OGH 15Os135/94

OGH15Os135/9413.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kamptner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas M* wegen des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Mai 1994, GZ 2 c Vr 11324/93‑56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0150OS00135.9400000.1013.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt I.2. sowie demzufolge im Ausspruch, daß der Wert der gestohlenen Sachen 25.000 S übersteigt, weiters im Ausspruch, daß Andreas M* die Diebstähle laut Punkt I. in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und in der Unterstellung des Diebstahls auch unter die Bestimmungen der §§ 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB sowie demzufolge im Strafausspruch aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil (das auch unbekämpft gebliebene Freisprüche enthält) wurde Andreas M* des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB (I.) und des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (II.) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Ihm liegt zur Last, in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter

(zu I.) fremde bewegliche Sache in einem 25.000 S übersteigenden Wert nachgenannten Personen mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen zu haben, und zwar:

1. am 6. Juli 1993 dem Johann S* 8.000 S Bargeld,

2. am 30. Juli 1993 dem Karl M* 45.000 S Bargeld;

(zu II.) am 30. März 1993 mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz den Alois P* durch die Vorspiegelung, er sei vom E‑Werk, müsse in der Wohnung den Strom überprüfen und sei berechtigt, für diese Tätigkeiten einen Betrag von 700 S zu kassieren, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zur Ausfolgung von 700 S, mithin zu einer Handlung verleitet zu haben, welche Alois P* am Vermögen schädigte.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe des § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5 a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Nach dem Rechtsmittelantrag wird zwar der Schuldspruch dem gesamten Umfang nach angefochten. Sachbezogene Ausführungen finden sich indes nur zum Diebstahlsfaktum I.2. und zur Annahme der Gewerbsmäßigkeit der verübten Diebstähle. Zur Verübung des Diebstahls laut Punkt I.1. des Urteils an sich sowie des Betruges laut Punkt II. enthält die Nichtigkeitsbeschwerde keine konkreten Ausführungen; soweit die Würdigung der Aussage des Zeugen P* releviert wird, bleibt der Beschwerdeführer jedwede Darlegung, welcher formale Begründungsmangel (Z 5) vorliegen soll, schuldig. Insoweit mangelt es daher an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen (§ 285 Abs 1 StPO), die auch nicht bei Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde (S 388) dargetan wurden.

Als Nichtigkeit nach den Z 3 und 5 des § 281 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer die Divergenz in der Annahme der Tatzeit des zu I.2. des Urteils umschriebenen Diebstahls im angefochtenen Urteil (30. Juni 1993 einerseits und 29. Juni 1993 andererseits).

Die Anführung der Tatzeit im Spruch eines Urteils dient in der Regel als eines der Elemente der Individualisierung der Tat; wird diese aber durch andere konkrete Umstände so weit umschrieben, daß sie mit einer anderen Straftat nicht verwechselt werden kann ("ne bis in idem"), so stellt eine unzutreffende Tatzeitbezeichnung keine Nichtigkeit dar (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 260 E 32, § 281 Z 8 E 10 a).

Allerdings kann ein Widerspruch zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO dann begründen, wenn er einen entscheidungswesentlichen Umstand betrifft (Mayerhofer/Rieder aaO § 260 E 94 c, § 281 Z 5 E 18).

Bezogen auf den vorliegenden Fall ist dieser Widerspruch entscheidungswesentlich.

Das Schöffengericht führte nämlich im Rahmen seiner Beweiswürdigungserwägungen zur Person des Zeugen M* aus, daß dessen (gegenüber dem Vorverfahren korrigierte) Aussage in der Hauptverhandlung wahr sei, wonach die Tat am Donnerstag, den 29. Juli 1993, stattfand, weil an diesem Tag die Banken ‑ der Zeuge hatte am Nachmittag Geld abgehoben ‑ bis 17.30 Uhr geöffnet haben, und er sich demnach bei seiner ursprünglichen Aussage über den Tag der Tat als 30. Juli 1993 geirrt habe. Das Gericht legte damit dar, aus welcher von ihm angenommener Überlegung die Tat am 29. Juli 1993 begangen wurde.

Dennoch konstatierte es aber andererseits nicht nur im Spruch des Urteils (US 3), sondern auch in den Entscheidungsgründen (US 6 unten) als Tag der Tat den 30. Juli 1993, einen Freitag, bezüglich dessen dem Zeugen in der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden vorgehalten worden war, daß die Bank um 15 Uhr bereits gesperrt hatte (S 361).

Da das Schöffengericht somit einander widerstreitende Konstatierungen traf, von denen nur eine durch die als glaubwürdig gehaltene korrigierte Aussage des Zeugen M* gedeckt und die andere geradezu ausgeschlossen ist und gerade die Glaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen wesentlich für den Schuldspruch war, leidet das angefochtene Urteil an einem vom Beschwerdeführer im Ergebnis zutreffend aufgezeigten Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO.

Aus diesem Grund war daher in Anbetracht des Schuldspruches laut Punkt I.2. des Urteils mit einer Kassation vorzugehen.

Diese Kassation zieht zwangsläufig auch jene des Ausspruches, daß der Wert der gestohlenen Sachen 25.000 S übersteigt und demzufolge die Unterstellung des (verbleibenden) Diebstahls unter § 128 Abs 1 Z 4 StGB nach sich, weil im Schuldspruchsfaktum I.1. die Beute nur 8.000 S betrug.

Weitere Folge der Kassation des Schuldspruches laut Punkt I.2. des Urteils ist auch die Aufhebung des Ausspruches, daß der Angeklagte die Diebstähle in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und in der Qualifikation nach § 130 erster Fall StGB. Denn das Schöffengericht bezog sich bei seinen Ausführungen zur Gewerbsmäßigkeit (US 5 unten/6 oben, 12) ununterschieden auf beide diebischen Angriffe. Mit der Aufhebung des Schuldspruches wegen einer der beiden Diebstahlstaten fällt demnach auch ein Teil der dem Urteil zugrunde liegenden Basis für die angenommene Qualifikation weg.

Notwendige Folge der Kassation eines Schuldspruches ist auch die Aufhebung des Strafausspruches.

Aus den angeführten Gründen war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung (§ 285 d Abs 1 iVm § 285 a Z 2 StPO sowie § 285 e StPO) wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

 

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