OGH 15Os142/94

OGH15Os142/9413.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kamptner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas S***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28.Juni 1994, GZ 4 b Vr 653/94-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch laut Punkt 2 (wegen des Vergehens nach §§ 15 StGB, 16 Abs 1 SGG) unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt 1 (wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG) und Punkt 3 (wegen des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG) sowie demzufolge im Strafausspruch einschließlich der Entscheidung über die Anrechnung der Vorhaft aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas S***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG (1) sowie des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG und § 15 StGB (2 und 3) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider

zu 1) Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, indem er in der Zeit von ca Anfang August 1986 bis Februar 1987 der abgesondert verfolgten Michaela H***** ca 18 Gramm Heroin kostenlos überließ und ca 6 Gramm Heroin verkaufte,

zu 2) am 2.August 1993 versucht, an Wolfgang S***** sowie an unbekannte Personen 1,5 Gramm Heroin zu verkaufen und

zu 3) von Anfang 1992 bis 2.August 1993 wiederholt Suchtgift, und zwar Heroin erworben und besessen.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 9 lit b und 11 StPO gestützt wird.

Schon der Mängelrüge (Z 5), die der Sache nach einen Begründungsmangel hinsichtlich der Konstatierung, der Beschwerdeführer habe mit Bezugnahme auf das Schuldspruchfaktum 1) eine große Heroinmenge in der Bedeutung des § 12 Abs 1 SGG der Michaela H***** teils entgeltlich, teils unentgeltlich überlassen, releviert, kommt Berechtigung zu. Nach der Rechtsprechung beträgt diese Grenzmenge bei Heroin 1,5 Gramm Reinsubstanz (EvBl 1988/131 = RZ 1989/22 uam). Das Ersturteil enthält nicht die geringste Aussage über die Konzentration der im relevierten Faktum erwähnten 24 Gramm Heroin. Eine derartige Feststellung war aber deswegen geboten, weil nach forensischer Erfahrung Heroin häufig gestreckt zu werden pflegt (nach der Aussage des Angeklagten hat er auch am 2.August 1993 - Faktum 2 - das Heroin "aufgepegelt" - S 65); die Annahme einer "großen Menge" Heroin im oben erwähnten Sinn ist demnach mit einem Begründungsmangel behaftet.

In dem Zusammenhang kommt auch dem Einwand in der die selbe Urteilstat betreffende Tatsachenrüge (Z 5 a) Berechtigung zu, die erhebliche Bedenken gegen die "Hochrechnung" der Suchtgiftmenge auf Grund der Angaben der Zeugin H***** vor der Polizei geltend macht. Nach den Urteilsannahmen hätte nämlich der Angeklagte vorerst während eines halben Jahres der Zeugin täglich ca 0,1 Gramm Heroin unentgeltlich überlassen - dies ergibt rechnerisch ca 18 Gramm (180 x 0,1 Gramm) - und anschließend durch einen weiteren Monat hindurch täglich ca 0,2 Gramm, im Monat sonach ca 6 Gramm verkauft und somit insgesamt ca 24 Gramm Heroin überlassen. Die Angaben der Zeugin H***** vor dem Sicherheitsbüro der Bundespolizeidirektion Wien (S 193), wonach der Beschwerdeführer jeden Tag zu ihr in jenes Kaffeehaus gekommen ist, wo sie als Kellnerin arbeitete, können wohl nach verständiger Auslegung nur bedeuten, daß diese Besuche nur an jenen Tagen stattfanden, an denen die Zeugin auch tatsächlich im Kaffeehaus gearbeitet hat. Da die Annahme, die Zeugin H***** habe ein halbes Jahr hindurch und anschließend einen weiteren Monat lang täglich im Kaffeehaus gearbeitet, nicht sonderlich lebensnah ist, vielmehr angenommen werden muß, daß Michaela H***** zwischen August 1986 und Februar 1987 - nach ihren Angaben in der Hauptverhandlung begann das Dienstverhältnis allerdings im Frühjahr - an etlichen Tagen nicht gearbeitet hat - sie behauptete in der Hauptverhandlung, an drei oder vier Tagen in der Woche Dienst versehen zu haben -, ergeben sich aus den Akten, insbesondere auch aus der dem Urteil zugrunde gelegten Aussage der Zeugin H***** vor dem Sicherheitsbüro der Bundespolizeidirektion Wien erhebliche Bedenken gegen die Urteilsfeststellung, der Beschwerdeführer habe im inkriminierten Zeitraum der Zeugin H***** insgesamt ca 24 Gramm Heroin überlassen.

Auch der Rechtsrüge (Z 9 lit b), die sich gegen das Schuldspruchfaktum 3 wendet, kommt Berechtigung zu. Mit (nicht rechtskräftigem) Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 10.Mai 1993, GZ 6 U 201/93-7 - der bezügliche Akt lag dem Schöffengericht vor (s ON 51) -, wurde der Angeklagte des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt, weil er "im Jahr 1992" (zu ergänzen: in Wien) "mindestens 22 Gramm Heroin und 2 Gramm Kokain" besessen, konsumiert und zum Teil Andrea G***** überlassen hat". Zum Faktum 3 findet sich in den Entscheidungsgründen lediglich die Feststellung, daß der Angeklagte (nach seiner Haftentlassung am 11.August 1991) Anfang 1992 wieder begann, Heroin zu konsumieren. Da das Urteil des Schöffengerichtes keine Feststellungen dahin enthält, daß die im Akt 6 U 201/93 des Strafbezirksgerichtes Wien genannten 22 Gramm Heroin nicht mit jenem im bekämpften Faktum erwähnten "Heroin" ident sind, und demnach keine Prüfung dahin vorgenommen wurde, ob insoweit nicht bereits eine "res judicata" vorliegt - der Schuldspruch des Strafbezirksgerichtes Wien wurde diesfalls ungeachtet der ausstehenden Rechtskraft eine Sperrwirkung dergestalt entfalteten, daß der Angeklagte nicht nochmals verurteilt werden kann -, war auch in diesem Umfang mit einer Kassation vorzugehen.

Die aufgezeigten Urteilsmängel nötigen - ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf die weiteren Beschwerdepunkte einzugehen - zur Aufhebung des Urteils und Verfahrenserneuerung im aufgezeigten Umfang; daher war der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden. Demgemäß waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren Berufungen auf die durch die Urteilsaufhebung erforderlich gewordene Kassierung des Strafausspruches zu verweisen.

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