben werden müßten, stehe einer Verweisbarkeit nicht entgegen. Es sei nämlich gerichtsbekannt, daß sich die maschinschriftliche Tätigkeit vielfach auf das Ausfüllen von Formularen beschränke, das von der Klägerin gewiß in einer kurzen Einschulungszeit erlernt werden könne.
Auch im zweiten Rechtsgang erkannte das Erstgericht das Klagebegehren ab 1.7.1988 als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Es trug der Beklagten auf, der Klägerin ab 1.7.1988 eine vorläufige Zahlung von 5.000 S monatlich zu erbringen.
Es stellte folgenden für das Revisionsverfahren noch wesentlichen Sachverhalt fest:
Die Klägerin kann leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen sowie in gebückter Haltung in geschlossenen Räumen und im Freien verrichten. Sie kann nur leichte Lasten heben und tragen. Ständige Bück- und Hebearbeiten sowie Arbeiten unter zeitlicher Belastung, die in ihrem Arbeitstempo Akkord- oder Fließbandarbeiten entsprechen, sind ausgeschlossen. Bei Berücksichtigung dieser Einschränkungen kann die Klägerin auf Grund ihrer intellektuellen Situation auch auf bisher nicht ausgeübte Arbeitsbereiche verwiesen werden.
Die Klägerin arbeitete nach der Pflichtschule in den Jahren 1955 und 1956 als Hausgehilfin, besuchte von 1956 bis 1959 eine dreijährige Schwesternschule und arbeitete anschließend 7 Monate als Krankenschwester. Von 1960 bis 1970 sowie von 1984 (richtig 1974) bis 1982 war sie als Diplomkrankenschwester in Innsbruck tätig, und zwar hauptsächlich als Kinder- und Säuglingsschwester. Fallweise vertrat sie eine Stationsschwester, hatte aber nie den Status einer solchen. Maschinschreiben hat sie nie gelernt; die in der Hauptschule erworbenen Stenographiekenntnisse gerieten mangels Praxis in Vergessenheit. Im Jahre 1982 heiratete sie einen steirischen Bauunternehmer und zog mit ihm im August dieses Jahres in die Steiermark. Von August 1982 bis September 1985, als der Betrieb wegen Krankheit des Ehegatten gesperrt wurde, war sie zur Pflichtversicherung angemeldet. Sie hatte Telefongespräche entgegenzunehmen. Da der Betrieb zum Schluß nur mehr ganz klein war, waren es nur wenige Anrufe, täglich etwa fünf. Der Apparat stand im in der Wohnung des Ehepaares eingerichteten Büro. Die Klägerin erledigte keine sonstigen Bürotätigkeiten und kam im wesentlichen ihren Pflichten als Hausfrau nach. Sie erhielt von ihrem Ehegatten kein Gehalt im eigentlichen Sinn; ihre Tätigkeit am Telefon wurde durch das Haushaltsgeld abgegolten. Die Post wurde von ihrem Ehegatten erledigt, der auch die Rechnungen schrieb.
Die Leistungsfähigkeit der Klägerin reicht für eine Tätigkeit wie im Betrieb ihres Ehegatten aus, nicht aber für ihre frühere Tätigkeit als Diplomkrankenschwester (Kinder- und Säuglingsschwester) am Krankenbett, aber auch nicht in der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege.
Ausgehend von der im Aufhebungsbeschluß überbundenen Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin nur innerhalb der durch ihre Tätigkeit als Diplomkrankenschwester bestimmten Berufsgruppe verwiesen werden dürfe, erachtete sie das Erstgericht ab 1.7.1988 als berufsunfähig.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten, in der inhaltlich nur eine Rechtsrüge erhoben wurde, nicht Folge.
Es teilte die Rechtsansicht der ersten Instanz, daß die Klägerin als Diplomkrankenschwester berufsunfähig sei, und verwies hinsichtlich der Unmaßgeblichkeit des zuletzt ausgeübten Berufes als "Telefonistin" auf seine schon im Aufhebungsbeschluß dargelegte Rechtsansicht.
In der Revision macht die Beklagte unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend. Sie beantragt, die Urteile der Vorinstanzen im klageabweisenden Sinn abzuändern.
