Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ludwig H***** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach § (zu ergänzen: § 15,) 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am 28. September 1993 in Wien Manuela A***** mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt und durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben, indem er äußerte:
"Ich bring dich um, du Sau, wenn du dich nicht in den Arsch ficken läßt", wobei er der genannten mehrere Faustschläge gegen das Gesicht versetzte und mehrmals mit einem Messer auf sie einstach, wodurch sie eine Stichwunde am Hals rechts neben dem Brustbein mit Verletzung des Kopfwendermuskels, eine Stichwunde oberhalb des rechten Schlüsselbeines und eine Prellung der Nase erlitt, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich einer analen Penetration, zu nötigen versuchte.
Unter einem widerrief das Erstgericht die dem Angeklagten mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1.Juli 1993, GZ 9 b Vr 958/93-10 (in der Beschlußausfertigung - 257 - versehentlich: 9 b Vr 858/93), gewährte teilbedingte Nachsicht einer zweijährigen Freiheitsstrafe (234), wobei es diesen Beschluß entgegen der ausdrücklichen Bestimmung des § 494 a Abs 4 zweiter Satz StPO nicht gemeinsam mit dem Urteil, sondern davon getrennt (ON 41) ausfertigte und damit durch Verwendung des - für den Fall der gemeinsamen Verkündung von Urteil und Beschluß nicht vorgesehenen - StPOForm BedV 9 eine die Bestimmung des § 498 Abs 3 StPO nicht beachtende fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung erteilte.
Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an; den Widerrufsbeschluß bekämpft er mit Beschwerde.
Mit der Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes (234), mit dem der von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 22.Mai 1994 gestellte Antrag auf "Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie zum Beweis dafür, daß die Erinnerungslücken des Verurteilten [?] auf die Alkoholisierung im Tatzeitpunkt zurückzuführen sind [233], ohne Begründung" abgewiesen worden sei.
Die Rüge versagt.
Zur Widerlegung der Beschwerdebehauptung, der Beweisantrag sei "ohne jede Begründung" bzw mit einer "Scheinbegründung" abgewiesen worden, genügt der Hinweis auf die im Hauptverhandlungsprotokoll (234) festgehaltenen zureichenden und im Ergebnis sachgerechten Erwägungen des Schöffengerichtes.
Zum Kernpunkt des Beweisantrages aber, daß die Erinnerungslücken auf die Alkoholisierung des Angeklagten zurückzuführen seien, hat der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige Prim.Dr.P*****, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, dessen ergänzende Befragung in der Hauptverhandlung von keiner der Prozeßparteien beantragt wurde, ohnehin in seinem schriftlichen (einverständlich verlesenen) Gutachten unmißverständlich und ausführlich Stellung genommen, indem er darlegt, daß eine Erinnerungslücke des Angeklagten nicht durch bewußtseinsverändernde Stoffe (Alkohol oder Drogen) bedingt ist (211) und unter anderem ausführt (213 zweiter Absatz): "Beurteilt man nun die Erinnerungslücke, wie oben angegeben, läßt sich nicht die Schlußfolgerung ableiteten, daß zum Zeitpunkt der Tathandlung eine besondere Beeinträchtigung durch die Einnahme von Alkohol und etwaigen Suchtgiften vorgelegen sein kann". Da somit ohnedies ein psychiatrisches Gutachten über das im Beweisantrag bezeichnete Thema vorlag (vgl auch das polizeiamtsärztliche Gutachten - 21 - ), wäre der Rechtsmittelwerber verhalten gewesen, bereits in seinem Antrag allfällige Mängel des in Rede stehenden Gutachtens im Sinne der in §§ 125 und 126 StPO bezeichneten Art oder die Voraussetzungen einer besonderen Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung iSd § 118 Abs 2 StPO darzutun, was aber nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls nicht geschehen ist (vgl Mayerhofer/Rieder § 281 Z 4 E 133, 133 a).
Soweit in der Rechtsmittelschrift (269 vorletzter Absatz) das Beweisthema erweitert bzw dem Beweisantrag im nachhinein ein anderes Ziel unterlegt wird, ist darauf nicht weiter einzugehen, weil bei Prüfung eines Zwischenerkenntnis des Schöffengerichtes und demnach der Berechtigung eines Antrages auf die Verfahrenslage zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages vorgebrachten Gründen auszugehen ist, weshalb erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Gründe keine Berücksichtigung finden können (vgl Mayerhofer/Rieder aaO E 40, 41).
