OGH 15Os138/94

OGH15Os138/9413.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kamptner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Zoran K***** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 1. August 1994, GZ 15 Vr 937/94-7, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Zoran K***** des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er nachts zum 25.Mai 1994 in Ebenthal dadurch, daß er Christine W***** zu Boden riß, sich auf sie legte und sein Glied auf ihrem Genitalbereich bis zum Samenerguß rieb, außer den Fällen des § 201 StGB eine Person mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt hat.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die vom Angeklagten auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit Berufung an.

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft der Beschwerdeführer das schöffengerichtliche Zwischenerkenntnis (95 f), mit dem die von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge

(95) abgewiesen wurden:

Die Ablehnung der "Ausforschung und die Einvernahme des Zeugen Mohammed P***** und Ljupka S***** zum Beweis dafür, daß im Lokal ständig Zärtlichkeiten [ersichtlich gemeint: zwischen dem Angeklagten und dem späteren Opfer Christine W*****] ausgetauscht wurden", kann dem Gerichtshof schon deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil die genannten Zeugen, deren Vorladung ohnedies (erfolglos) versucht wurde, nach der Aktenlage (63, 93, 125) "ins Ausland" abgeschoben wurden und deren Adressen unbekannt, diese Beweismittel somit für das Gericht unerreichbar geworden sind (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 104, 107 a).

Edith M***** sollte nach Ansicht des Beschwerdeführers bestätigen, "daß die Zeugin W***** nicht geschrieen hat und auch nicht um Hilfe gerufen hat". Selbst bei Zutreffen dieser (für die rechtliche Beurteilung der in Rede stehenden Tat an sich unmaßgeblichen) Tatsache könnte daraus noch keineswegs auf die freiwillige Duldung der inkriminierten geschlechtlichen Handlung durch das Opfer geschlossen werden. Davon abgesehen wäre der Nichtigkeitswerber angesichts der Aussage des Zeugen Othmar M***** in der Hauptverhandlung, wonach seine Mutter zur Tatzeit im Parterre des Gasthauses geschlafen und von diesen Tathandlungen nichts wahrgenommen hat (87 unten) und im Lokal laute bosnische Musik gespielt wurde (85), schon bei Stellung seines Antrages verpflichtet gewesen, konkret anzuführen, aus welchen Gründen dennoch zu erwarten gewesen wäre, daß die Durchführung dieses Beweises tatsächlich das vom Antragsteller erwartete Ergebnis für die Lösung der Schuldfrage zu seinen Gunsten erbringen werde (Mayerhofer/Rieder aaO E 11 und 19).

Was schließlich aus der zeugenschaftlichen Einvernahme des "erstvernehmenden Gendarmeriebeamten zum Beweise dafür, daß die Zeugin W***** bei der ersten Befragung nasse Haare hatte", für den Standpunkt des Beschwerdeführers gewonnen hätte werden sollen, ist dem bezüglichen Antrag auch nicht ansatzweise zu entnehmen, zumal der Angeklagte eingeräumt hatte, sein Ejakulat auf die Haare des Tatopfers ergossen zu haben (53).

Demnach wurden die angeführten Beweisanträge des Angeklagten durch den Schöffensenat zu Recht abgewiesen, ohne daß dadurch Gesetze oder Grundsätze zur Sicherung eines fairen Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet wurden.

Mit dem undifferenziert auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten und ersichtlich den jeweils eigenständigen Gehalt dieser beiden Nichtigkeitsgründe verkennenden Beschwerdevorbringen, welches zudem mit Elementen und Behauptungen einer fehlerhaften Rechtsanwendung (Z 9 lit a und 10) verwoben ist, wird weder ein formaler Begründungsmangel (Z 5) aufgezeigt, noch werden damit Bedenken - geschweige denn solche erheblicher Art - gegen die dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen erweckt (Z 5 a).

Soweit diese Beschwerdeargumente nach Lage der Dinge für sich allein oder in ihrem Zusammenhang nicht ohnehin bloß für die Sachentscheidung unerhebliche Umstände betreffen, mit denen sich das Erstgericht im Urteil (vgl US 3 ff) sehr wohl auseinandergesetzt hat (so etwa: das angebliche Verhalten von Täter und Opfer während ihres Aufenthaltes im Gasthaus; ob sie sich im Gang vor dem Klosett umarmten; wie es zum Samenerguß kam; wie dieser Erguß in die Haare und mit dem Hals der Zeugin W***** in Berührung kam; das Vorliegen keiner "besonderen Alkoholisierung" dieser Zeugin), kritisieren sie durchwegs unverhohlen nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehenen Schuldberufung die zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausgefallene Beweiswürdigung der Tatrichter, die auf der Basis aller entscheidenden Verfahrensergebnisse sowie des persönlich gewonnenen Eindrucks (unter anderem auch über den Befreiungsbemühungen hindernden Gewichtsunterschied zwischen Täter und Opfer) mit aktengetreuer, denkmöglicher, zureichender (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und plausibler Begründung dargelegt haben, warum sie der im wesentlichen gleichlautenden und belastenden Aussage der Zeugin Christine W***** geglaubt, hingegen die teilweise wechselhafte, jegliche Gewaltanwendung in Abrede stellende Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig verworfen haben. Daß dem Beschwerdeführer die angeführten Gründen nicht genug überzeugend scheinen und/oder sich aus den aufgenommenen Beweisen für ihn allenfalls auch günstigere Schlußfolgerungen hätten ableiten lassen, vermag keinen der geltend gemachten formellen Nichtigkeitsgründe abzugeben.