Die Klägerin erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs 3 ASGG zulässige Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin läßt die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin den erlernten Beruf einer Diplomkrankenschwester weder (am Krankenbett) im Bereich der Säuglings- und Kinderpflege, noch in einer anderen pflegerischen Sparte, noch als Werks-, Gemeinde-, Ambulanz- oder Verwaltungsschwester ausüben kann, ausdrücklich unbekämpft. Sie wendet sich nur gegen die dem Erstgericht im Aufhebungsbeschluß überbundene und im fortgesetzten Verfahren von beiden Vorinstanzen beachtete Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, daß es sich bei der Tätigkeit als Diplomkrankenschwester und nicht bei der Tätigkeit im Bauunternehmen des Ehegatten um die der Beurteilung der Berufsunfähigkeit zugrunde zu legende letzte Angestelltentätigkeit der Klägerin handle. Nach der Meinung der Revisionswerberin habe die Klägerin im Betrieb ihres Ehegatten als Telefonistin einen Angestelltenberuf ausgeübt, der in den entsprechenden Kollektivverträgen je nach der Zahl der Amtsanschlüsse bzw Fremdsprachenkenntnisse der Verwendungsgruppe II oder III zugeordnet werde. Da die Klägerin durch diese Tätigkeit weitere Pflichtbeitragszeiten erworben habe, die bei der Pensionsbemessung zu berücksichtigen seien, sei diese Tätigkeit auch für das Verweisungsfeld und damit für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit maßgeblich.
Im vorliegenden Fall steht nicht in Frage, daß die Klägerin in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1.7.1973 bis 30.6.1988) in mehr als der Hälfte der Versicherungsmonate als Diplomkrankenschwester vorwiegend höhere, nicht kaufmännische Dienste leistete (vgl Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG7 76, 80) und damit der Pensionsversicherung der Angestellten leistungszugehörig ist. Ob bei ihr ein Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit eingetreten ist, ist daher nach § 273 Abs 1 ASVG zu beurteilen. Danach gilt die Versicherte als berufsunfähig, deren Arbeitsfähigkeit infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Dabei kommt es im allgemeinen - zur Frage der gesundheitsbedingten Aufgabe des früheren Berufes siehe die E 11.5.1994, 10 Ob S 219/93 - nur auf das Herabsinken der Arbeitsfähigkeit im zuletzt ausgeübten (Angestellten)Beruf an (SSV-NF 1/68 mwN). Er bestimmt das Verweisungsfeld, dh die Summe aller Berufe, die ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen (Teschner in Tomandl, SV-System 7. ErgLfg 376). Der erkennende Senat hat aber schon wiederholt ausgeführt, daß der zuletzt ausgeübte Angestelltenberuf nur dann für die Bestimmung des Verweisungsfeldes berücksichtigt werden kann, wenn er nicht nur vorübergehend ausgeübt wurde (SSV-NF 2/73; 4/17 und 101; 6/53, 135 und 153). Zur Sachgerechtheit dieser Auffassung wurde darauf hingewiesen, daß es nicht gerechtfertigt wäre, einem (einer) Angestellten den Berufsschutz einer Berufsgruppe zuzubilligen, der er (sie) nur während einer nach den Umständen des Einzelfalles nicht nennenswerten Zeit angehört hat (SSV-NF 7/51).
Selbst wenn man - wie die Revisionswerberin - davon ausginge, daß die von August 1982 bis September 1985 währende Tätigkeit der Klägerin im Bauunternehmen ihres Ehegatten keine nur "vorübergehende" iS der zit Rsp war, könnte sie nicht als der das Verweisungsfeld bestimmende Beruf angesehen werden. Die Klägerin nahm damals nach den Feststellungen ausschließlich auf einem im zur Ehewohnung gehörenden Büro befindlichen Telefonapparat einlangende wenige (etwa täglich fünf) Anrufe entgegen, erledigte aber keinerlei sonstige Bürotätigkeiten und kam im wesentlichen (nur) ihren Pflichten als Hausfrau nach. Sie erhielt von ihrem Ehegatten auch kein Gehalt im eigentlichen Sinn; ihre Tätigkeit wurde durch das Haushaltsgeld abgegolten. Die Klägerin leistete also während dieser Zeit nur völlig untergeordnete Verrichtungen, wofür sie auch kein Entgelt erhielt. Dies kann nicht als Berufstätigkeit bezeichnet werden, schon gar nicht als solche, durch die sich die Klägerin von ihrem bis 1982 ausgeübten qualifizierten Angestelltenberuf als Diplomkrankenpflegerin gelöst hätte.
Deshalb ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß bei der Prüfung der Berufungsunfähigkeit der Klägerin vom letztgenannten Beruf auszugehen ist, zutreffend. Daß die Klägerin in dieser Berufsgruppe nicht mehr arbeitsfähig ist, wird von der Revisionswerberin ausdrücklich zugestanden.
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