Die sonstigen (unter dem relevierten Nichtigkeitsgrund enthaltenen) Beschwerdeeinwendungen (271 ff), die einzelne in den Akten enthaltene - fallbezogen aber gar nicht entscheidende - Aussagedetails namentlich genannter Personen über beim Angeklagten wahrgenommene Alkoholisierungssymptome herausgreifen und in isolierter Betrachtungsweise gegen die vom Erstgericht - in einer Gesamtschau der maßgeblichen Beweisergebnisse aktengetreu und zureichend begründet (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) - konstatierte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten ins Treffen führen, somit der Sache nach einen (vermeintlichen) formalen Begründungsmangel (Z 5) aufzuzeigen trachten, stellen in Wahrheit bloß eine unzulässige und demnach unbeachtliche Kritik an der tatrichterlichen Lösung der Schuldfrage dar, ohne eine fehlerhafte Urteilsbegründung dartun zu können.
Gleiches gilt für die Argumente in der Mängelrüge (Z 5), mit denen die Urteilsbegründung als unvollständig und undeutlich kritisiert wird, weil sie sich (nach Meinung des Beschwerdeführers) mit verschiedenen Beweisergebnissen (so zB mit den bei ihrer ersten polizeilichen Einvernahme und im Spital gegenüber dem vernehmenden Beamten L***** gemachten Angaben der Manuela A***** über die von ihr vereinbarungsgemäß zu erbringenden Leistungen - 49 mitte -; daß sie sich in der Wohnung selbst ausgezogen hat; sie der Suchtgiftszene in der Gumpendorferstraße angehört und ihr im Spital Methadon verabreicht wurde; ferner mit der Verantwortung des Angeklagten, Drogen genommen und mit der Prostituierten für einen "Arschfick" 1.500 S vereinbart zu haben) nicht auseinandersetze bzw unerörtert lasse und die Begründung (nach Ansicht des Nichtigkeitswerbers) deshalb undeutlich sei, weil aus der Feststellung "durch die 'etwaige' Einnahme von Suchtgiften" (US 6 zweiter Absatz) nicht hervorgehe, ob der Angeklagte tatsächlich Drogen eingenommen habe oder nicht.
Überdies berühren alle diese gerügten Umstände keine wesentlichen (entweder die Schuldfrage oder den anzuwendenden Strafsatz beeinflussende) Tatsachen. Ist doch vorliegend nur entscheidend, daß der Angeklagte Manuela A***** durch die in den Entscheidungsgründen (US 4 f) geschilderten Gewaltakte und durch mündliche Drohung erfolglos versuchte, das Opfer zur Duldung der analen Penetration zu nötigen, ein Umstand, der auch dadurch nicht relativiert werden könnte, daß das Opfer nicht erst in der Wohnung, sondern bereits vorher die Duldung eines Analverkehrs abgelehnt hätte. Im übrigen hat sich das Erstgericht - der Beschwerde zuwider - sowohl mit der (wechselnden) Verantwortung des Angeklagten als auch mit der (für glaubwürdig beurteilten) Aussage der genannten Zeugin kritisch und ausführlich auseinandergesetzt sowie in einer Gesamtschau der maßgeblichen Beweisergebnisse und unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks aktengetreu, denkmöglich und zureichend dargetan, aus welchen Erwägungen es den Beschwerdeführer des inkriminierten Verbrechens für schuldig erachtete, ohne dabei wichtige entgegenstehende Beweisergebnisse mit Stillschweigen zu übergehen (US 6 ff). Die in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) getroffene Lösung der Schuldfrage ist aber jedweder Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogen.
Als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt erweist sich schließlich der weitere (der Sache nach einen vermeintlichen Feststellungsmangel nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO relevierende) Einwand in der Mängelrüge, das Urteil enthalte keine Konstatierung über die Quantität des vom Angeklagten (vor der Tat) konsumierten Alkohols; die Feststellung "eine größere Menge" (US 4 oben) reiche nicht aus, "um überprüfbar darstellen zu können, ob der Angeklagte nun im Sinne des § 11 StGB berauscht war oder nicht".
Abgesehen davon, daß sich der Beschwerdeführer selbst während des Verfahrens außerstande sah, exakte Angaben über Art und Menge der von ihm genossenen alkoholischen Getränke anzugeben (35, 168 f), demnach eine solche "exakte" Feststellung mangels anderer Beweisquellen gar nicht möglich war, übergeht die Beschwerde, daß das Schöffengericht die Annahme, der Angeklagte sei zur Tatzeit zwar alkoholisiert, aber zurechnungsfähig gewesen, in erster Linie auf das schlüssige Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr.P***** (209 ff) stützt, darüber hinaus auch auf "ein im wesentlichen intaktes Erinnerungsvermögen" des Angeklagten bei seiner kriminalpolizeilichen Vernehmung am Tag der Tat, bei der er sich auch an "unwesentliche Details" erinnern konnte (vgl US 8 zweiter Absatz). Somit setzen sich die Beschwerdeausführungen über das Gebot hinweg, daß auch der Nachweis eines materiell-rechtlichen Feststellungsmangels nur auf der Basis des gesamten erstgerichtlichen Tatsachensubstrats erbracht werden kann.