Der Beschwerde zuwider korrespondiert die Feststellung (US 4 dritter Absatz), derzufolge der Angeklagte im Bereich des PKWs Christine W***** von hinten um den Bauch erfaßte und durch den kräftigen Griff beide zu Boden stürzten, mit den Schilderungen dieser Tatzeugin (25 und 77 f). Die in der Beschwerdeschrift dazu aufgestellten Hypothesen und theoretischen Erörterungen bedürfen demnach und angesichts der im Zuge gewaltsamer Aktionen möglichen Drehbewegungen keiner Erörterung.

Daß fehlende Kleiderschäden bzw -verschmutzungen und nicht vorhandene Körperverletzungen (Hämatome oder Prellungen) in der Regel, noch viel weniger bei der gegebenen Fallgestaltung gegen die inkriminierte Gewaltanwendung durch den Angeklagten sprechen, lehrt schon die forensische Erfahrung und spricht keineswegs gegen die Glaubwürdigkeit des Opfers. Inwiefern die - sich auf den jeweils gleichlautenden Schilderungen der Zeugin W***** (abermals 25 und 77 f) gründenden - Urteilsfeststellungen über das gewaltsame Vorgehen des Täters und die dagegen (erfolglos) unternommenen Befreiungsversuche des Opfers (US 4 und 5 sowie 8 f) "mit sich in Widerspruch stehen und darüber hinaus auch erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben", ist den Beschwerdeausführungen nicht nachvollziehbar zu entnehmen.

Soweit der Nichtigkeitswerber mit den weiteren Beschwerdeeinwänden (137 verso ff) teils der Sache nach, teils unter ausdrücklicher Zitierung der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO in dem festgestellten Tatgeschehen "zwar eine nicht schöne aber auch doch keine strafbare Tathandlung" erblickt, zur rechtlichen Schlußfolgerung gelangt, "daß der Tatbestand nach § 202 Abs 1 (zu ergänzen: StGB) nicht gegeben sein kann, da in dieser Form keine Gewaltanwendung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen vorliegen kann", dem Erstgericht insoweit eine "unrichtige rechtliche Beurteilung" vorwirft und schließlich "auch kaum glaubt, daß die subjektive Tatseite hinsichtlich der Gewaltanwendung und Nötigung zur Befriedigung meines sexuellen Gelüstes mit Recht angenommen werden kann", werden die materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgründe nicht prozeßordnungsgemäß dargetan. Denn all die vorgebrachten Beschwerdeargumente übergehen einerseits die im Urteil mängelfrei begründeten Konstatierungen über die zur Verwirklichung des inkriminierten Vergehens erforderlichen Prämissen in subjektiver und objektiver Hinsicht und fußen andererseits ausdrücklich nur auf der vom Schöffengericht für unglaubwürdig beurteilten Verantwortung des Angeklagten (US 5 ff). Die erfolgreiche Geltendmachung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes indes setzt ein Festhalten am gesamten wesentlichen Tatsachensubstrat und den Nachweis einer fehlerhaften Rechtsanwendung auf dessen Basis voraus. Diesem gesetzlichen Gebot wird aber die Beschwerde nicht gerecht.

Der Subsumtionsrüge (Z 10) im speziellen genügt es zu erwidern, daß ganz allgemein die bloß ziffernmäßige Anführung dem gesetzlichen Erfordernis der deutlichen und bestimmten Bezeichnung des Nichtigkeitsgrundes nicht entspricht (Mayerhofer/Rieder aaO § 285 a E 43, 44 ff). Vermag die Nichtigkeitsbeschwerde - wie vorliegend- nicht das andere Strafgesetz anzugeben, das auf die Tat hätte angewendet werden sollen, wird der zitierte Nichtigkeitsgrund überhaupt nicht ausgeführt (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 10 E 8).

Aus den dargelegten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß die Kompetenz zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht Graz zufällt (§ 285 i StPO).

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