Die Tatsachenrüge (Z 5 a, der Sache nach teilweise Z 5) remonstriert einerseits erneut mit den schon in der Verfahrensrüge enthaltenen Einwänden gegen die im Urteil konstatierte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten und kritisiert andererseits eine (der "amtswegigen Wahrheitserforschungspflicht" des Erstgerichtes zuwiderlaufende) unterbliebene amtswegige zeugenschaftliche Einvernahme des Meldungslegers Erwin B***** über nach der Tat von dritter Seite erhaltene Mitteilungen und eigene Wahrnehmungen, die (nach Meinung des Rechtsmittelwerbers) der wechselnden Darstellung der Zeugin A***** widersprechen. Da es nach Lage der Dinge angesichts des den Akteninhalt verwertenden (189) Gutachtens des Sachverständigen Prim.Dr.P***** der amtswegigen Zeugeneinvernahme des Erwin B***** nicht bedurfte, wäre es Sache des Angeklagten und/oder seines Verteidigers gewesen, einen darauf abzielenden begründeten Beweisantrag zu stellen, nach dessen Abweisung durch den Gerichtshof ihm die Verfahrensrüge gemäß § 281 Abs 1 Z 4 StPO offengestanden wäre. Im übrigen gelangte der Oberste Gerichtshof nach eingehender Prüfung aller in der Beweisrüge erhobenen Einwände zur Überzeugung, daß damit keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen dargetan werden.
Inwiefern die Feststellung, "wonach der Angeklagte mit einem geöffneten Klappmesser hinter der Prostituierten stand und auf sie einstach", mit jener, derzufolge "er dies in der Absicht tat, sie zu einem Analverkehr zu zwingen", in unlösbarem Widerspruch stehen soll, womit sachlich ein Begründungsmangel nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO behauptet wird, vermögen die in der Beschwerdeschrift (283) aufgestellten Wahrscheinlichkeitsüberlegungen auch mit dem Hinweis auf die dem Angeklagten vom psychiatrischen Sachverständigen attestierten "Minderwertigkeitskomplexe und die männliche Identifikationsstörung" nicht nachvollziehbar aufzuzeigen.
Nach Inhalt und Zielrichtung (vgl: "... hätte das Erstgericht ...
festzustellen gehabt, daß der Angeklagte ... - wahrscheinlich aus
gekränktem Stolz - nur verletzen wollte") unternimmt der Angeklagte demnach auch mit diesem Vorbringen der Tatsachenrüge in Wahrheit bloß den unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, ohne schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidenden Punkten aufkommen lassen.
Die nominell auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Qualifikationsrüge behauptet zunächst das Fehlen von "Feststellungen dahingehend, aus welchem Grund der Angeklagte zuerst zugestochen und sie [Manuela A*****] erst dann verbal bedroht hat, reklamiert damit aber keinen Feststellungsfehler, sondern der Sache nach einmal mehr bloß eine dem Erstgericht (vermeintlich) unterlaufene offenbar unzureichende Begründung nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO in bezug auf einen - fallbezogen - nicht relevanten Umstand.
Mit dem Einwand schließlich, "aus der Konstatierung, daß der Angeklagte der stark blutenden Geheimprostituierten noch bis auf die Straße nachlief und sie auch dort noch erneut schlug, im Zusammenhang mit den zu treffen gewesenen Feststellungen, wonach der Angeklagte durchgedreht hat und aus gekränktem Stolz, sowie aus Aggression dann der Geheimprostituierten eine Körperverletzung zufügen wollte, wäre die Tat im Sinne einer schweren Körperverletzung zu qualifizierten gewesen", verläßt die Beschwerde vollends den Boden der - wie dargelegt - formell einwandfrei begründeten Urteilsfeststellungen (US 2 f, 4 ff), die den Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB in subjektiver und objektiver Richtung zu tragen vermögen, und verfehlt solcherart erneut die prozeßordnungsgemäße Darstellung des geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrundes. Die gesetzmäßige Ausführung einer solchen Rüge erfordert nämlich unabdingbar das Festhalten an den gesamten im Urteil festgestellten Tatsachen, deren Vergleichung mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und den Nachweis, daß das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhaltes einem Rechtsirrtum unterlegen sei (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 E 26, 30; § 281 Z 10 E 9, 11).
Aus den dargelegten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sonach teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Daraus folgt, daß die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien fällt (§ 285 i StPO).
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